Regressionsanalyse: Berechnung von Veränderungen?

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Regressionsanalyse: Berechnung von Veränderungen?

Beitragvon Herr F » So 10. Aug 2014, 01:55

Hallo zusammen,

ich arbeite derzeit an einem Regressionsmodell, das den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit untersuchen soll. Da Paneldaten zur Verfügung stehen, hatte ich eigentlich vor ein Fixed Effect Modell zu berechnen. Allerdings wurde der Vorschlag nun von meinem Prof. abgelehnt und er meinte ich solle mir lediglich die Veränderungen zwischen zwei Wellen angucken. Die Veränderungen des Erwerbsstatus (UV) sollen dabei über Dummyvariablen abbildet werden, die wie folgt aussehen:

1) Durchgehend beschäftigt: (T1=0; T2=0), Ref.
2) Eintritt Arbeitslosigkeit: (T1=0; T2=1), d1
3) Austritt Arbeitslosigkeit: (T1=1; T2=0), d2
4) Durchgehend arbeitslos: (T1=1; T2=1), d3

Die abhängige Variable ist metrisch und auch hier sollen die Veränderungen berechnet werden. Das Grundmodell sieht demnach wie folgt aus:

ΔGesundheit = β0 + β1d1 + β2d2 + β3d3

Nun bin ich bezüglich dieses Modells etwas verwirrt und habe einige Fragen.

1) Wie und welche Kontrollvariablen können bzw. müssen in dieses Modell aufgenommen werden?
- Können nur zeitveränderliche Variablen aufgenommen werden oder auch zeitkonstante?
- Werden die zeitveränderlichen Variablen zum Zeitpunkt t0 aufgenommen oder müssen hier ebenfalls Veränderungen abgebildet werden?

2) Wie lassen sich die im Modell enthaltenen Drittvariablen interpretieren? (Sollte das kleinste Problem sein, wenn ich weiß, welche Variablen sinnvoll aufgenommen werden können)

3) Handelt es sich bei dem Modell im Grunde nicht um ein Difference-in-Difference-Modell? (Hier kenne ich mich überhaupt nicht aus)

danke im voraus für Eure Hilfe.
Herr F
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Re: Regressionsanalyse: Berechnung von Veränderungen?

Beitragvon DHA3000 » Mo 11. Aug 2014, 23:54

1) Der Clou dieses Modells sind die Veränderungraten. Denk einmal scharf nach, was das für fixe Effekte bedeutet.

2) Dafür werden mir Informationen als "Paneldaten" benötigt.

3) Geht in die Richtung, wobei man da eher mit Kontroll-/und Treatment-Gruppen arbeitet.
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Re: Regressionsanalyse: Berechnung von Veränderungen?

Beitragvon Herr F » Mi 13. Aug 2014, 19:34

Zunächst einmal danke für die Antwort. Allerdings bin ich immer noch etwas verwirrt. Insbesondere Punkt 1, der Umgang mit den Kontrollvariablen bereitet mit Kopfzerbrechen.

Der Antwort entnehme ich, dass durch die Verwendung der Veränderungsraten alle zeitkonstanten Einflüsse eliminiert werden.
Allerdings könnte ich in dieses Modell theoretisch zeitkonstante Variablen zum Zeitpunkt T0 aufnehmen und ich frage mich, ob das Sinn macht. Würde damit einfach der Effekt des zeitkonstanten Merkmals quantifiziert werden, was ja bei normalen Fixed Effect Modellen nicht möglich ist?

Auch bei den zeitveränderlichen Variablen bin ich unsicher. Mir scheint es sinnvoller auch hier Veränderungen zu berechnen. Allerdings frage ich mich, ob die Veränderungen kategorialer Variablen (z.B. Partnerschaftsstatus) wieder über mehrere Dummy-Variablen abgebildet werden müssen. Das scheint mir sehr umständlich, wäre aber im Sinne des Grundmodells konsequent.

Ich wäre für jede Anregung und Hilfestellung wirklich sehr dankbar.

Viele Grüße
Herr F
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Re: Regressionsanalyse: Berechnung von Veränderungen?

Beitragvon daniel » Mi 13. Aug 2014, 22:27

Zu 1.

Wenn Du zeitinvariate Prädiktoren aufnimmst, ist dies äquivalent zur Aufnahme des Interaktionsterms dieser Prädiktoren mit dem Zeitpunkt im äquivalenten FE Modell.
(http://www.tc.umn.edu/~oakes007/Files/C ... 0score.pdf)

Du bist zurecht verwirrt, weil man sich (und sehr gerne auch seinen Prof.) fragen darf, wie man sich die kausale Struktur dieses Modells vorstellen darf, und welche Annahmen über welche Fehlterme getroffen werden müssen ... Mir ist das nicht wirklich klar und ich habe ein derartiges "kompromiss-Modell" zwischen first-difference und change-scores noch nie gesehen.
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Re: Regressionsanalyse: Berechnung von Veränderungen?

Beitragvon Herr F » Mi 13. Aug 2014, 22:58

Mir kam das Modell die ganze Zeit irgendwie falsch vor. Hast du vielleicht einen Vorschlag, wie ich die Frage unter der Nutzung von zwei Wellen möglichst einfach bearbeiten kann?
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Re: Regressionsanalyse: Berechnung von Veränderungen?

Beitragvon daniel » Mi 13. Aug 2014, 23:09

Nur damit keine Missverständnisse aufkommen. Ich sage nicht, dass dieses Modell "falsch" ist. Ich sage, ich habe ein derartiges Modell noch nie gesehen und kann mir die kausale Struktur, die hier modelliert werden soll nicht so recht vorstellen. Zudem habe ich Schwierigkeiten zu erkennen, welche Annahmen über welche Art von Fehltermen getroffen werden muss, um konsitente Schätzer zu bekommen.

Aus welchem Grund hat Dein Prof. das FE Modell abgelehnt? Das wäre auch mein erster Vorschlag.
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Re: Regressionsanalyse: Berechnung von Veränderungen?

Beitragvon Herr F » Do 14. Aug 2014, 00:17

Er hat keine inhaltliche Begründung geliefert. Er sagte nur, es wäre für die Arbeit zu umfangreich und ich solle das andere Modell berechnen. Das ganze soll nur eine kleine Seminararbeit werden. Ich bin auch etwas verärgert, weil dadurch meine ganzen Vorarbeiten hinfällig sind. Ich möchte das ganze nur noch mit einem möglichst einfachen Modell zu Ende bringen, wobei ich gerne eng an dem Modell von meinem Prof. bleiben würde, da er mir auch die Note gibt.

Ich denke über die Fehlterme hat sich mein Prof. keine Gedanken gemacht, als er mir das Modell vorgeschlagen hat.
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Re: Regressionsanalyse: Berechnung von Veränderungen?

Beitragvon daniel » Do 14. Aug 2014, 09:43

Ich würde da nochmal mit ihm sprechen. Was genau soll denn an einem fixed-effects Modell zu umfangreich sein? Die Umsetzung kann es nicht sein, denn die ist relativ simpel. Die statistische Theorie dahinter? In diesem Fall scheint mir das Argument unschlüssig, inbesondere, da es zum FE Modell sehr viel Literatur gibt, die Herleitung, Annahmen und Interpretation des Modells erläutert. Für das von ihm vorgeschlagene Modell dagegen habe ich, wie gesagt, weder eine Herleitung noch Annahmen in der Literatur gesehen. Die Schwierigkeiten und Fragen bei der Interpretation, die Du Dir stellst, zeigen ebenfalls, dass dieser Vorschlag offenbar weit umfangreicher ist.

Intuitv kann ich mir in etwa vorstellen, auf was er hinauswill. Die Konstruktion der Indikatorvariablen zeigt, dass er einen für diejenigen, die immer (i.e. im Beobachtungszeitraum) Arbeitsos sind einen anderen Effekt vermutet, als für solche, die immer beschäftigt sind. Das mag legitim sein, lässt sich aber nur auf Basis eines Vergleichs zwischen Personen (und allen damit verbundenen Annahmen) beurteilen. Die Differenzenbildung auf der linken Seite scheint mir dagegen ein Versuch, unbeobachtte Heterogenität zu eliminieren (ähnlich eines first-difference Ansatzes). Beides ist aber simultan so nicht möglich.
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Re: Regressionsanalyse: Berechnung von Veränderungen?

Beitragvon Herr F » Do 14. Aug 2014, 13:06

Zunächst einmal danke für Deine Mühe. Deine Beiträge sind mir wirklich eine Hilfe.

Eine paar kurze abschließende Fragen habe ich noch. Wenn ich mich nun für einen Vergleich zwischen Personen entscheiden würde, wie sollte das Modell dann aussehen? Eine ganz normale OLS im Querschnitt mit Erwerbstätigen und Arbeitslosen als UV? Oder eine Regression zwischen der obenstehenden Konstruktion als UV und dem Gesundheitszustand t2 als AV? Würde es dabei irgendwie Sinn machen mit einer Lagged Dependent Variable zu operieren?

Gruß und nochmals vielen dank
Herr F
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Re: Regressionsanalyse: Berechnung von Veränderungen?

Beitragvon daniel » Do 14. Aug 2014, 14:14

Würde es dabei irgendwie Sinn machen mit einer Lagged Dependent Variable zu operieren?


Diesen Ansatz halte ich aus folgender Überlegung für sehr problematisch. Nimm an, wir spezifizieren ein allgemeines Modell für Gesundheit als



wobei die Gesundheit von Person zum Zeitpunkt darstellt, zeiveränderliche Prädiktoren sind und unbeobachtete zeitkonstante Effekte, unbeobachtete zeitveränderliche Effekte darstellen. Betrachten wir nun die Gesundheit zu zwei Zeitpunkten mit als Prädiktor zum Zeitpunkt





Da zu beiden Zeitpunkten gleich ist, und folglich einen Effekt auf und hat, muss per Modellspezifikation im zweiten Modell mit korreliert sein. Sind Fehler und Prädiktoren korreliert führt dies bekanntlich zu verzerrten Schätzung der Koeffizienten (omitted variable bias). Dies betrifft nicht nur sondern auch (vgl. Halaby, 2004).

Trotz dieser sehr einfachen Herleitung schaffen es viele (Sozial)Wissenschaftler (und Reviewer) diese Tatsache zu ignorieren. Hier gilt: nur weil etwas publiziert ist, ist es noch lange nicht richtig.


Wenn ich mich nun für einen Vergleich zwischen Personen entscheiden würde, wie sollte das Modell dann aussehen?


Wenn die Frage nach dem kausalen Effekt der Arbeitslosigkeit gestellt wird, dann würde ich ein Modell wählen, dass diesen Effekt aus der intraindividuelle Veränderung der Erwerbsbeteiligung und der intraindividuellen Veränderung der Gesunheit schätzen. Wenn Du dennoch Varianz zwischen Beobachtungen zur Schäzung verwenden willst, würde ich bei random-effects (random intercept) Modellen bleiben. Die sind - bei Gültigkeit der nötigen Annahmen - effizient.


Halaby, Charles. N. (2004). Panel Models in Sociological Research: Theory into Practice, Annual Review of Sociology, vol. 30.
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