Danke für den Literaturhinweis. Ich hab hier noch ein Stück graue Literatur gefunden, die ich ganz interessant fand, siehe Anhang.
Z.T. sind mit die Mythen noch nicht ganz klar bzw. ich verstehe nicht wie diese überhaupt entstehen konnten.
Mythos 1: Der Regressionseffekt führt zu einer Schrumpfung der Streuung
Wenn Töchter großer Mütter weniger groß werden, die Töchter kleiner Mütter weniger klein werden, müßte sich beim Merkmal Körpergröße‘ doch mit der Zeit die Streuung immer kleiner werden, sich im Laufe der Generationen vielleicht sogar eine Einheitsgröße einstellen? Die Daten des Beispiels zeigen das Gegen-teil. Die Streuung der Körpergröße von Müttern und Töchtern ist nahezu konstant bzw. wächst leicht an (vgl. Abbildung 1). Wie ist das mit dem Regressionseffekt vereinbar? Dazu ist zu sagen, dass es eine Art
Gegenbewegung zum Regressionseffekt gibt: Mütter mit mittlerer Größe haben in aller Regel Töchter, die aufgrund der individuellen genetischen Komponente weiter nach oben oder unten vom Mittelwert abweichen. Dies gleicht den ‚Schwund an Streuung‘ wieder aus. Die Aufhellung des nächsten Mythos wird den Irrtum hinter diesem Mythos weiter verdeutlichen.
Das ist sehr eingängig. Regression zur Mitte wird durch Regression zu den Extrama wieder ausgeglichen. Muss ja auch, schließlich hat der Regressionseffekt ja kausale Ursachen. In Bezug auf das Beispiel mit den Körpergrößen wird es ja auch schön im Paper erklärt: Eine große Mutter kann ja eigentlich nur eine Tochter haben die genauso groß oder kleiner wird, weil Mutter und Tochter die Anlagebedingungen schon teilen, aber in der Umweltbedingung gleich sein oder unterschiedlich sein können. Die Umweltbedingungen können die Tochter aber nicht größer werden lassen als die Mutter, weil diese schon so groß ist. Also müssen die Töchter im Durchschnitt kleiner sein als die Mütter. Aber wie ist das bei einem hypothetischen Konstrukt, nehmen wir Depressivität nach dem Beck'schen Depressionsinventar. Hier kann man nicht mit Anlage und Umwelt argumentieren. Umgangssprachlich würde ich es so ausdrücken: "Wenn es einem schon sehr schlecht geht, kanns ja nur besser werden. Das ist aber eine eher unbefriedigende Erklärung.
Mythos 2: Regression zur Mitte ist ein gerichteter Effekt
Wir haben bisher ausgiebig analysiert, dass große Mütter weniger große Töchter haben und uns die Gründe dafür klargemacht. Wie ist es umgekehrt? Betrachten wir große Töchter, dann sind mit der gleichen Begründung wie vorher weniger große Mütter zu erwarten. Ein Blick in die Daten bestätigt dies: Definiert man große Töchter durch eine Mindestgröße von einer Standardabweichung über dem Mittelwert, so erfüllen 95
Personen der Stichprobe dieses Kriterium. Die Kennwerte der z-transformierten Körpergröße in dieser Gruppe gibt Tabelle 3 wieder.
Ich verstehe nicht so ganz, was mit "gerichtet" gemeint ist. Heißt "gerichtet", dass es Menschen gibt die fälschlicherweise glauben, das die Migration der Werte nur von der Mitte zu den Extrema geht und nicht umgekehrt? Dann wäre hier die Erklärung die gleiche wie beim ersten Mythos.
Mythos 4: Der Regressionseffekt ist ein statistischer Effekt
In der statistischen Lehrbüchern wird der Regressionseffekt manchmal als eine Eigenschaft von Regressionsgeraden dargestellt (z. B. Mortensen, 1995, S.109). Für z-transformierte Variablen läßt sich die Regres-
sionsgerade von Y auf X schreiben als Y = r⋅X,wobei r die Pearson-Korrelation ist (Wirtz & Nachtigall, 2002, S. 114). Ist |r| kleiner als 1, dann sind die vorhergesagten Werte immer näher am Mittelwert als die Ausgangswerte. Diese Argumentation ist keineswegs falsch, nur weckt sie den Eindruck, der Regressionseffekt sei eine Eigenschaft von Regressionsgeraden. Statt dessen ist Regression zur Mitte ein allgemeineres Phänomen,
welches nicht-determinstische lineare Zusammenhänge immer betrifft, aber auch bei nicht-linearen Zusammenhänge vorkommen kann. Im Falle eines linearen Zusammenhanges kann dieser durch eine Gerade beschrieben werden, mit Hilfe derer der Regressionseffekt nachweisbar ist. Generell gründet der Regressionseffekt neben dem in Abschnitt 3 beschrieben ‚Funktionsmechanismus‘ auch auf grundlegende Eigenschaften von Mittel- bzw. Erwartungswerten. Es geht um zu erwartende Durchschnittswerte, für Einzelfälle können die Werte einer Variable Y auch im linearen Fall weiter vom Mittelwert entfernt liegen als der Ausgangswert der Variablen X. Konkret: Große Mütter können noch größere Töchter haben. In diesem Sinne handelt es sich beim Regressionseffekt durchaus um einen 'statistischen' Effekt, allerdings dürften viele Menschen mittlere Werte im Rahmen ihres intuitiven Den-
kens ganz selbstverständlich verwenden, ohne sich immer darüber klar zu sein, dass sie mit einem 'statistischen Modell' arbeiten.
Was bedeutet, "der Effekt der Mitte ist ein statistischer Effekt"? Heißt das, es gibt Menschen die fälschlicherweise glauben, dass es für den Regressionseffekt keine kausale Erlärung gibt? Oder was ist ein "statistischer Effekt"?
Mythos 6: Regression zur Mitte ist unvermeidlich
Diese Auffassung findet sich in der Literatur noch verbreitet. So bezeichnet Rogosa (1995, S. 19) Gleichung (1) im Falle nicht perfekter Korrelation als allgemein gültig. Dies trifft jedoch nicht zu, wie wir am Beispiel eines nicht-linearen Zusammenhanges gesehen haben. Bei linearen Zusammenhängen kann allerdings im-mer von Regression zur Mitte ausgegangen werden. Welche Konsequenzen dass für den praktischen For-
scher hat, soll im Folgenden nochmals bilanziert werden.
Weiter oben, bei Mythos vier, wird erläutert, dass der Regressionseffekt auch bei nicht-linearen Zusammenhängen auftritt. Warum sollte er das auch nicht? Hier beharre ich weiter auf Mythos 6 bzw. verstehe nicht, wieso Mythos 6 nicht gelten soll.
Viele Grüße
Rufus
Anhang:
http://www.metheval.uni-jena.de/materia ... 002_02.pdf