Interpretation Konfidenzintervalle

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Interpretation Konfidenzintervalle

Beitragvon Ehtam » Do 3. Nov 2016, 20:38

Ich habe folgende Frage:

Gegeben:
Mittelwerte erhalten über Stichproben: A, B
Konfidenzintervalle AI = (Amin, Amax), BI = (Bmin, Bmax)
Konfidenzniveau K

Gesucht:
Aussagen über tatsächliche Mittelwerte TA, TB

Dazu:

Welche Aussage kann getroffen werden wenn die Intervalle sich nicht überlappen und Intervall AI > Intervall BI?
Meine Idee: Mit der Wahrscheinlichkeit von mindestens K^2 ist TA > TB weil dies die Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass beide Mittelwerte in ihren Intervallen liegen

Welche Aussage kann zur Differenz zwischen TA und TB gemacht werden?
Meine Idee: Mit der Wahrscheinlichkeit von mindestens K^2 ist die Differenz zwischen den Mittelwerten mindestens d = Amin-Bmax, weil K^2 die Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass beide Mittelwerte in ihren Intervallen liegen.

Macht das Sinn? Sind noch weitere nützliche Aussagen möglich?
Ich möchte meine Hausarbeit mit Konfidenzintervallen aufwerten, habe aber vorher noch nie damit gearbeitet, auch wenn ich Leistungskurs Mathe habe (Statistik hat man da ja eh kaum).

Viele Grüße
Ehtam
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Re: Interpretation Konfidenzintervalle

Beitragvon bele » Do 3. Nov 2016, 21:06

Hallo Ehtam,

Du begibst Dich da in ein schwieriges, ans philosophische grenzende Gebiet. Das Konfidenzintervall ist nicht das, was Du annimmst. Das Konfidenzintervall ist ein Begriff aus der frequentistischen Statistik. In dieser Mainstream-Richtung der Statistik sind die wahren Werte TA und TB zwar unbekannt aber fest. In diesem Sinne ist das unbekannte TA entweder im Konfidenzintervall für TA oder es ist eben nicht drin. In diesem Gedankengebäude macht es keinen Sinn, von einer Wahrscheinlichkeit zu sprechen, mit der TA in seinem Konfidenzintervall liegt. So wie es keinen Sinn macht, mit einem Australier über die Wahrscheinlichkeit zu sprechen, ob Köln in NRW liegt. Vielleicht weiß er es nicht, aber Köln liegt in NRW.
Natürlich kannst Du mit ihm darüber sprechen, wie sehr er glaubt, dass Köln in NRW liegt, aber das ist etwas ganz anderes. Frequentistische Statistik modelliert nicht den Glauben an Werte, sondern die Wahrscheinlichkeit von Beobachtungen. Es gibt eine andere Denkrichtung, die sogenannte Bayes-Statistik, aber das sind Minderheitenpositionen. Die modellieren tatsächlich ihren Glauben an bestimmte Werte.
Wenn Dich diese Unterschiede interessieren, frag die Suchmaschine Deiner Wahl mal nach "confidence interval versus credible interval".

LG,
Bernhard
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Re: Interpretation Konfidenzintervalle

Beitragvon Ehtam » Do 3. Nov 2016, 23:40

Hi,

Und wozu taugen dann Konfidenzintervalle? Wie kann ich mit denen eine Aussage darüber treffen, wie sehr ich glaube dass ein Mittelwert im Intervall liegt? Das würde mir schon sehr helfen. Kann man einen solchen Glauben mit einer Wahrscheinlichkeit beschreiben? Und wenn ja was sagt dies dann eigentlich genau aus? Nach meinen Verständnis würde ich zu 50 % etwas glauben, wenn ich davon ausgehen würde, dass ich unter der vorliegenden Informationslage in 50 % der Fällen zum richtigen Schluss kommen würde...
Kann ich daraus, dass AI und BI sich nicht überlappen und AI > BI ist, schließen, dass mit der Wahrscheinlichkeit von mindestens K^2 ich glaube kann, das TA > TB ist?

Viele und etwas verwirrte Grüße
Ehtam
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Re: Interpretation Konfidenzintervalle

Beitragvon bele » Fr 4. Nov 2016, 06:48

Ja, es ist verwirrend. Frequentiwtisch gedacht enthalten 95% der Konfidenzintervalle die man bestimmt den gesuchten Wert, Bayesianisch enthält das credible interval den gesuchten Wert mit 95% Wahrscheinlichkeit.
Vielen Menschen ist das close enough und sie tätigen Wahrscheinlichkeitsaussagen wie Du sie vorhast aufgrund von Konfidenzintervallen.
Gerade weil es schwierig ist habe ich Dir Suchbegriffe genannt, die zu verschiedenen Erläuterungen dieses Problems führen.

LG,
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Re: Interpretation Konfidenzintervalle

Beitragvon Ehtam » Fr 4. Nov 2016, 11:44

Ok beschränken wir uns mal auf die Frequentitische Sichtweise:

Frequentiwtisch gedacht enthalten 95% der Konfidenzintervalle die man bestimmt den gesuchten Wert


Dann stimmt ja folgendes:

Mit der Wahrscheinlichkeit von mindestens K^2 gilt: TA ∈ AI und TB ∈ BI.

Damit könnte ich dann sagen, dass ich K^2% sicher bin, dass TA > TB. Das ist im Grunde das was ich im Ausgangspost gemeint habe (aber nicht geschrieben) :)
Die Sicherheit wäre dann darüber definiert, wie wahrscheinlich man bei einem erneuten Test das gleiche Ergebnis erhält.

Etwas weniger verwirrte Grüße

ps: fand ich ganz verständlich: http://stats.stackexchange.com/question ... e-interval
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Re: Interpretation Konfidenzintervalle

Beitragvon bele » Fr 4. Nov 2016, 14:28

Hallo Etham,

ich antworte sehr vorsichtig, weil mir die anschauliche Durchdringung des Phänomens auch noch nicht gelungen ist.

Ehtam hat geschrieben:Ok beschränken wir uns mal auf die Frequentitische Sichtweise

Das erscheint geboten, denn gegeben ist ja ein Konfidenzintervall.

Mit der Wahrscheinlichkeit von mindestens K^2 gilt: TA ∈ AI und TB ∈ BI.

Das leitet sich ab aus der Annahme, dass K = P(TA ∈ AI) und K = P(TB ∈ BI). Genau das wird ja aber bestritten. Um es mit dem Cookie-Beispiel von der von Dir verlinkten Seite zu sagen:
And ditto when you pull a cookie with 3 chips -- your interval is only correct 41% of the time. Calling this a '70%' confidence interval is bullshit.

Was ja im vorgerechneten Beispiel auch überzeugend dargestellt ist.

Ebenfalls von der von Dir verlinkten Seite:
Normally the question we want to answer is "what values of the statistic are consistent with the observed data", and the credible interval gives a direct answer to that question - the true value of the statistic lies in a 95% credible interval with probability 95%. The confidence interval does not give a direct answer to this question; it is not correct to assert that the probability that the true value of the statistic lies within the 95% confidence interval is 95% (unless it happens to coincide with the credible interval). However this is a very common misinterpretation of a frequentist confidence interval as it the interpretation that would be a direct answer to the question.


Etwas weniger verwirrte Grüße

Ebenfalls verwirrte Grüße zurück,
Bernhard
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Re: Interpretation Konfidenzintervalle

Beitragvon Ehtam » Mo 7. Nov 2016, 14:10

Hi bele,

Ich lehne mich mal ganz weit aus dem Fenster: K = P(A ∈ AI) wird bestritten, nicht K = P(TA ∈ AI)
A = geschätzter Populationsparamter, TA = tatsächlicher/gesuchter Populationsparameter

Ich kann das aber gerade nur schwer auf das Keks Beispiel übertragen. Was soll da der geschätzte Parameter sein? Muss ja auch ne Dose sein, aber wie bekommt man den? Man hat ja nur einen Keks mit 1-4 chips. Ok man kann sagen das man halt nichts weiß, so dass man einfach eine beliebige Dose als Schätzung bei der Ziehung eines Kekses auswählt. Und dann passt es ja auch: Ziehe ich ein Keks mit 3 chips und Wähle Dose B als Schätzung, ist nicht zu min 70% der Keks in B. Aber in einem beliebigen Intervall ist die wahre Dose zu 70% enthalten.

Alles klar soweit :D
Ehtam
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