Welchen Hypothesentest?

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Welchen Hypothesentest?

Beitragvon Schneider » So 4. Aug 2013, 16:53

Hallo zusammen!

Ich hätte ein Frage bezüglich Hypothesentests.
Im Zuge meiner Bachelorarbeit möchte ich ordinalskalierte Variablen mit 2 und mehreren unabhängigen Stichproben vergleichen.
Meine Stichprobengrößen die ich Vergleiche sein n = 555 und n = 25 (Es handelt sich um Teilnehmer von unterschiedlichen Abenteuersportarten und den Guides dieser Sportarten).

Was meint ihr, welchen Test ich dafür am besten nehmen sollte? Ich tendiere momentan bei den Fällen mit 2 unabhängigen Tests zum Mann Withney U-Test und bei mehreren unab. Stichproben zum Kruskall Wallis H-Test. Beide haben den Vorteil, dass ich dazu die Normalverteilung nicht prüfen muss, oder? Sind diese aber trotzdem aussagekräftig genug?

Ich freu mich auf eure Hilfe. Schon ein guter Literaturnachweis wäre super. Ich bin hier nämlich ganz schön am rätseln!

Danke,
Andi
Schneider
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Re: Welchen Hypothesentest?

Beitragvon Cadee » Di 6. Aug 2013, 20:33

Hallo Andi,

ich glaube ich verstehe "2 und mehrere unabhängige Stichproben" nicht so recht. Sind es 2 (unab.) Stichproben oder mehr als 2 Stichproben? Oder sind es tatsächlich einfach zwei Analysen, also:
1) Du willst 2 (unabh.) Gruppen miteinander vergleichen. AV = ordinalskaliert
2) Du willst >2 (unabh.) Gruppen miteinander vergleichen. AV = ordinalskaliert
Wenn dem so sein sollte, dann ist deine Auswahl an Hypothesentests korrekt!

Etwas Allgemeineres sei noch am Rande erwähnt: Parametrische Verfahren haben bestimmte Voraussetzungen für ihre Anwendung:
1. AV muss (in der Population!) normalverteilt sein (nicht in der Stichprobe! Klassischer und grobes Dauermissverständnis so ziemlich aller Studenten und Dozenten!)
2. AV muss intervallskaliert sein
Non-Parametrische Verfahren (wie die, die du vernwenden möchtest) haben diese Voraussetzungen nicht. Genauer gesagt nicht mehr die Voraussetzung der nv der AV. Allerdings haben Non-P.-Verfahren dennoch Nachteile. So ist die Teststärke stark reduziert, was wiederum daran liegt, dass weniger Informationen aus den Daten bei non-parametrischen Verfahren verwendet werden.
Kleiner Exkurs Teststärke: Die Teststärke ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Effekt auch gefunden wird, wenn es einen gibt (etwas vereinfacht ausgedrückt...). Je höher also die Teststärke, desto eher wirst du einen signifikanten Effekt auch als signifikant entdecken.
Weiterer Nachteil: Es dir eigentlich nicht möglich Effektstärken bei non-parametrischen Verfahren zu berechnen (die du aber wahrscheinlich eh nicht berechnen wolltest :) ).
Es gibt Literatur, die die Verwendung parametrischer Verfahren, trotz Verletzung ihrer Voraussetzungen, empfehlen:
Beispielsweise: Bühner, Z. & Zieler, M. (2011). Statistik für Psychologen und Sozialwissenschaftler. München: Pearson. S. 268-270 (Kap. 5.2 "Nonparametrische Verfahren").

Falls du dich für parametrische Verfahren entscheiden solltest:
1) 2 unabh. Stichproben: t-Test
2) >2 unabhängige Stichproben: Varianzanalyse ("ANOVA")

Viele Grüße
Cadee
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Re: Welchen Hypothesentest?

Beitragvon PonderStibbons » Di 6. Aug 2013, 20:56

1. AV muss (in der Population!) normalverteilt sein

In den PopulationEN, wenn es um t-Test oder faktorielle ANOVAs geht,
aber eigentlich muss man sich bei Verfahren im Rahmen des ALM nur die
Residuen ansehen. Jedenfalls nie die unkonditionale Verteilung.

Mit freundlichen Grüßen

P.
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Re: Welchen Hypothesentest?

Beitragvon Schneider » Mi 7. Aug 2013, 09:12

Hi Cadee,

vielen Dank für deine Ausführliche erklärung! Damit hast Du mir sehr weitergeholfen.
Ich habe Stichprobenweise meine ersten Auswertungen mit dem T-Test und dem U-Test gemacht. Die Signifikanz war jeweils ähnlich.
Ich werde mir aber sofort das Buch holen und mich bezüglich der Teststärke einlesen. Ich würde vom Gefühl her auch lieber die parametischen (t-test) anwenden. Falls ich das mit deiner, bzw. einer andern Quelle belegen kann, dann werde ich das wohl auch tun.

Vielen Dank nochmal!!
Schneider
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Re: Welchen Hypothesentest?

Beitragvon PonderStibbons » Mi 7. Aug 2013, 09:43

Bei einem so großen n ist aufgrund des zentralen Grenzwertsatzes eine
Normalverteilungsbetrachtung unerheblich. Wichtig ist, dass bei ungleichen
Stichprobengrößen die Varianzen nicht zu unterschiedlich sein dürfen, allerdings
steht in dem Fall der Welch Test zur Verfügung.
Vgl. http://www.uni-graz.at/ilona.papousek/t ... s/faq.html
FAQs 4 und 5 (gilt auch für den t-Test, dieser entspricht einer Varianzanalyse
mit 2 Gruppen).

Mit freundlichen Grüßen

P.
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Re: Welchen Hypothesentest?

Beitragvon Cadee » Di 13. Aug 2013, 22:17

@Schneider: Nichts zu danken :)


PonderStibbons hat geschrieben:
1. AV muss (in der Population!) normalverteilt sein

In den PopulationEN, wenn es um t-Test oder faktorielle ANOVAs geht,
aber eigentlich muss man sich bei Verfahren im Rahmen des ALM nur die
Residuen ansehen. Jedenfalls nie die unkonditionale Verteilung.

Mit freundlichen Grüßen

P.


Vielleicht habe ich gerade einen Denkfehler, dann bitte ich um Korrektur, aber ich hatte dabei an Folgendes gedacht: Für die AV gilt erst einmal die Annahme (a priori - weil so schön einfach), dass es sich in der Population normal verteilt. Nehmen wir an es handelt sich bei der AV um "Verständlichkeit eines Trainer-Guides", so würde man zuerst einmal annehmen, dass diese Verständlichkeit nv ist. Jetzt gibt es einen zweiten Guide und man möchte wissen, ob sich diese beiden Guides von ihrer Verständlichkeit her unterscheiden. Auch vom zweiten Guide würde man a priori davon ausgehen, dass sich die Verständlichkeit nv. Die H0 geht davon aus, dass sich der Erwartungswert der einen Guides nicht von dem Erwartungswert des anderen Guides unterscheiden. Die Verständlichkeitswerte gehören also zur selben Population. Erst die H1, die ja von einem Unterschied von der Verständlichkeit der Guides ausgeht, macht quasi eine zweite Population erst "möglich". Erst bei der Annahme der H1 würde man ja inhaltlich von zwei Populationen sprechen.
Wie gesagt... falls ich da einen Denkfehler haben sollte, bitte ich um Korrektur :)

Bei einem so großen n ist aufgrund des zentralen Grenzwertsatzes eine
Normalverteilungsbetrachtung unerheblich. Wichtig ist, dass bei ungleichen
Stichprobengrößen die Varianzen nicht zu unterschiedlich sein dürfen, allerdings
steht in dem Fall der Welch Test zur Verfügung.
Vgl. http://www.uni-graz.at/ilona.papousek/t ... s/faq.html
FAQs 4 und 5 (gilt auch für den t-Test, dieser entspricht einer Varianzanalyse
mit 2 Gruppen).

Mit freundlichen Grüßen

P.


Stimmt, den zentralen Grenzwertsatz hatte ich ganz vergessen! Noch ein Grund mehr, warum man die Nv der AV nicht so ernst nehmen muss :)
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Re: Welchen Hypothesentest?

Beitragvon bele » Mi 14. Aug 2013, 10:26

Schneider hat geschrieben:Ich habe Stichprobenweise meine ersten Auswertungen mit dem T-Test und dem U-Test gemacht. Die Signifikanz war jeweils ähnlich.
[...] Ich würde vom Gefühl her auch lieber die parametischen (t-test) anwenden.


Hallo!

Kann mir mal jemand erklären, woher die Abneigung gegen nonparametrische Tests kommt? Ich verstehe Cadees Argument mit der Berechenbarkeit von Teststärken. Und das ist ein starkes Argument. Aber sonst? Wenn beide Tests zum gleichen p-Wert kommen und der eine hat Voraussetzungen, die streng genommen nie gegeben sind, auf deren ausreichende Annäherung man aber hoffen darf, und der andere hat diese Voraussetzungen nicht, ...

Die vermeintlich größere Power des t-Tests ist nur dann ein Argument, wenn der Test nicht-signifikant ist. Dann sind wir mit Nicht-Bayes-Statistik aber eh auf dünnem Eis. Wenn ein signifikanter Test vorliegt, ist die Power mit der das erreicht wurde wohl egal.

Oder geht es hier um Tradition, weil t-Test und ANOVA allen so schön geläufig sind und immer schon gemacht wurden?

Bitte um Erhellung.
LG,
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Re: Welchen Hypothesentest?

Beitragvon Cadee » Do 15. Aug 2013, 14:19

Hallo Bernhard,

was die unnatürliche Abneigung gegen non-parametrische Tests angeht, gebe ich dir vollkommen Recht. Das ist schon seltsam, rührt aber wahrscheinlich daher, dass einfach parametrische Verfahren bis zum Abwinken gelehrt werden und non-parametrische Tests eher so im Rahmen "das gibt es übrigens auch, wird aber selten benutzt" und dann landet das sofort im Gedächtnis des Studenten im Bereich "okay, muss man nur mal gehört haben!". Ich seh das also einfach als ein Lehr-Problem. Würden Dozenten für Statistik/Datenanalyse und co. es an der Uni/FH mehr lehren, würde es in der Forschung auch häufiger auftauchen. Dann würden wiederum andere Dozenten, die ihren statistikgeplagten, abschlussarbeitenachreibenden Studenten, die sich hier herumtummeln, auch öfter einen non-para. Test empfehlen.


Die vermeintlich größere Power des t-Tests ist nur dann ein Argument, wenn der Test nicht-signifikant ist. Dann sind wir mit Nicht-Bayes-Statistik aber eh auf dünnem Eis. Wenn ein signifikanter Test vorliegt, ist die Power mit der das erreicht wurde wohl egal.


Nee! Eben nicht! Gerade WENN ein signifikantes Ergebnis gefunden wird, ist zu überprüfen wie groß die Teststärke ist! Aus diesem Grund hat doch der Cohen erst damit angefangen!!! Ständig auf der Jagd nach einem möglichst kleinem p-Wert ist halt Bullshit... Dann sagt man halt "signifikant", "sehr signifikant", "hoch signifikant" und die ganzen absurden Formulierungen... Wenn du aber einen p-Wert < 0.001 hast (vermeintlich also "hoch signifikant"), du aber einen winzig kleinen Effekt hast, ist deine Teststärke miserable! Im Klartext für den Fall, dass man 1. einen kleinen p-Wert hat (und damit kleines Alpha) und 2. einen kleinen Effekt (also geringe Teststärke): "Okay... die Wahrscheinlichkeit dafür, dass man so einen Wert für die Prüfgröße findet (oder einen extremeren Wert) für die Verteilung der H0 ist extrem gering, ABER so einen Wert zu finden für die Verteilung der H1 ist EBENFALLS recht gering." D.h. eine Aussage darüber zu machen, ob dieser Wert nun zur H0 gehört oder nicht, gleicht raten, bei signifikantem Ergebnis, aber geringem Effekt.

Aber ich glaube, das artet gerade in Off-Topic aus...
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Re: Welchen Hypothesentest?

Beitragvon bele » Do 15. Aug 2013, 15:19

Hallo Cadee,

es kommt mir so vor, als hättest Du in diesem Post gerade Teststärke und Effektstärke verwechselt. Jedenfalls sind wir uns einig, dass man bei signifikantem Test nach der Effektstärke gucken sollte und dass sich das bei parametrischen Tests einfacher und natürlicher gestaltet. Aber Du hast Recht, das wird zu weit off topic. Ich denke auch, dass es eine Tradition von parametrischen Tests gibt, mehr noch als gute Argumente.

Danke, dass Du nochmal geantwortet hast.

LG,
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