Guten Tag!
Ich habe eine Frage zu einer Anwendung des Chi² Tests die mein proletarisches Laiengehirn irgendwie überfordert.
In der Nuklearmedizin werden Messgeräte (Aktivimeter) eingesetzt, mit denen sich Radioaktivität bzw. Zerfallsprozesse messen lassen. Genau genommen misst das Gerät eine Anzahl von Impulsen pro Sekunde, diese sind proportional zu den Zerfällen pro Sekunde.
Alle 6 Monate wird „durch die Überprüfung der Zählstatistik (…) festgestellt, ob die Verteilung der Messwerte der zu erwartenden statistischen Verteilung folgt oder ob sie auf eine Fehlfunktion des (Mess)Gerätes hinweist. (…) Zur Überprüfung der Zählstatistik ist das Chi-Quadrat-Prüfverfahren geeignet.“ (Quelle:s.u.).
In der Praxi sieht das so aus:
Im Aktivimeter wird die Anzahl der Impulse (generiert durch einen Prüfstrahler also einer Strahlenquelle mit im Mittel konstanter Zerfallsrate) 10–20-mal hintereinander über ein gleichbleibendes Zeitintervall bestimmt. Das Zeitintervall ist so gewählt, dass man auf etwa 10000 Impulse kommt.
Der Chi² Wert wird ermittelt aus der Summe der quadrierten Abweichungen der Messwerte vom Mittelwert aller Messwerte, geteilt durch den Mittelwert aller Messungen (ich meine mit Mittelwert natürlich das arithmetische Mittel). siehe hier: https://ibb.co/xH8NjXh
Der ermittelte Chi² Wert wird anschließend mit den Grenzen verglichen, die in einer Tabelle vorgegeben sind (https://ibb.co/LPKWKq0). Die Spalten der Tabelle geben die Vertrauensgrenzen (hoch: 80%, mittlere: 90% Basis: 98%), die Zeilen die Anzahl der Messungen an; Für n=20 Messungen und einer mittleren Vertrauensgrenze wird z.B. der Bereich 10.117-30.114 angegeben.
Wenn der ermittelte Chi² Wert innerhalb dieses Tabellenbereichs liegt, ist alles OK.
Es gibt noch ein Verfahren zur Eliminierung von Ausreißern, darauf gehe ich ggf später ein jetzt möchte ich erstmal den Chi²Test hier verstehen.
In meinem (bisherigen) Verständnis ist ein Chi²Test gedacht um
1.) Häufigkeiten von (nominal oder ordinalskalierten) Merkmalsausprägungen bezüglich ihrer Gleichheit oder Ungleichheit zu vergleichen. (Anpassungstest; Bsp.: Verglichen mit dem globalen Verhältnis von Männern und Frauen, gehen in meinen Fußballfanshop vor allem Männer einkaufen?)
2.) Häufigkeiten von (nominal oder ordinalskalierten) Merkmalsausprägungen bezüglich ihrer Unabhängigkeit voneinander zu bewerten. (Unabhängigkeitstest; Bsp.: Kaufen Männer eher rote Luftballons und Frauen mehr Grüne?).
Warum brauche ich für die o.g. Überprüfung der Zählstatistik einen Chi² Test? Ich teste doch eigentlich nur die Streuung um den Mittelwert herum, wäre hierfür nicht der Variationskoeffizient ausreichend? (Der Mittelwert selber ist ja uninteressant also es ist egal ob das Messgerät systematisch zu viele oder zu wenige Impulse misst; Die Anzahl der gemessenen Impulse ist ja zur tatsächlichen Zerfallszahl proportional, der Proportionalitätsfaktor wird jeden Tag an dem Gerät überprüft.)
Und was sind denn hier überhaupt die 0- und Alternativhypothese? Und woher kommen diese Grenzen für die Auswertung des Chi² Wertes? Kennt jemand vielleicht ähnliche Anwendungen des Chi² Tests? (Ich habe zwar schon Chi² Test auf Verhältnisskalierte Werte gesehen, jedoch wurden diese vorher klassiert und somit in ordnalskalierte Werte umgewandelt.)
Ich bin für jeden konstruktiven Kommentar dankbar. Dass ich ein statistischer Komplettversager bin, weiß ich selber wär nett sich die Kommentare die mich nochmal darauf hinweisen in Grenzen halten.
Die Qualitätskontrolle verlangt nur dass ich das oben beschriebene Procedere anwenden kann, ich würde es halt auch wahnsinnig gerne verstehen.
Quelle:
Buch: Empfehlungen zur Qualitätskontrolle in der Nuklearmedizin; Eckard, Geworski, Lerch, Reiners, Schober, Schattenauer Verlag, 2. Auflage 2009