Komplikationen bei Operationen - welche Statistik

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Komplikationen bei Operationen - welche Statistik

Beitragvon VD20 » Mo 19. Dez 2016, 13:29

Hallo zusammen,

Ich möchte gerne folgende Daten auswerten.

Wir haben über 3 Jahre 200 Operationen ausgeführt. Die Operationen gehören entweder subtyp A (n=110) oder subtyp B (n=90) an.

Nun möchte ich

1. Die Komplikationsrate je nach subtyp bestimmen

Hier habe ich soweit nur die prozentmässige Angabe der Komplikationen pro subtyp (e.g. 6% bei Subtyp A; 4% bei Subtyp B) angegeben. Ich möchte nicht die subtypen vergleichen, sondern rein deskriptiv beschreiben wie viele Komplikationen wir hatten.

Frage: Reicht es da, die % anzugeben oder benötigt es weitere Inofrmationen (e.g. Konfidenzintervall, Standardabweichung etc.)?


2. Die Komplikationrate für alle Operationen im Verlauf aufzeigen

Dazu gruppiere ich die Operationen in 4 Gruppen à 50 Operationen, welche nacheinander stattgefunden haben. Zum Beispiel: Gruppe 1 enthält die Operationen nr. 1-50; Gruppe 2 die Operationen nr. 51-100
Nun möchte ich für jede Gruppe die Komplikationsrate ausrechnen und aufzeigen, wie sich die Komplikationsrate im Verlauf (von Gruppe 1 zu Gruppe 4) verändert hat.

Frage: Wie kann ich dies am besten graphisch darstellen und welche statistische Auswertung wäre hier am besten angebracht? Bisher habe ich für jede Gruppe die % Komplikationsrate und das 95% CI ausgerechnet. Wäre ein statistischer Test oder eine andere deskriptive Statistik noch angebracht?

Vielen herzlichen Dank für jeden Input!
VD20
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Re: Komplikationen bei Operationen - welche Statistik

Beitragvon bele » Mo 19. Dez 2016, 14:30

ad 1) Es kommt darauf an, wer Dein Publikum ist und was die mit der Information anfangen wollen. Wahrscheinlich reichen die Prozentangaben. Zu diesen Prozentangaben auch noch ein Wahrscheinlichkeits-Konfidenzintervall anzugeben, kann aber nicht schaden und unterstreicht, dass Du Dich mit der Statistik ernsthaft beschäftigt hast.

ad 2) Das mit der Unterteilung in 4 Gruppen erscheint willkürlich. Ist es wirklich so willkürlich, oder gibt es einen Hintergrund, der diese Unterteilung begründet? Wahrscheinlich willst Du dokumentieren, dass die Operation eine Lernkurve hat, und ob diese bereits nach den ersten 50 Operationen durchlaufen ist? Ein Chi-Quadrattest auf Homogenität (gleiche Wahrscheinlichkeiten in allen 4 Gruppen) kommt einem in den Sinn, aber die Zahlen sind zu klein (12 Ereignisse in Gruppe A auf vier Zeiträume macht 3 erwartete Ereignisse pro Zelle - meistens wird empfohlen, dass man 5 haben soll). Erklär bitte ein bischen mehr zu den Hintergründen, was Du genau im Schritt 2 erreichen willst.

LG,
Bernhard
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Re: Komplikationen bei Operationen - welche Statistik

Beitragvon VD20 » Mo 19. Dez 2016, 17:50

Hi Bernhard,

Vielen herzlichen Dank für deine Hilfe!

zu 1) Die Studie sollte in einem medizinischen Journal publiziert werden. Ich denke auch, dass %-Angabe und 95% KI reichen. Ich habe bisher noch nie das KI für eine Proportion ausgerechnet (nur für Mittelwerte etc.). Muss man dabei etwas besonderes beachten?

zu 2) Genau! Die Idee ist es, den Lernkurveneffekt zu beschreiben. Die Unterteilung in 4 Gruppen ist tatsächlich willkürlich, es bot sich and weil man die Anzahl Gesamtoperationen gut durch 4 Teilen kann. Könnte ich den Chi-Quadrattest auf Homogenität auch durchführen, wenn ich nur zwei Gruppen betrachte und dadurch die Zahl OPs pro operation erhöhe? Bisher habe ich mittels Graphpad Prism einen Bar-chart mit 2 Gruppen und den 95% KI hergestellt, ich würde aber sehr gerne noch eine weitergehende Analyse hinzufügen, die den Lernkurveneffekt statistisch unterlegt.

LG Vik
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Re: Komplikationen bei Operationen - welche Statistik

Beitragvon bele » Mo 19. Dez 2016, 18:38

Hallo Vik,

ad 1) Wikipedia hat einen ausführlichen Beitrag zu binomialen Konfidenzintervallen. Oder Du nimmst einfach die Standardmethode Deines Statistikprogramms.

ad 2) Wie sind denn die Werte auf die 4 Gruppen verteilt? Gib mal Zahlen an. Ich bin wirklich kein Fachmann für Zeitreihen, aber ich denke, da müsste sich eine Lösung finden lassen, die auf künstliche Unterteilungen verzichtet. Zu jedem Zwischenfall gab es vorher eine Anzahl von Operationen ohne Zwischenfall. Wenn Du diese Anzahlen bestimmst und belegen kannst, dass die Abstände immer größer werden, wäre das auch der Nachweis einer Lernkurve. Irgendwie so etwas, muss es geben.

LG,
Bernhard
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Re: Komplikationen bei Operationen - welche Statistik

Beitragvon bele » Mo 19. Dez 2016, 19:15

Nachtrag: 6 Ereignisse bleiben wenig, aber ich könnte mir vorstellen, dass man das mit einer logistischen Regression probiert: Fortlaufende Nummer der Operation als unabhängige Variable und Komplikation nein/ja bzw. 0/1 als abhängige Variable und dann kann man schauen, ob der Koeffizient für die laufende Nummer der Operation signifikant negativ ist.

Nur so als Idee, um ohne Gruppierung auszukommen.

LG,
Bernhard
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Re: Komplikationen bei Operationen - welche Statistik

Beitragvon VD20 » Di 20. Dez 2016, 13:00

Hi Bernhard,

Das ist eine super idee! Die Komplikationen bei den ersten 50 sind 7, dann 5, dann 2, dann 0.
Ich versuche es einmal mit der logistischen Regression.

Vielen Dank!! LG
VD20
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Re: Komplikationen bei Operationen - welche Statistik

Beitragvon VD20 » Do 22. Dez 2016, 08:52

Hi Bernhard,

Ich habe folgende Statistik mit SPSS gemacht:

Logistische Regression zwischen Op-Nummer (1-200) als unabhängige Variable und Komplikation nein (=0) oder ja (=1) als binäre abhängige Variable.

Das Ergebnis stimmt mich positiv, aber ich bin nicht sicher ob ich es korrekt interpretiere:

1. Signifikanz des Regressionsmodells: Der Omnibus test für das Model ergibt einen Chi-square von 9,116 und eine Sig. von 0,003. p<0,005 ist für mich ok, daher sollte ich die Regression verwenden können.

2. Signifikanz der Regressionskoeffizienten: Der Regressionskoeffizient B ist -0.18. Exp(B) ist 0.982 mit unterem K.I 0.969 und oberem K.I 0.995
Ich gehe daher von einem signifikanten Einfluss der Anzahl Operationen auf die Wahrscheinlichkeit, dass eine Komplikation eintrifft aus. Das Verhältnis ist negativ, mit jeder OP nimmt die relative Wahrscheinlichkeit, dass eine Komplikation auftritt um 1.8% ab (0.982-1).

3. Modellgüte Das Nagelkerke R-Quadrat liegt bei 0,123

4. Berechnung der Effektstärke Die Effektstärke nach Cohen (1992) liegt mit f = sqroot(R^2/(1-R^2) (R^2=Nagelkerke R-Quadrat) bei 0.37, dies entspricht einem mittleren starken Effekt

Zusammenfassend, kann ich sagen dass die logistische Regressionsanalyse zeigt, dass sowohl das Modell als Ganzes (Chi^2 = 9,116, p<0,005, n=200) als auch der Koeffizient der unabängige Variable (Anzahl OP) signifikant sind. Steigt die Anzahl der OP um 1, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Komplikation um 1.8% ab. Das R-Quadrat nach Nagelkerke beträgt 0.123, was nach Cohen (1992) einem mittlerem bis starkem Effekt entspricht.

Frage: Ist diese Schlussfolgerung stimmig. Welche Aussagekraft hat das Chi^2 in diesem Fall?

Besten Dank für allfällige Korrekturen oder Ergänzungen zu dieser Schlussfolgerung!

LG Vik
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