SEM in lavaan / Kovarianzen

SEM in lavaan / Kovarianzen

Beitragvon Semson » Do 28. Mai 2015, 18:27

Ich versuche derzeit ein Modell von MPLUS auf lavaan zu übertragen. Im (sehr guten!) Buch von Holgonaut finden sich mehrfach Hinweise darauf, dass man mit den lavaan-Voreinstellungen achtsam sein muss, um keine Fehlspezifikation zu bekommen. So steht auf Seite 90, dass man - sofern man davon ausgeht nicht alle relevanten latenten Variablen im Modell zu haben - die Fehlerkovarianzen z.B. bei den endogenen Variablen einer Common-Cause Struktur zur Schätzung freigeben soll. Auf s.65 steht, dass für endogene Variablen ohne direkte Pfade automatisch Fehlerkovarianzen geschätzt werden.
Außerdem solle man, per Argument "fixed.x=FALSE" verhindern, dass die Kovarianzen der exogenen beobachteten Variablen nicht geschätzt werden. Soweit ich weiß, lässt man üblicherweise alle exogenen latenten Variablen miteinander kovariieren. Zumindest ist das bei Amos und MPlus so. Wird dass denn auch automatisch gemacht?

Ich habe ein konkretes Modell vor Augen:

Code: Alles auswählen
model<-'
#--------------Messmodelle
lat_a =~ x1 + x2 + x3
lat_b =~ x4 + x5 + x6
lat_c =~ x7 + x8
lat   =~ lat_a + lat_b + lat_c

var1 =~ x9 + x10
var2 =~ x10 + x11
var3 =~ x12
var4 =~ x13
var5 =~ x14+ x15 + x16

#-------------Regressionen
var2 ~ lat +              var3 + var4
var1 ~ lat +        var2 + var3 + var4
var5 ~ lat +  var1 + var2 

#Varianz von single-indicator-latents
var3~~ 0.1581*var3
var4 ~~ 0.1246*var4

#Fehlerkovarianzen?
'
lavaan_fit_model_mplus<-sem(model, estimator="MLM",fixed.x=FALSE)


Muss ich jetzt noch die Kovarianz der exogenen latenten Variablen
lat ~~ var3
lat ~~ var4
var3 ~~ var4

und der Fehlerterme der endogenen latenten Variablen
var1 ~~ var2
spezifizieren?

Sorry, ich bin verwirrt. Vielleicht kann mich ja jemand über die defaults von lavaan aufklären.

Quelle: Dieses Buch http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?id=4836998&prov=M&dok_var=1&dok_ext=htm
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Re: SEM in lavaan / Kovarianzen

Beitragvon Holgonaut » Di 2. Jun 2015, 11:05

Hi Semson,

erst mal vielen Dank für das nette Kompliment.

Es ist ja nun schon eine Weile her, dass ich mir über diesen fixed-x-Ansatz in lavaan/Mplus den Kopf zerbrochen ist. Bzgl. der exogenen bin ich auf Nummer sicher gegangen und hab empfohlen, sie immer explizit zu spezifizieren.
Nun scheint es aber (mittlerweile?) so zu sein, dass lavaan Kovarianzen von exogenen Variablen IMMER schätzt und "fixed.x =" nur bestimmt, ob diese im output ausgegeben werden. D.h. man macht keinen Fehler und bekommt einen Misfit. Fixed.x=TRUE ist der default (=keine Ausgabe der Kovarianzen), "=FALSE" führt zur Ausgabe (was mir persönlich recht ist, weil ich die sehen will).

Bei AVn werden Fehlerkovarianzen dann als default geschätzt, wenn diese selbst keinen Effekt aufeinander haben - also bei common cause-Strukturen. Wenn immer es geht (d.h. wenn die exogenen Variablen stark genug sind), sollte man allerdings erwägen, Fehlerkovarianzen auch zwischen AVn zuschätzen, die einen Effekt aufeinander haben (z.B. in Mediatormodellen). Dies adressiert mögliche reziproken Effekte oder confounder-bias durch ausgeschlossene Variablen (siehe das Kapitel über Endogenität).

HTH
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Re: SEM in lavaan / Kovarianzen

Beitragvon Semson » Mi 3. Jun 2015, 22:17

Vielen lieben Dank, Holgonaut. Das hat mir weitergeholfen! Das mit den exogenen Variablen hab ich mir schon ein bisschen gedacht, da sich mein Fit nicht verändert hat.
Aber der letzte Abschnitt war nochmal besonders interessant! Zu reziproken Effekte hab ich bisher so gut wie nichts lesen können, dabei sind sie immer wieder mal denkbar (z.B. wenn es um Einflüsse von Mediennutzung auf Einstellungen geht. Prägt Mediennutzung die Einstellung, oder sucht man aufgrund der Einstellung mediale Inhalte, die die eigenen Einstellungen verstärken? )
Und für die Residualkorrelation muss man einfach die latenten Variablen per "~~" verbinden, weil lavaan das automatisch auf die Residuen der latenten Variablen bezieht und nicht auf die Variablen selbst. Oder? Ich probiere das morgen nochmal aus, bei meinem ersten Test war mein Modell dann angeblich nicht mehr identifiziert.

Mhm... also, das lässt sich tatsächlich machen, aber ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie das Programm dann auf seine Werte kommt und was da passiert. Ich bin eigentlich immer von der Regel ausgegangen, dass kausale Pfade nur eine Richtung haben, und nur Korrelationspfade in zwei Richtungen gehen.
Bei mir in den Modifikationsindizes wird eine ordentliche Chi-Quadrat-Verbesserung angezeigt, wenn ich bei einem Pfad die umgekehrte Richtung freigebe. Das Problem ist nur
a) ich weiß nicht was das theoretisch bedeutet und was da rechnerisch geschieht.
b) und beide Pfade danach nicht mehr signifikant sind. Weder in die eine, noch in die andere Richtung.
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Re: SEM in lavaan / Kovarianzen

Beitragvon Holgonaut » Sa 6. Jun 2015, 11:18

Hi,

um reziproke Effekte schätzen zu können, brauchst du für beide Variablen Instrumente - d.h. Variablen, die mit ihnen hoch korrelieren und NICHT mit der jeweils anderen. Besser zwei davon - wenn du nur eine hast, kannst du diese Annahme nicht testen. Was da geschieht, verstehst du besser, wenn du dich mal damit beschäftigst, was ein TSLS-Modell im Fall von Endogenität macht: Wenn du einen W --(a)--> X--(b)--> Y - Effekt hast, dann ist "b" der Teil der Kovarianz zwischen X und Y, der mit den predicted values von X (vorhergesagt durch W) besteht (nicht der gesamten Kovarianz). Hast du den Effekt b2 in anderer Richtung (Y--b2-->X) und für Y ebenfalls ein W (W2), dann ist b2 wiederum die Kovarianz des (durch W2 predicted values) von Y. Dadurch kannst du trotz Querschnittsdaten beide Effekte schätzen, weil nur ein gewisser Teil der Kovarianz zwischen X und Y jeweils extrahiert wird.

Siehe auch hier
Wong, C.-S., & Law, K. S. (1999). Testing reciprocal relations by nonrecursive structural equation models using cross-sectional data. Organizational Research Methods, 2(1), 69–78.

Besser aber das Buch von Paxton et al.
Paxton, P. M., Hipp, J. R., & Marquart-Pyatt, S. (2011). Nonrecursive models. Endogeneity, reciprocal relationships, and feedback loops. Thousand Oaks: Sage.

Grüße
Holger
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