Selection Bias in einer Umfrage und Kontrollvariablen

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Selection Bias in einer Umfrage und Kontrollvariablen

Beitragvon gabriel.01 » Mo 1. Apr 2024, 13:55

Hallo zusammen,

ich habe eine allgemeine Frage zu selection bias und Kontrollvariablen.

Wenn ich eine Umfrage online im Rahmen meiner Arbeit verteile, grenze ich ja eine Gruppe aus: nämlich Menschen, die gar kein oder nur sehr wenig Internet nutzen. Gleichzeitig verteile ich die Umfrage in meinem (erweiterten) Umkreis, sodass eine Tendenz zu Befragten in meinem demographischen Merkmalen (Alter, ...) liegt. Daher liegt aus meiner Sicht ein selection bias vor, sprich eine Verzerrung aufgrund ungleicher Zusammensetzung der verschiedenen Gruppen der Grundgesamtheit (z.B. Altersgruppen; bei mir Dominanz auf 20-25 jährige).

Was kann nun dagegen gemacht werden? Bringt es was, soziodemographische Kontrollvariablen zu verwenden, z.B. Geschlecht, Alter, Bildungsniveau etc.? Eine Kontrollvariable ist ja eine Variable die konstant gehalten wird, sprich es wird für sie kontrolliert. Ich bin mir nun aber nicht sicher, ob das auch den beschriebenen bias kontrolliert. Meine Überlegung ist es, durch die Kontrolle dieser Faktoren in der Analyse den Einfluss der Stichprobenauswahl auf die Ergebnisse zu verringern, sprich für Alter etc. adjustieren und ihren Einfluss reduzieren.

FYI: Die Verwendung der demographischen Variablen als Kontrollvariablen werde ich so oder so durchführen, da sie empirisch belegt einen Einfluss auf meine abhängige Variable haben. Es geht mir also jetzt nur darum, ob hiermit auch gegen den selection bias vorgegangen wird.

Leider konnte ich dazu keine Quellen finden. Das Thema Kontrollvariablen wird aus meiner Sicht nur wenig in der Literatur beschrieben. Solltet ihr Literatur empfehlen können zu dem Thema, wäre ich auch äußerst dankbar.

Vielen Dank für die Unterstützung!
gabriel.01
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Re: Selection Bias in einer Umfrage und Kontrollvariablen

Beitragvon PonderStibbons » Mo 1. Apr 2024, 16:53

Kontrollvariablen heißen zwar so, aber kontrollieren nichts.
Deine Überlegungen gehen anscheinend in Richtung Gewichtung
und (Post-)Stratifizierung. Aber es lässt sich schlecht beurteilen,
da Thema, Zweck und Ziel und Fragestellung(en) nicht
beschrieben wurden.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Selection Bias in einer Umfrage und Kontrollvariablen

Beitragvon gabriel.01 » Mo 1. Apr 2024, 17:38

Hallo und vielen Dank für Deine Antwort.

In meiner Bachelorarbeit geht es um folgendes:

Es soll geprüft werden inwiefern nachhaltige Lieferketten (gemessen durch die Präferenz als Proxy) das Verbraucherkaufverhalten (consumer buying behavior) beeinflussen. Es werden zudem zwei Moderatorvariablen verwendet, nämlich das Vertrauen und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle. Zudem sollen, wie bereits erwähnt, die soziodemographischen Faktoren Geschlecht, Alter, Bildungsniveau und Einkommen als Kontrollvariablen verwendet werden.

Zur Überprüfung der Hypothesen (u.a. nachhaltige Lieferketten haben einen positiven Einfluss auf das Kaufverhalten) soll ein Strukturgleichungsmodell angewendet werden (da latente Variablen etc.) und mittels der Software SmartPLS ausgewertet werden.

Zur Erhebung der Daten wurde eine Umfrage erstellt, die online im eigenen Umkreis/Netzwerk verteilt wurde. Die Stichprobe stellt wie in meiner ersten Nachricht erwähnt, nicht die Grundgesamtheit dar, da der Großteil der teilnehmenden Personen zu meinen soziodemographischen Faktoren passt (ca. 20-25 jährige, ~Bachelorabschluss, usw.)

Ich hoffe die Informationen reichen aus, um wir weiterzuhelfen.

Vielen Dank!
Zuletzt geändert von gabriel.01 am Mo 1. Apr 2024, 18:05, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Selection Bias in einer Umfrage und Kontrollvariablen

Beitragvon PonderStibbons » Mo 1. Apr 2024, 17:56

Wenn Deine Rekrutierung 20- bis 25jährige betrifft,
dann lassen sich durch statistische Tricks keine
40jährigen herbeirechnen.

Wenn Du meinst, die Ergebnisse Deiner
Hypothesenüberprüfungen lassen sich womöglich nicht
Bzw. schlecht auf andere Populationen übertragen, dann
ist das eine wichtigere Limitation, die Du
in der Diskussion deutlich herausstellen solltest.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Selection Bias in einer Umfrage und Kontrollvariablen

Beitragvon gabriel.01 » Mo 1. Apr 2024, 18:05

Vielen Dank für die Antwort.

Die Umfrage läuft noch, daher habe ich noch nicht die kompletten Ergebnisse. Zurzeit sind es jedoch 68% 20- bis 25jährige.

Hier vielleicht direkt die Frage, ob Du vielleicht Foren kennst, in denen ich meine Umfrage teilen könnte, insbesondere vielleicht mit Personen aus anderen soziodemographischen Gruppen als die schon dominierende Gruppe.

Zu meiner eigentlichen Frage: Das heißt die Nutzung von Kontrollvariablen bringt zur Reduzierung des selection biases nichts?

Im Kapitel zum Forschungsdesign beschreibe ich die Nutzung der Online-Umfrage als Instrument zur Datenerhebung. Als eines der Nachteile möchte ich auf die folgenden Punkte eingehen:
- Einschränkung Teilnehmende mit Internetnutzung
- Umkreis/Netzwerk des Befragers
--> Selection bias
Da wollte ich halt sagen, dass durch die Nutzung von Kontrollvariablen der bias reduziert wird. So wie ich verstehe, ist das nicht der Fall. Hast Du andere Ideen, die dort erwähnt werden könnten?

Vielen Dank für die enorme Unterstützung!
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Re: Selection Bias in einer Umfrage und Kontrollvariablen

Beitragvon bele » Mo 1. Apr 2024, 18:28

gabriel.01 hat geschrieben:Das heißt die Nutzung von Kontrollvariablen bringt zur Reduzierung des selection biases nichts?


Richtig, das bringt an dieser Front erstmal nichts. Du könntest recherchieren, wieviel Prozent aller erwachsenen Deutschen in die Altersgruppe der 20 bis 25 jährigen fallen und wieviele in die Gruppe der 45 bis 50jährigen. Dann könntest Du in Deiner Stichprobe die 20 bis 25 jährigen untergewichten und die 45 bis 50jährigen übergewichten bis die Altersverteilung in Deiner Stichprobe der Verteilung bei den erwachsenen Deutschen entspricht. Das wäre ein wesentlicher Schritt hin zu Repräsentativität. Dabei ist die Gefahr hoch, dass es Altersgruppen gibt, aus denen Du zuwenige Menschen gesampelt hast um von denen hochzurechnen und spätestens wenn Du für Alters- und Bildungsverteilung korrigieren willst wirst Du feststellen, dass Du dafür zuwenig Teilnehmer hast. Eigentlich willst Du aber Repräsentativität für Altersgruppen, Bildungsgruppen, Internetaffinität, Einkommen und Geschlecht. Du wirst schnell feststellen, dass das Problem des selection bias auch mit großem Aufwand nur unbefriedigend zu lösen ist.

So etwas richtig gut zu machen kann man m.E. von einem Meinungsforschungsinstitut bei Aufwendung eines erheblichen Budgets erwarten, nicht in einer Bachelorarbeit. Deshalb würde ich annehmen, dass es reicht, auf den selection bias aufmerksam zu machen.
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Re: Selection Bias in einer Umfrage und Kontrollvariablen

Beitragvon gabriel.01 » Mo 1. Apr 2024, 18:54

Vielen Dank für die Antwort!

Ich bin deiner Meinung, dass das den Rahmen sprengen würde. Daher werde ich darauf aufmerksam machen beim Forschungsdesign sowie dann bei den Limitationen am Ende der Arbeit.

Zu den Kontrollvariablen, auf die ich bei der Vorstellung des Frameworks eingehe: Die Anwendung lohnt sich aber trotzdem, oder? Mit der Begründung, dass Sie einen (durch die Emprie bestätigten) Einfluss haben auf das nachhaltige Kaufverhalten und daher herangezogen werden, um nach ihnen zu adjustieren und deren Einfluss zu reduzieren (nicht komplett zu beseitigen, da es ja kein vollständiger linearer Zusammenhang ist, z.B. Interkation, ...)
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Re: Selection Bias in einer Umfrage und Kontrollvariablen

Beitragvon bele » Mo 1. Apr 2024, 20:13

Ja.
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Re: Selection Bias in einer Umfrage und Kontrollvariablen

Beitragvon PonderStibbons » Mo 1. Apr 2024, 23:35

NB ergeben sich allerdings unterschiedliche Situationen,
je nachdem ob die Ko-Variable nur mit der AV, oder nur
mit den Prädiktoren, oder sowohl mit AV als auch
Prädiktoren korreliert ist.
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Re: Selection Bias in einer Umfrage und Kontrollvariablen

Beitragvon gabriel.01 » Di 2. Apr 2024, 10:27

Vielen Dank für die Ergänzung.

Welchen Unterschied gäbe es für mich zur Beschreibung der Verwendung der Ko-Variable, wenn die Ko-Variable nur einen Einfluss auf die AV hat und keinen Einfluss auf die UVs oder das Szenario, wenn sie einen Einfluss auf AV und (mindestens) eine der UV hat? Zweites Szenario (Einfluss auf UV + AV) steht vermutlich im Zusammenhang mit OVB, beim ersten Szenario (Einfluss nur auf AV) kenne ich die Begründung zur Verwendung von Kontrollvariablen, außer die ich bereits in meinem Kommentar vorher erwähnt habe, nicht.
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