Therapiestudie - passendes statistisches Verfahren?

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Therapiestudie - passendes statistisches Verfahren?

Beitragvon caroline12345 » Do 8. Dez 2016, 16:11

Hallo ihr Lieben,

ich habe als Masterprojekt eine Therapiestudie durchgeführt und komme jetzt leider bei der statistischen Auswertung nicht weiter. Den größten Teil werde ich wohl qualitativ auswerten, aber eigentlich war es das Ziel auch nach signifikanten Therapieeffekten zu gucken. Es ist ein A-B-A-Schema (Vortestung-Intervention-Nachtestung). Vor und nach der Therapie wurde das Lesen, das audit. Verstehen und die lautsprachliche Produktion für dieselben 20 Items gemessen, die auch während der Therapie trainiert wurden. Die Ergebnisse der Prä- und Post-Testung bestehen daher aus nominalen Daten (richtig=1/falsch=0) für jedes der 20 Items. Die 20 Items wurden nur bei einem Kind betrachtet (Einzelfallstudie). Eigentlich war der McNemar Chi Quadrat Test vorgesehen, nur hatte ich die Auflage meiner Dozenten, dass keins der Items vor der Therapie gelesen, auditiv verstanden oder gesprochen werden kann, also 0 für alle Items. Bei McNemar ist jedoch nicht vorgesehen, dass Werte in den einzelnen Feldern der Kreuztabelle unter 5 liegen. Könnt ihr mir folgen? Habt ihr Ideen, ob man doch noch irgendwie errechnen könnte, ob es durch die Therapie zu einer signifikanten Verbesserung beispielsweise des Lesens (prä: 0 von 20 Items richtig gelesen; post: 11 von 20 Items richtig gelesen) kam? Ein Statistikprof an meiner Uni meinte er wüsste auch keine Lösung, denn es bräuchte für dieses Problem eher einen Mathematiker (Wahrscheinlichkeiten berechnen).

Vielen Dank für's Durchlesen. Bitte sagt mir, wenn Informationen fehlen :)
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Re: Therapiestudie - passendes statistisches Verfahren?

Beitragvon bele » Do 8. Dez 2016, 16:27

Hallo Caroline,

hast Du von Anfang an 20 Items gefunden, die das Kind nicht konnte, oder hast Du viele Items präsentiert und wir werten jetzt nur die aus, die das Kind vorher nicht konnte?

Ich frage mich gerade, was wir unter einer signifikanten Verbesserung verstehen sollen. Das Kind konnte keines der 20 Items. Nachher konnte es entweder keine, dann war das keine Verbesserung, oder es konnte welche, dann war es eine Verbesserung. Oder gab es eine positive Ratewahrscheinlichkeit? Wenn Du auditives Verstehen geprüft hast, indem das Kind aus fünf Bildkarten diejeniger heraussuchen sollte, die ein vorgelesenes Wort zeigt, dann gibt es eine 20% Ratewahrscheinlichkeit und ich könnte mir vorstellen, dass man testen möchte, ob das tatsächliche Ergebnis signifikant über 20% liegt. Dann wäre aber auch McNemar schwierig geworden.

Wie Du siehst, gilt auch für Deine Studie: eine vernünftige Beratung kann man nur aufgrund einer ausführlichen Darstellung des Versuchs und der angestrebten Ziele machen. Logopädinnen helfe ich übrigens besonders gerne!

LG,
Bernhard
Zuletzt geändert von bele am Do 8. Dez 2016, 16:37, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Therapiestudie - passendes statistisches Verfahren?

Beitragvon caroline12345 » Do 8. Dez 2016, 16:35

Lieben Dank schonmal für die Antwort!

Genau, in der Vortestung wurden mehr als 20 Items verwendet und dann 20 Items ausgewählt, die das Kind noch nicht lesen, nicht auditiv verstehen und nicht sprechen konnte. Diese 20 Items wurden dann trainiert. Nach dem Training wurden auch nur noch diese 20 getestet.
Ich glaube der Hinweis mit der Ratewahrscheinlichkeit hat mir bisher gefehlt. Die Testung für das Lesen lief beispielsweise so ab, dass eine Schriftkarte gezeigt wurde und das Kind dann aus vier Bildern das passende auswählen konnte. Beim auditiven Verstehen ähnlich, nur mit einem vorgesprochenen Wort, aber wieder einer Auswahl aus vier Bildern. Hier wurden aber nur drei Items richtig verstanden, was natürlich Zufall sein könnte.
Zuletzt geändert von caroline12345 am Do 8. Dez 2016, 17:07, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Therapiestudie - passendes statistisches Verfahren?

Beitragvon bele » Do 8. Dez 2016, 16:45

Sehr gerne.

Die Sache wird doch schon viel klarer. Das Kind bekam 20 Versuche. Bei jedem Versuch hat es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit p, die wir als für alle Items gleich ansehen, dich Chance richtig zu antworten. Wir wollen gerne wissen, ob das mit der Ratewahrscheinlichkeit von 25 % vereinbar ist oder signifikant von dieser abweicht. Das ist ein ganz simpler Binomialtest (nachlesen und bestätigen, dass alles passt. Nicht einfach dem netten Mann im Internet nachplappern!).

Bei 25 % Ratewahrscheinlichkeit und 20 Versuchen sollte das Kind im Erwartungswert auf 5 richtige Antworten kommen. Wenn es nur auf 3 richtige gekommen ist, dann brauchst Du nicht einmal das Statistikprogramm anzuschalten. Das Ergebnis war nicht besser als zufällig.

Darf ich jetzt stolz sein, es als Arzt besser als ein Statistikprof gemacht zu haben :lol:

LG,
Bernhard


PS: Falls jemand einen p-Wert lesen möchte, was ich nicht hoffe:
Code: Alles auswählen
> binom.test(x=3, n=20, p=.25)

   Exact binomial test

data:  3 and 20
number of successes = 3, number of trials = 20, p-value = 0.4394
alternative hypothesis: true probability of success is not equal to 0.25
95 percent confidence interval:
0.03207094 0.37892683
sample estimates:
probability of success
                  0.15
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Re: Therapiestudie - passendes statistisches Verfahren?

Beitragvon caroline12345 » Do 8. Dez 2016, 17:05

Danke Bernhard!
Joa, ich finde darauf kannst du durchaus stolz sein, da ich bisher tatsächlich nur ratloses Schulterzucken als Antwort bekommen habe :D danke für die ausführliche Erklärung. Mir ist wirklich einiges klarer geworden!
Ich hätte nochmal eine andere Frage zu den Daten. Da meine Daten sehr gering sind, bin ich nicht sicher, ob man noch weitere Berechnungen anstellen könnte. Ist es zum Beispiel möglich im Bereich Lesen zu gucken, ob der Lernerfolg von bestimmten Eigenschaften der Wörter abhing? Zum Beispiel einsilbige Wörter vs. zweisilbige (9 der 20 Items sind einsilbig gewesen und der Rest zweisilbig, leider nicht fifty fifty).
Ich hatte ganz früher mal an einen Chi Quadrat Unabhängigkeitstest gedacht für nominale Daten, um zu prüfen ob ein Zusammenhang besteht.

Liebe Grüße, Caroline
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Re: Therapiestudie - passendes statistisches Verfahren?

Beitragvon bele » Do 8. Dez 2016, 19:48

9 vs 11 und 3 vs 17? Versuchen kannst Du es ja, um zu zeigen, dass Du weißt wie es geht. Echte wissenschaftliche Erkenntnis erwächst natürlich nicht aus 20 Items bei einem Kind.

Für den Chiquadrat- Test hast Du zu geringe Zellenbesetzungen. Du kannst aber auf einen Fishertest ausweichen.

LG,
Bernhard
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Re: Therapiestudie - passendes statistisches Verfahren?

Beitragvon strukturmarionette » Fr 9. Dez 2016, 05:23

Hi,

es das Ziel auch nach signifikanten Therapieeffekten zu gucken. Es ist ein A-B-A-Schema (Vortestung-Intervention-Nachtestung).

- wie nun dem Anschein nach Vortestung und Intervention keine Rolle spielen und ein 1 aus 5 (Korrekt-) Antwortschema (20*) angenommen werden kann, das ist die Zufallskomponente gewiss berechtigt.
Aber:
Welche Fragestellung wird Dir mit den Binomialtests denn beantwortet? (Mit welchem Signifikanzwert willst Du was konkret begründet feststellen?)

Ist es zum Beispiel möglich im Bereich Lesen zu gucken, ob der Lernerfolg von bestimmten Eigenschaften der Wörter abhing?

- Das geht damit bspw gar nicht.

Gruß
S.
strukturmarionette
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Re: Therapiestudie - passendes statistisches Verfahren?

Beitragvon caroline12345 » So 11. Dez 2016, 13:39

Hey,
hast du denn eine Idee, die du sinnvoller findest? Es ist ein 1 aus 4 Antwortschema. Mit dem Binomialtest könnte ich ja schonmal feststellen, ob der Prozentsatz richtiger Antworten im Zufallsbereich lag oder nicht. Ich muss mich erst in den Test einarbeiten und weiß deshalb noch nicht, wie man dabei mit Signifikanzwerten umgeht. Ich bin leider absoluter Statistik-Neuling.

Für die andere Frage, ob der Lernerfolg von bestimmten Eigenschaften der Wörter abhing, hatte ich an ein anderes Verfahren gedacht. Zum Beispiel konnten in der Post-Testung des Lesens 5 von 9 Einsilbern und 6 von 11 Zweisilbern gelesen werden. Hier wurde mir der Fishertest vorgeschlagen. Etwas aussagekräftiges kommt bestimmt nicht heraus, aber durchführen würde ich ihn gerne, um zu zeigen, dass ich mich mit noch mehr Fragen beschäftigt habe.

Liebe Grüße, Caroline
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Re: Therapiestudie - passendes statistisches Verfahren?

Beitragvon bele » So 11. Dez 2016, 18:59

Code: Alles auswählen
                     Silbenzahl
                 eine          zwei
    gelernt       5              6
nicht gelernt     4              5


Code: Alles auswählen
> m <- matrix(c(5,4,6,5), ncol=2)
> fisher.test(m)

   Fisher's Exact Test for Count Data

data:  m
p-value = 1
alternative hypothesis: true odds ratio is not equal to 1
95 percent confidence interval:
0.1287775 8.6129418
sample estimates:
odds ratio
  1.039562


@strukturmarionette: Begründest Du noch, warum das nicht geht?

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Re: Therapiestudie - passendes statistisches Verfahren?

Beitragvon caroline12345 » Di 13. Dez 2016, 16:58

Hallo,
nochmal eine kurze Frage. Beim Fisher Test komme ich mit SPSS auf den p-Wert, den du auch hast Bernhard. Beim Binomialtest für das auditive Sprachverstehen (3 von 20 Items richtig) ist das leider nicht so. Ich weiß, das hier ist nicht das SPSS-Forum..ich bin aber auch kein Stück vom SPSS-Vorgehen für Binomialtests abgewichen. Sieht jemand meinen Denkfehler bzw. weshalb ich auf einen anderen p-Wert komme? Es kann ja nicht an den verschiedenen Statistikprogrammen liegen.
Viele Grüße, Caroline

P.S. Ich konnte leider keine Lösung finden hier ein Bild anzuhängen, da mir jedes Mal angezeigt wurde, dass das Kontingent für Dateianhänge schon ausgeschöpft ist. Deshalb hier nur zwei Links zu meinen SPSS Tabellen mit dem p-Wert.
http://www.fotos-hochladen.net/uploads/ ... ho2dlx.png
http://www.fotos-hochladen.net/uploads/ ... akh7ix.png
caroline12345
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