Mehrere kleine Fragen zur Skalierung

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Mehrere kleine Fragen zur Skalierung

Beitragvon Question » So 26. Feb 2017, 21:13

1.Warum ist ein ordinales Merkmal automatisch qualitativ? Meinem Empfinden nach, müsste man bei der Ordinalskalierung eigentlich zwischen qualitativ und quantitav unterscheiden.
Beispiel: Das Merkmal "Klausurpunkte" ist ordinalskaliert, besteht doch aber aus quantitativen Ausprägungen (Zahlen)?

Vielleicht habe ihr hierbei die Definition von "qualitativ" und "quantitativ" falsch verstanden.
Für mich war bisher qualitativ = verbale Ausdrücke (Dienstgrad beim Militär), quantitativ = alles mit Zahlen (Klausurpunkte)
Oder sind alle Zahlen, die nicht "gleichabständig" sind (Klausurpunkte eben) qualitativ?

2. Dazu passt allerdings die Aussage, dass man Stab- oder Säulendiagramme (Darstellung von ordinal oder diskret kardinal skalierte Merkmale) für quantitative Daten benutzen darf/muss.


3. Wäre das Merkmal definiert als "Körpergröße in cm" (nicht mehr unendlich genaue Angabe möglich) müsste es doch eigentlich diskret und nicht stetitg sein?


4. Geldbetrag = Verhältnisskala
Aber ich verstehe nicht, warum "Kontostand" ebenfalls der Verhältnisskala, anstatt der Intervallskala zuzuordnen ist.
Schließlich könnte die Ausprägung negativ sein/ das Merkmal auch negative Werte annehmen (=> kein natürlicher Nullpunkt => Intervallskala).


5. Ob IQ ordinal oder kardinal skaliert ist, scheint heutzutage immer noch jeder verschieden zu interpretieren?
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Re: Mehrere kleine Fragen zur Skalierung

Beitragvon strukturmarionette » Mo 27. Feb 2017, 22:59

Hi,

1.Warum ist ein ordinales Merkmal automatisch qualitativ?

- Stimmt ja schon nicht. Es ist kategorial.

Guß
S.
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Re: Mehrere kleine Fragen zur Skalierung

Beitragvon Question » Di 28. Feb 2017, 01:23

strukturmarionette hat geschrieben:Hi,

1.Warum ist ein ordinales Merkmal automatisch qualitativ?

- Stimmt ja schon nicht. Es ist kategorial.

Guß
S.


Hallo,

danke für Deine Antwort. Allerdings ist die Bezeichnung "kategorial" kein einziges Mal im gesamten Semester gefallen, in den Unterlagen auch nicht.
Ich habe versucht, die Bedeutung mit Hilfe von Google herauszufinden und es scheint einfach eine andere Bezeichnung für "qualitativ" zu sein.
Dabei bin ich auf eine Seite gestoßen, die quantitative Merkmale (neben der sinnvollen Reihenfolge) durch "Messbarkeit" definiert. Das würde erklären, warum das Mekrmal "Klausurpunkte" nicht quantitativ sein kann, aber.. Preise, welche 100%-ig quantiativ sind, sind ja auch nicht wirklich "messbar". Also scheint mir diese Definition falsch zu sein.
Ich bleibe die ganze Zeit nur an den Grundbegriffen der Satistik hängen, mit all den anderen Themen, wo es um das Rechnen geht, tue ich mich weniger schwer.

Ich habe mal alles hervorgehoben, was uns beigebracht wurde, was ich mir also nicht selbst aus der Nase gezogen habe:

Question hat geschrieben:1.Warum ist ein ordinales Merkmal automatisch qualitativ? Meinem Empfinden nach, müsste man bei der Ordinalskalierung eigentlich zwischen qualitativ und quantitav unterscheiden.
Beispiel: Das Merkmal "Klausurpunkte" ist ordinalskaliert, besteht doch aber aus quantitativen Ausprägungen (Zahlen)?

Vielleicht habe ihr hierbei die Definition von "qualitativ" und "quantitativ" falsch verstanden.
Für mich war bisher qualitativ = verbale Ausdrücke (Dienstgrad beim Militär), quantitativ = alles mit Zahlen (Klausurpunkte)
Oder sind alle Zahlen, die nicht "gleichabständig" sind (Klausurpunkte eben) qualitativ?

2. Dazu passt allerdings die Aussage, dass man Stab- oder Säulendiagramme (Darstellung von ordinal oder diskret kardinal skalierte Merkmale) für quantitative Daten benutzen darf/muss.


3. Wäre das Merkmal definiert als "Körpergröße in cm" (nicht mehr unendlich genaue Angabe möglich) müsste es doch eigentlich diskret und nicht stetitg sein?


4. Geldbetrag = Verhältnisskala
Aber ich verstehe nicht, warum "Kontostand" ebenfalls der Verhältnisskala, anstatt der Intervallskala zuzuordnen ist.
Schließlich könnte die Ausprägung negativ sein/ das Merkmal auch negative Werte annehmen (=> kein natürlicher Nullpunkt => Intervallskala).


5. Ob IQ ordinal oder kardinal skaliert ist, scheint heutzutage immer noch jeder verschieden zu interpretieren?
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Re: Mehrere kleine Fragen zur Skalierung

Beitragvon forenthomas » Di 28. Feb 2017, 11:25

Hallo,

ich versuche mal eine Erklärung:

Zuerst einmal musst du zwei verschiedenen Zahlen unterscheiden: Zahlen, die direkt den Daten entspringen (Messwerte u.ä.) und Zahlen, die einer Kodierung entspringen (sehr gut = 1, gut = 2). In der Regel werden alle Daten mit Zahlen kodiert, sogar nominalskalierte (weiblich = 0, männlich = 1). Das ändert aber nichts an ihrem Skalenniveau.

Dann musst du noch wissen, dass Ordinalskala und metrische Skalen (Intervall- und Kardinal- bzw. Verhältnisskala) so weit nicht auseinander liegen. Der Umstand liegt in dem von dir schon erwähnten "gleichabständig". Und die Klausurnoten sind immer ein gutes Beispiel: Geht man davon aus, dass der Abstand zwischen zwei Noten immer identisch ist, dann sind Klausurnoten metrisch skaliert - oder, eine Begriff, der für das Verständnis dann vielleicht hilft, "quasi metrisch". D.h. sie sind "eigentlich" nicht metrisch, können aber als metrisch angesehen und - und das ist für die weitere Auswertung ziemlich wichtig - behandelt werden. Geht man vom begrifflichen "sehr gut", "gut" ... aus und davon, dass zwischen der 2 und der 1 z.b. ein größerer Abstand besteht als zwischen 4 und 3 ("wer bei mir eine 1 bekommen will, der muss auch schon was zeigen ..."), dann sind die Noten nicht mehr metrisch sondern nur noch ordinal. Und so geht es in vielen Situationen.

Da die 1 damit eigentlich nur noch für "sehr gut" steht, wird sie dann auch oft als qualitativ angesehen, es ist also nur noch eine Kodierung. Die ist es allerdings auch, wenn man von gleichabständigen Noten und damit (quasi) metrischen Daten ausgeht. Persönlich halte ich daher die Zuordnung "quantitativ - metrisch, qualitativ - nominal oder ordinal" für wenig hilfreich. Sie wird aber in vielen Lehrbüchern genau so vorgenommen.

Klausur"punkte" ordinal zu machen ist schon ein meiner Ansicht nach schlechtes Beispiel, da eher verwirrend. Wenn man davon ausgeht, dass der Korrektor einen Text zu "bewerten" hat, dann wird er ihn vermutlich nicht metrisch bewerten können - und dann wird die Punktevergabe zu einer relativen Einordnung, wie gut er die Texte im Vergleich zu den anderen fand. Damit wäre das Merkmal dann ordinal. Die Interpretation finde ich aber schwierig.

Zu diskret und stetig: Körpergröße ist ein stetiges Merkmal, dass allerdings diskret gemessen wird - wie allerdings jedes stetige Merkmal. Wir können nun mal nicht mit beliebiger Genauigkeit messen. Andersrum gibt es übrigens auch Merkmale, die diskret sind (Geldbeträge z.b.) dann aber häufig als "quasi stetig" angesehen werden, da es für eine wirklich diskrete Betrachtung zu viele Stufen gibt.

Der Kontostand ist für mich auch ein intervallskaliertes Merkmal mit der von die beschriebenen Begründung - es sei denn, der Dozent bezieht sich z.b. auf ein Kreditkonto oder auf ein Guthabenkonto. Dann gibt es einen Nullpunkt.

Der IQ wir heute überwiegend als kardinal skaliert angesehen. So wie die meisten über Likert-Skalen oder mehrschichtige Testverfahren gemessenen latenten Merkmale.

Verwirrung komplett? Ich hoffe nicht.

Gruß, Thomas
Zuletzt geändert von forenthomas am Di 28. Feb 2017, 11:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mehrere kleine Fragen zur Skalierung

Beitragvon bele » Di 28. Feb 2017, 11:41

Hallo,

Question hat geschrieben:Warum ist ein ordinales Merkmal automatisch qualitativ? Meinem Empfinden nach, müsste man bei der Ordinalskalierung eigentlich zwischen qualitativ und quantitav unterscheiden.
Beispiel: Das Merkmal "Klausurpunkte" ist ordinalskaliert, besteht doch aber aus quantitativen Ausprägungen (Zahlen)?


Noten sind ein schwieriges Zwischenkonstrukt. Die Zahlen, auf die Du Dich beziehst, sind ja nur Namen. Es kommt geht keine Information verloren, wenn Du Sie mit den Namen "sehr gut", "gut", "befriedigend" etc. benennst. Die Verbesserung von Note 5 auf Note 4 ist eben nicht das Geliche wie die Verbesserung von 2 auf 1. Insofern benutzen wir hier Zahlzeichen wie Namen, nicht wie Rechengrößen.

2. Dazu passt allerdings die Aussage, dass man Stab- oder Säulendiagramme (Darstellung von ordinal oder diskret kardinal skalierte Merkmale) für quantitative Daten benutzen darf/muss.


Was muss ich? Sorry, Punkt 2 habe ich nicht verstanden.

3. Wäre das Merkmal definiert als "Körpergröße in cm" (nicht mehr unendlich genaue Angabe möglich) müsste es doch eigentlich diskret und nicht stetitg sein?

Das ist zugleich richtig und falsch. Ja, in ganzen cm gemessene Daten sind streng genommen diskret. Aber: Wenn Du so strenge Maßstäbe anlegst, dann ist alles in der wirklichen Welt (nicht in der Welt der Mathematik) diskret, weil wir alles kontinuierliche nur mit Rundungsfehler messen können. Wenn Du aber Deine Statistik in der wirklichen Welt anwenden willst, dann musst Du mit diesem Fehler leben. Und mit vielen anderen auch. Wo man die Grenze zieht, lässt sich nicht eindeutig beantworten.

4. Geldbetrag = Verhältnisskala
Aber ich verstehe nicht, warum "Kontostand" ebenfalls der Verhältnisskala, anstatt der Intervallskala zuzuordnen ist.
Schließlich könnte die Ausprägung negativ sein/ das Merkmal auch negative Werte annehmen (=> kein natürlicher Nullpunkt => Intervallskala).


Doch, ein Kontostand hat einen natürlichen Nullpunkt und 2 Euro sind doppelt so viel wie 1 Euro.

HTH,
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Re: Mehrere kleine Fragen zur Skalierung

Beitragvon forenthomas » Di 28. Feb 2017, 12:00

Hallo Bernhard,
bele hat geschrieben:Doch, ein Kontostand hat einen natürlichen Nullpunkt und 2 Euro sind doppelt so viel wie 1 Euro.


und wie sieht es mit dem Quotienten zwischen meinem heutigen Kontostand (-254,00) und meinem morgigen (+9746,00) aus (letztere Zahl ist leider Wunschdenken).

Gruß, Thomas
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Re: Mehrere kleine Fragen zur Skalierung

Beitragvon bele » Di 28. Feb 2017, 13:26

Der Quotient beträgt -0.026. Deine Schulden heute sind vom Betrag also weniger als 3% Deines morgigen Guthabens. Ein Zahlenverhältnis, bei dem der Kreditfuzzi der Bank sich nicht anstellen sollte ("ey Chef: Mein Guthaben morgen ist 38mal so groß wie die Überziehung heute. Alles unter Faktor 10 sind Peanuts!"). Ernsthaft, ich wüsste nicht, was gegen diese Rechenoperation sprechen sollte.
(Und natürlich wünsche ich Dir, dass sich Dein Guthaben morgen ver-38facht!)

LG,
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Re: Mehrere kleine Fragen zur Skalierung

Beitragvon forenthomas » Fr 3. Mär 2017, 11:50

Ok, ok, Punkt für dich.

Wenn es aber Null als Wert gibt und wir bei der Rational- oder Verhältnisskala die Bildung von Quotienten erlauben, was machen wir dann mit einem Kontostand von Null?

Zudem könnte ich mich auch auf den Papa der vierstufigen Skala berufen (Stevens, Science, 1946, S677-680): "... and only with these [Ratio Scale] scales may we properly indulge in logarithmic transformations such as are involved in the use of decibels." - Nun, das würde meiner Ansicht nach negative Werte ausschließen.

Allerdings halte ich den Streit für recht akademisch, da es in der Regel reicht, metrische Daten zu haben.

Gruß, Thomas

P.S. Nette Diskussionen, die wir manchmal führen. Sehr bildend. Danke.
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Re: Mehrere kleine Fragen zur Skalierung

Beitragvon bele » Fr 3. Mär 2017, 15:35

Hallo,

Intervallskalen erlauben im Allgemeinen auch die Subtraktion, das bedeutet nicht, dass sie jede denkbare Subtraktion erlauben. In der Celsiusskala ist zum Beispiel die Subtraktion 10°C - 1010 °C nicht sinnvoll, weil es -1000°C nicht gibt. Umgekehrt sind die Probleme beim Kontostand als Verhältnisskala viel geringer. Teilst Du 1000 EUR durch 0 EUR dann ist das Ergebnis unendlich. Erst wenn Du dieses Unendlich mit Null multiplizieren willst, gibt es ein Problem. Du musst also zwei Rechenoperationen mit dem einzigen Ausnahmewert hintereinander ausführen, um an ein Rechenproblem zu stoßen.

R zum Beispiel handelt das großartig:
Code: Alles auswählen
> 3/2
[1] 1.5
> 3/0
[1] Inf
> Inf*15
[1] Inf
> Inf*0
[1] NaN
> 17/Inf
[1] 0



LG,
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