Mehrfachvergleiche innerhalb einer Gruppe

Mehrfachvergleiche innerhalb einer Gruppe

Beitragvon LeeMajors » Do 3. Mär 2016, 18:52

Liebe Foristen,
ich habe folgendes Problem:

Bei n=150 Patienten mit einer bestimmten Erkrankung wurden bei jedem Patienten einmalig 3 verschiedene Laborwerte A, B und C (=unabhänginge V.) gemessen. Mein Zielkriterium (=abhängige Variable) ist die 30-Tage-Letalität. Oberhalb eines jeweiligen Schwellenwertes gilt der Patient als A+ (n=60), B+ (n=40), C+ (n=20). Da es sich um Labortests des gleichen Organs handelt, können Patienten allerdings bspw. auch A+ und B+ sein.

Was ich vergleichen möchte:
Ich würde gern die Anzahl der Verstorbenen und Überlebenden der jeweiligen Tests miteinander vergleichen, also Verstorbene von A+ (12/60) vs. B+ (10/40) (sowie A+ vs C+ sowie B+ vs C+). Also immer ordinäre 4-Felder-Tafeln, aber eben jeweils mit Positiven zweier Tests. Also Bspw.

________A+ | B+
Verst. | 12 | 10
Überl. | 48 | 30

Die Frage ist nun: Ist dies aufgrund der u.U. Mehrfachpositiven und angesichts der Tatsache, dass alle 3 Werte in einer Population bestimmt wurden und nicht 3 Gruppen mit Untersuchung je eines Laborwerts gebildet wurden, überhaupt zulässig? Wenn es möglich sein sollte, was wäre dann der angebrachte Test (Chi2/Fisher oder McNemar sind meiner Meinung nach aufgrund der Konstellation nicht zulässig).

Vielen Dank, Lee
Sorry für die Verkorkste Tabelle, kriege das mit dem Generator nicht hin :(
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Re: Mehrfachvergleiche innerhalb einer Gruppe

Beitragvon mango » Mi 9. Mär 2016, 15:47

Hallo, an sich zulässig ist ein solches Vorgehen meines Erachtens schon. Du musst aber im Hinterkopf behalten, dass es sich dabei um eine kontrafaktische Vereinfachung des Settings handelt. Das ist wiederum bei der Interpretation der Testergebnisse wichtig. So oder so halte ich so ein Vorgehen aber methodisch nicht für optimal. Ich würde eine Ereignisanalyse vorschlagen. Mit der kannst du dir die Komplexität der dir zur Verfügung stehenden Daten (je nach Modell mehr oder weniger) vollständig zu Nutze machen.

Neben der Tatsache, dass die Gruppen, die du eingeteilt hast, nicht überschneidungsfrei sind, ist auch der Messzeitpunkt der Überlebenswahrscheinlichkeit willkürlich gewählt und schließt alle Überlebensraten zu anderen Zeitpunkten aus (ein Hauptgrund für die Ereignisanalyse). Das gleiche gilt für den Schwellenwert der drei gemessenen Laborwerte. Dabei handelt es sich immerhin um intervallskalierte Variablen, die hervorragend als Prädiktoren für ein Regressionsmodell geeignet sind.

Außerdem ist die Ereignisdatenanalyse gerade in der medizinisch-pharmazeutischen Forschung sehr verbreitet, d. h. du machst nichts, was du dir nicht an hunderten ähnlicher Studien gut abgucken könntest.
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Re: Mehrfachvergleiche innerhalb einer Gruppe

Beitragvon LeeMajors » Mi 9. Mär 2016, 20:36

Liebe/r mango,

vielen Dank für Deine Antwort.
Du musst aber im Hinterkopf behalten, dass es sich dabei um eine kontrafaktische Vereinfachung des Settings handelt. Das ist wiederum bei der Interpretation der Testergebnisse wichtig.

Könntest Du mir evtl. ein Beispiel geben, wie Du das konkret interpretieren würdest? Mir geht es nicht darum wie ich p zu interpretieren habe, das ist mir alles klar, sondern darum, wie ich die Einschränkung durch den gewählten Vergleich konkret in die Interpretation einfließen lasse.
Ich habe z.B. A+ vs. B+ p<0.001, B+ vs. C+ p=0.123 und A+ vs C+ p=0.07
Ich habe mir diese 4-Felder Tafeln wie im ersten Post im Beispiel "gebaut" und diese mittels Chi2- bzw. Exaktem Test nach Fisher untersucht. Mir ist klar, dass dies aber eigentlich nur für voneinander unabhängige Stichproben geht, durch die Gruppenüberschneidungen habe ich da aber Zweifel.

So oder so halte ich so ein Vorgehen aber methodisch nicht für optimal

Dessen bin ich mir durchaus bewusst, deshalb gründet sich die Auswertung auch nicht darauf. Es soll eine Aussage sein, aber eben nicht die Hauptaussage. Ich wollte mit diesen absichtlich reduzierten Informationen eine unverfälschte Antwort :D

Ich würde eine Ereignisanalyse vorschlagen

Ich habe zusätzlich Kaplan-Meier-Analysen durchgeführt und die Statistik mittels log-rank-Test berechnet:
1. Für jeden Laborwert einzeln: Dann bekomme ich 3 Diagramme. Für jeden Laborwert ist bei Positiven das kumulative Überleben signifikant erniedrigt, allerdings bei A niedriger als bei B niedriger als bei C. Aber das geht nur visuell, wieviel niedriger das Survival bei A als bei B usw. ist kann ich so nicht in Zahlen fassen und miteinander vergleichen bzw. statistisch testen.
2. Ich habe 2 Laborwerte über entsprechende Kodierung und damit Subgruppenbildung (A+/B+, A+/B-, A-/B+ , A-/B-) in ein Diagramm gebracht und erhalte 4 Kurven, welche ich untereinander auch schön vergleichen kann. Allerdings kann ich auch so nicht dezidiert A+ vs. B+ vergleichen. Und wenn man jetzt noch Subgruppen zusätzlich mit C bildet, wird es sehr unübersichtlich und die Subgruppengröße wird sehr klein.
Messzeitpunkt der Überlebenswahrscheinlichkeit willkürlich gewählt

Die Wahl ist in diesem Sinne nicht willkürlich, sondern orientiert sich an der Leitlinie für die entsprechende Erkrankung. Ganz konkret teilt sie die Patienten anhand ihres kurzfristigen (=30d) Letalitätsrisikos in Gruppen ein, die sich in Therapie etc. unterscheiden. Der ganz überwiegende Anteil der Patienten wird, so er denn nicht überleben sollte, innerhalb dieser 30d sterben.
Das gleiche gilt für den Schwellenwert der drei gemessenen Laborwerte. Dabei handelt es sich immerhin um intervallskalierte Variablen, die hervorragend als Prädiktoren für ein Regressionsmodell geeignet sind.

Ich habe eine bivariate logistische Regressionsanalyse (uni- und multivariat) mit einigen möglichen Einflussfaktoren durchgeführt, u.a. A, B und C. In der multivariaten Analyse wurden letztlich A und B, aber nicht C als unabhängige Prädiktoren ausgewählt.
1. A ist von vornherein dichotimisiert, da es ein Vor-Ort-Schnelltest ist. A lässt sich also niemals als intervallskalierte Kovariate in die Regressionsanalyse einbringen
2. B und C habe ich
- in einem Modell intervallskaliert als Kovariate eingeschlossen. Hier habe ich allerdings ein kleines Interpretationsproblem: Wenn bspw für B die OR 5 (95%KI 2-20) beträgt, heißt das doch im Fall einer intervallskalierten Kovariate, dass sich das Chancenverhältnis je Anstieg von B um 1 Intervall 5fach erhöht, oder?. Nur, wie kann dieses "Intervall" in eine Zahl fassen und mit einer Maßeinheit versehen (SPSS)?
Und ist es sinnvoll, einen Laborwert als dichotomisiert und zwei als intervallskaliert einzuschließen? Daher habe ich B und C
- in einem zweiten Model dichotomisiert eingeschlossen. Für die Schwellenwerte von B und C habe ich vorher jeweils ROC-Analysen mit Bezug auf das Zielkriterium durchgeführt und die Schwellenwerte anhand der Wertetabellen für Sensitivität und Spezifität ermittelt.
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Re: Mehrfachvergleiche innerhalb einer Gruppe

Beitragvon mango » Do 10. Mär 2016, 10:46

Eine dichotome Variable ist für die Regression kein Problem. Ich würde so vorgehen: Rechne ein Cox-Modell mit allen drei Prädiktoren. Dadurch kriegst du genau das geschätzt, was dich interessiert, nämlich das Verhältnis, in dem eine Stufe des Prädiktors die Überlebensfunktion beeinflusst. Die Ergebnisse kannst du im Prinzip wie die einer gewöhnlichen Regression verwenden.

Das einzige, womit du dich zumindest zur Interpretation beschäftigen musst, ist die Proportional-Hazards-Annahme, d. h. du musst untersuchen, ob die Überlebenskurven tatsächlich näherungsweise die gleiche Form haben und sich nur durch einen Proportionalitätsfaktor unterscheiden.
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Re: Mehrfachvergleiche innerhalb einer Gruppe

Beitragvon mango » Do 10. Mär 2016, 11:18

Zum Thema T-Test: Das Hauptproblem ist meines Erachtens ganz einfach die Drittvariablenkontrolle. Du hast drei mögliche Einflüsse auf die Sterblichkeit, die du auch alle gemessen hast. Führst du einen T-Test durch und hältst die beiden jeweils anderen Faktoren nicht konstant, kannst du nicht ausschließen, dass ein eventuell nachweisbarer signifikanter Unterschied durch die Variation eines anderen Faktors zustande gekommen ist. Streng genommen macht das den T-Test natürlich ungültig aber wenn du ein klar signifikantes Ergebnis und nur geringe Unterschiede zwischen den Gruppen bei Drittvariablen hast, kannst du prinzipiell argumentieren, dass auch konstant gehaltene Drittvariablen nichts am Ergebnis geändert hätten. Aber wie gesagt, so oder so ist das keine gute Option.
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Re: Mehrfachvergleiche innerhalb einer Gruppe

Beitragvon LeeMajors » Mo 14. Mär 2016, 13:50

d. h. du musst untersuchen, ob die Überlebenskurven tatsächlich näherungsweise die gleiche Form haben und sich nur durch einen Proportionalitätsfaktor unterscheiden.

also ich habe jetzt jeden Faktor einzeln (univariat) und in Kombination (multivariat - Methode "Enter") untersucht. C ist kein unabhängiger Prädiktor, bleiben A und B. Visuell sehen die Survivialfunktionen näherungsweise gleich aus, aber wie könnte ich den Proportionalitätsfaktor ermitteln? Kann man den anhand der in der Überlebenstabelle angegebenen Zuwachses der kumulativen Hazardrate abschätzen? Diese ist nämlich bei B auf jeder Stufe ca. 2,2-fach höher als bei A.
Vielen Dank für deine Mühe!
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Re: Mehrfachvergleiche innerhalb einer Gruppe

Beitragvon mango » So 20. Mär 2016, 12:06

Hallo, sorry für die späte Antwort. Mit einer Proportional-Hazards-Schätzung, findest du in deinem Statistikprogramm vermutlich unter dem Stichwort "Cox Regression".
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