Die richtige Wahl der statistischen Tests

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Die richtige Wahl der statistischen Tests

Beitragvon funkyflex21 » Fr 28. Okt 2016, 09:05

Hallo,

ich bin neu hier im Forum und hoffe, dass meine Fragen nicht schon 100fach bearbeitet wurden. Falls doch möchte ich mich dafür im Vorfeld entschuldigen.

Zu meinem Projekt: Es handelt sich um ein ökonomisches Experiment mit zwei Treatments. Ich habe folglich 3 Gruppen (Kontroll, Treat1, Treat2). Dabei wählen die Teilnehmer einen Beitrag zu einem öffentlichen Gut in ganzen Euro zwischen 0€ und 10€. Ich habe pro Gruppe ca. 45 Beobachtungen. Mich interessieren in einem ersten Schritt die Unterschiede zwischen Gruppe 1/2 und später auch zwischen 2/3 und 1/3. Ich werte das ganze in R aus.

Ich habe viele Bindungen, da häufig die selben Werte genommen werden und oft werden die Randlösungen (0 und 10€) gewählt, was schonmal gegen eine NV spricht.

Nun zu meinen Fragen:

1. Thema Normalverteilung: Für t-Tests benötige ich normalverteilte Daten. Stimmt das in einem ersten Schritt? Ich habe in einem anderen Forum gelesen, dass nur die Residuen normalverteilt sein müssen und das ab einer bestimmten Stichprobengröße auch die Annahme der NV verworfen werden kann?!

2. Um diese N.V. zu testen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Der Shapiro-Wilck-Test hat den Nachteil, dass er bei vielen Bindungen nicht gut funktioniert. Alternativ habe ich folgende Tests durchgeführt: Anderson-Darling, Cramer- von Mises, Lilliefors (Kolmogorov-Smirnov), Pearson chi-square, Shapiro-Francie und Jarque Bera-Test. Alle diese Tests lehnen die H0 ab, dass eine NV vorliegt, außer der Jarque Bera-Test, bei dem eine NV vorliegen soll. Auf welche dieser Tests kann ich also mein weiteres Vorgehen stützen?

3. Ich bin dann davon ausgegangen, dass keine NV vorliegt (weil alle bis auf einen Test dieses so zeigen). Aus diesem Grund hätte ich dann einen Mann-Whitney bzw. Wilcoxon-Test durchgeführt (wo ist der Unterschied bzw. welcher ist besser in dieser Situation?) Dieser hat nun aber die Vorraussetzung, dass die Varianzen homogen sind. Stimmt das?

4. Davon ausgehend, dass ich homogene Varianzen benötige, habe ich dann einen Test (Fligner-Killeen-Test) für Homogenität der Varianzen in R durchgeführt (fligner.test(a,b) mit a= Beiträge und b= Gruppen). Das sind die Ergebnisse:

Für Gruppen 1 und 2: p-Wert=0,5925
Für Gruppen 1 und 3: p-Wert=0,0405
Für Gruppen 2 und 3: p-Wert=0,1021
Über alle Gruppen: p-Wert= 0,07269

Sehe ich es richtig, dass auf einem 90% KI die Varianzen zw 1,2 und 2,3 homogen sind, die von 1 und 3 aber nicht? Bedeutet das dann weiterhin, dass ich für Gruppen 1,2 und 2,3 einen Mann-Whitney-Test durchführen kann? Welche Aussagekraft hat der Test über alle Gruppen?

5. Falls das bis hier hin alles stimmt: kann ich dann für den unterschied zwischen 1 und 3 einen Kruskal Wallis Test bei heterogenen Varianzen durchführen?

Ich weiß das sind viele Fragen, ich hoffe auf einige davon von euch eine Antwort zu erhalten, damit ich mit der Auswertung fortfahren kann! Falls ich etwas näher erläutern soll, bitte kurz sagen an welcher Stelle!

Vielen, vielen Dank im Voraus!

Thies
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Re: Die richtige Wahl der statistischen Tests

Beitragvon strukturmarionette » Fr 28. Okt 2016, 09:45

Hi,

Stimmt das in einem ersten Schritt?

- Nein

Auf welche dieser Tests kann ich also mein weiteres Vorgehen stützen?

- Bei N =135 mit n =45 nicht erforderlich

Dieser hat nun aber die Vorraussetzung, dass die Varianzen homogen sind. Stimmt das?

- Nein

5. Falls das bis hier hin alles stimmt: kann ich dann für den unterschied zwischen 1 und 3 einen Kruskal Wallis Test bei heterogenen Varianzen durchführen?

- siehe oben

Gruß
S.
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Re: Die richtige Wahl der statistischen Tests

Beitragvon funkyflex21 » Fr 28. Okt 2016, 10:52

Hallo und danke für deine schnelle Antwort.

Ich habe ein paar Rückfragen: Ich will nicht einen bestimmten Test anwenden, nur um ein bestimmtes Ergebnis zu bekommen, aber:

Bei meinen Verteilungen wird ein t-Test NIE einen signifikanten Unterschied anzeigen, da die Varianzen viel zu groß sind. Ganz offensichtlich gibt es aber Unterschiede in den Verteilungen und diese kann mir doch ein U-Test anzeigen oder?

Ist es falsche, einen U-Test zu nehmen, wenn ich keine NV habe bei meiner Stichprobengröße?

Edit: Achja, und ich lese überall, dass für den U-Test homogene Varianzen benötigt werden, warum ist das deiner Meinung nach nicht so?
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Re: Die richtige Wahl der statistischen Tests

Beitragvon PonderStibbons » Fr 28. Okt 2016, 12:08

Einfaktorielle Varianzanalyse mit post-hoc Test. Normalverteilung der Residuen
ist nicht erforderlich aufgrund der ausreichenden Stichprobengröße. Ungleiche
Varianzen spielen keine Rolle, wenn die Gruppen in etwa gleich groß sind,
dennoch kann man ein Korrekturverfahren verwenden (ich weiß nicht, welche
R vorhält, gängig für den Globaltest sind Brown-Forsythe und Welch).

Achja, und ich lese überall, dass für den U-Test homogene Varianzen benötigt werden, warum ist das deiner Meinung nach nicht so?

Weil der U-Test ein Verfahren für ordinalskalierte Daten (Rangdaten) ist.
Da gibt es überhaupt keine Varianzen. Die Intervalldaten werden dabei
in Rangdaten transformiert. Er testst daher auch keine Mittelwerte.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Die richtige Wahl der statistischen Tests

Beitragvon bele » Fr 28. Okt 2016, 13:21

PonderStibbons hat geschrieben:Ungleiche
Varianzen spielen keine Rolle, wenn die Gruppen in etwa gleich groß sind,
dennoch kann man ein Korrekturverfahren verwenden (ich weiß nicht, welche
R vorhält, gängig für den Globaltest sind Brown-Forsythe und Welch).


Welch ANOVA mit oneway.test() und dem Argument var.equal = FALSE.
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Re: Die richtige Wahl der statistischen Tests

Beitragvon funkyflex21 » Fr 28. Okt 2016, 17:50

Vielen Dank für eure Antworten. Kurz zur Situation: DieSpieler wählen häufig die Randlösungen (0€ oder 10€) was dazu führt, dass ich eine extrem hohe Varianz habe. Der Mittelwertunterschied ist jedoch lediglich 1. Ich glaube diese sorgt dafür, dass ich überhaupt nichts signifikantes rausbekomme.

Die U-Tests zeigen aber an, dass es Unterschiede in den Verteilungen der Stichproben gibt. Ist es falsch einen Wilcoxon U-Test zu nutzen, um die Ergebnisse zu interpretieren?
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Re: Die richtige Wahl der statistischen Tests

Beitragvon bele » Fr 28. Okt 2016, 18:05

Nein, da Dich in der Fragestellung vornehmlich die Paarvergleiche interessieren und ein Paarvergleich wichtiger ist als die anderen, spricht nichts gegen den U-Test. Bei solche extremen Nicht-Normal-Verteilungen ist es eben falsch, was gerne angenommen wird, dass nämlich parametrische Tests immer die bessere Power hätten als nichtparametrische. Wenn Du den U-Test mit der Funktion wilcox.test() berechnet hast, dann hast Du eine Warnung bezüglich der Bindungen und nicht exakter p-Werte erhalten. Dieses Problem kannst Du mit Hilfe der Pakete exactRankTests bzw. coin lösen: Da erhälst Du präzise p-Werte, auch bei Bindungen. Würde mich übrigens interessieren, ob das dann tatsächlich das Testergebnis verändert. Bei mir hat es das bisher nicht getan.

LG,
Bernhard
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Re: Die richtige Wahl der statistischen Tests

Beitragvon funkyflex21 » Sa 29. Okt 2016, 00:29

Ich werde morgen die U-Tests mit den von dir genannten Paketen erneut durchführen und dir erläutern, ob sich die Ergebnisse verändert haben!

Ist es denn notwendig, dass die Stichproben gleiche Varianzen aufweisen, um den U-Test durchführen zu können?
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Re: Die richtige Wahl der statistischen Tests

Beitragvon PonderStibbons » Sa 29. Okt 2016, 00:37

Beim U-Test können wie bereits gesagt Varianzen keine Rolle spielen, weil es ein Verfahren für ordinale Daten (Rangdaten) ist.
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Re: Die richtige Wahl der statistischen Tests

Beitragvon funkyflex21 » Sa 29. Okt 2016, 11:02

PonderStibbons hat geschrieben:Beim U-Test können wie bereits gesagt Varianzen keine Rolle spielen, weil es ein Verfahren für ordinale Daten (Rangdaten) ist.


Ich verstehe diesen Satz einfach nicht. Also vom Inhalt her ja, aber was genau heißt das für mich? Ist er nicht gerade deswegen gut für mich geeignet?

Edit: Okay, ich weiß glaub ich, was du meinst. Meine Frage, ob ich homogene Varianzen benötige ist damit einfach hinfällig. Gibt es denn für einen U-Test andere Voraussetzungen?
Zuletzt geändert von funkyflex21 am Sa 29. Okt 2016, 11:04, insgesamt 1-mal geändert.
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