Zweifaktorielle Varianzanalyse

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Zweifaktorielle Varianzanalyse

Beitragvon caro_ » Do 24. Sep 2015, 17:04

Hallo ihr Lieben,

momentan schreibe ich an einem Forschungsbericht. Bei der Datenauswertung bin ich nun auf folgendes Problem gestoßen und ich würde mich freuen, wenn mir jemand eine kurze Antwort darauf geben kann:

ich habe eine zweifaktorielle Varianzanalyse durchgeführt und in einer Hypothese das Vorlesen vor der Einschulung und das Geschlecht auf die Lesekompetenz untersucht. Dort stellte sich der Haupteffekt Vorlesen (unabhängig vom Geschlecht) als signifikant heraus.

In einer anderen Hypothese habe ich das Vorlesen und die Schulform auf die Lesekompetenz getestet. Nun ergibt der Haupteffekt Vorlesen (unabhängig von der Schulform) jedoch einen nicht signifikanten Wert.

Nun frage ich mich, wie das sein kann, denn in beiden Fällen wurde doch der Haupteffekt Vorlesen unabhängig vom Geschlecht und von der Schulform untersucht und dementsprechend müsste doch dann in beiden Fällen das Gleiche heraus kommen. Oder wie erklärt man sich diese Unterschiede?

Vielleicht liegt bei mir auch ein Denkfehler vor...

Ich danke euch schon jetzt für die Mühe.

Mit den besten Grüßen,
Caro
caro_
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Re: Zweifaktorielle Varianzanalyse

Beitragvon PonderStibbons » Do 24. Sep 2015, 21:20

ich habe eine zweifaktorielle Varianzanalyse durchgeführt und in einer Hypothese das Vorlesen vor der Einschulung und das Geschlecht auf die Lesekompetenz untersucht. Dort stellte sich der Haupteffekt Vorlesen (unabhängig vom Geschlecht) als signifikant heraus.

In einer anderen Hypothese habe ich das Vorlesen und die Schulform auf die Lesekompetenz getestet. Nun ergibt der Haupteffekt Vorlesen (unabhängig von der Schulform) jedoch einen nicht signifikanten Wert.

Was heißt hierbei signifikant/nichtignifikant? p=0,0499 versus 0,050? 0,00000001 versus 0,98?
Wie sehen die Haupteffekte von Geschlecht bzw. Schulform und die Wechselwirkungen aus?
Und wie groß sind die Stichproben?

Mit freundlichen Grüßen

P.
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Re: Zweifaktorielle Varianzanalyse

Beitragvon caro_ » Fr 25. Sep 2015, 00:17

Erstmal vielen Dank für die Antwort!

Das signifikante Ergebnis für den Haupteffekt Vorlesen ergab p<.001 und das nicht signifikante Ergebnis ergab in der anderen Hypothese für das Vorlesen p=.204.
Haupteffekt Geschlecht: p<.001
Haupteffekt Schulform: p<.001

In beiden Fällen bestehen keine signifikanten Interaktionseffekte (Vorlesen*Geschlecht: p=.617; Vorlesen*Schulform: p=.603)

Die Basis beträgt N=1.831.
Davon sind 676 Gymnasiasten, 614 Realschüler und 541 Gesamtschüler.
Weiterhin sind von den 1.831 N=855 männlich und N=976 weiblich.
N=168 wurde unregelmäßig vor der Einschulung vorgelesen und N=1.663 wurde regelmäßig vorgelesen.


Ich vermute fast, dass es daran liegt, dass meine Varianzen in der einen Hypothese Heterogenität aufweisen, was ja schnell dazu führen kann, dass ein eigentlich signifikantes Ergebnis schnell mal nicht signifikant wird und umgekehrt. Doch wie kann ich in solchen Fällen vorgehen, wenn eine derartige Voraussetzung für eine Varianzanalyse nicht gegeben ist?

Ich bin noch ein ziemlicher Anfänger, was statistische Datenauswertungen angeht.

Vielen Dank schon einmal für die Mühe.

Viele Grüße,
Caro
caro_
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Re: Zweifaktorielle Varianzanalyse

Beitragvon PonderStibbons » Fr 25. Sep 2015, 08:55

"Vorlesen" ist aber ulkig verteilt (sind unter 10% Nicht-regelmäßig (!)-Vorleser auch
nur annähernd glaubhaft?). Welchem Geschlecht und welcher Schulform gehören
denn diejenigen an, denen nicht vorgelesen wurde, gibt es da Häufungen?

Mit freundlichen Grüßen

P.
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Re: Zweifaktorielle Varianzanalyse

Beitragvon caro_ » Fr 25. Sep 2015, 10:22

Schülerinnen und Schülern, denen unregelmäßig vorgelesen wurde:

männlich 96, weiblich 72
Gymnasium 35, Realschule 59, Gesamtschule 74

Also da zeigt sich schon, dass mit sinkender Schulform mehr Schülerinnen und Schülern vor der Einschulung nicht vorgelesen wurde.

Unser Prof nimmt die Voraussetzungen im Rahmen dieses Forschungsberichts nicht so ernst sagte er uns und wir sollen Normalverteilung etc. einfach annehmen. Nur führt das ja eben genau jetzt zu solchen Problemen, dass das Ergebnis einmal signifikant wird und einmal nicht... Irgendeine schlaue Lösung muss da her...

Außerdem wundere ich mich über folgendes: ich habe mir mal anstatt des gesättigten Modells das angepasste lediglich mit dem Haupteffekt Vorlesen ausgeben lassen. Da kommen ja wieder völlig andere Signifikanzen raus. Dann ist das Ergebnis plötzlich signifikant. Das muss man alles nicht verstehen, oder?! Oder lässt sich das ganz einfach erklären? Eigentlich ist doch das gesättigte Modell das gleiche, nur dass eben alle drei Sachen (Haupteffekt A, Haupteffekt, B und Wechselwirkung) auf einmal ausgegeben werden oder?

Vielen Dank und LG
caro_
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Re: Zweifaktorielle Varianzanalyse

Beitragvon PonderStibbons » Fr 25. Sep 2015, 11:40

Unser Prof nimmt die Voraussetzungen im Rahmen dieses Forschungsberichts nicht so ernst sagte er uns und wir sollen Normalverteilung etc. einfach annehmen. Nur führt das ja eben genau jetzt zu solchen Problemen, dass das Ergebnis einmal signifikant wird und einmal nicht... Irgendeine schlaue Lösung muss da her...

Das hat wohl weniger mit Normalverteilung etc. zu tun (was bedeutet das mit den
heterogenen Varianzen eigentlich konkret?, das ist auch ein inhaltliches Problem.
Wenn man beliebige beobachtbare Merkmale zusammenwirft, um eine AV zu
erklären, ohne ein zugrundeliegendes Modell der beteiligten Variablen und
ihrer Beziehungen, steht man bei solchen korrelativen Studien häufig vor dem
Problem, dass man Ergebnisse nicht erklären kann (was fast noch der bessere
Ausgang ist als "plausible" Ergebnisse, weil es einen wenigstens daran erinnert,
dass unausgegorene korrelative Studien problematisch sind).
Meine Vorstellung ist diese: Geschlecht klärt viel Varianz auf bei Lesekompetenz
auf. Zugleich ist "Vorlesen" kaum mit "Geschlecht" korreliert, das heißt, die beiden
teilen hinsichtlich der Lesekompetenz keine gemeinsame Varianzaufklärung.
Da der F-Test auf dem Verhältnis zwischen aufgeklärter Varianz und Fehlervarianz
beruht, und die Fehlervarianz durch den Geschlechtereffekt reduziert wurde, wird
"Vorlesen" signifikant. Im zweiten Modell sind Vorlesen und Schulform korreliert, das
heißt, sie teilen sich Varianzaufklärung. Mutmaßlich bleibt für Vorlesen nicht mehr
genug eigene Varianzaufklärung übrig. Vgl. ein verwandtes
Problem bei http://www.uni-graz.at/ilona.papousek/t ... s/faq.html FAQ#7

Man müsste sich also im Vorfeld Gedanken machen, in welchem Verhältnis
eigentlich Geschlecht, Vorlesen, Schulform, Lesekompetenz sowie ungenannte
Drittvariablen (Schichtzugehörigkeit bzw. Bildungsgrad der Eltern etc.) miteinander
stehen.

Außerdem wundere ich mich über folgendes: ich habe mir mal anstatt des gesättigten Modells das angepasste lediglich mit dem Haupteffekt Vorlesen ausgeben lassen. Da kommen ja wieder völlig andere Signifikanzen raus.

Leider weiß ich nicht, was Du damit meinst. Was ist "gesättigtes Modell" - das mit
allen 3 Faktoren? Was heißt "kommen andere Signifikanzen raus" konkret?

Das muss man alles nicht verstehen, oder?!

Siehe oben. Wenn man im Auge behält, dass "signifikant" etwas mit dem Verhältnis
zwischen aufgeklärter und unaufgeklärter Varianz zu tun hat, lösen sich evtl. mache
Probleme.



LG

wtf

Mit freundlichen GRüßen

P.
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