Interpretation von Interaktionseffekten in Regression

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Interpretation von Interaktionseffekten in Regression

Beitragvon Milui » Do 26. Jan 2012, 13:12

Hallo.

Ich habe eine Frage zur Interpretation von Interaktionseffekten in einer linearen Regression.

Ich untersuche den Effekt des Partnerverlusts auf die Gesundheit unter Berücksichtigung der sozialen Integration.
AV: Gesundheit (metrisch); zentrale UV: Partnerverlust(Dummy: 0=Partner lebt, 1=Partner verstorben); weitere UVs: verschiedene Formen sozialer Integration (Dummiy Variablen).

Zuerst habe ich Regressionen mit den direkten Effekten berechnet um zu überprüfen, wie groß der Effekt des Partnerverlusts bzw der sozialen Integration auf die Gesundheit jeweils ist. Jetzt möchte ich untersuchen, ob der (negative) Effekt des Partnerverlusts auf die Gesundheit durch die soziale Integration beeinflusst wird. Bsp: ist der Effekt des Partnerverlusts geringer, wenn die Befragten viele enge soziale Beziehungen haben?

Zu diesem Zweck habe ich nach folgenden Muster Interaktionsterme gebildet (eine etwas vereinfachte Darstellung):
widow = 0 (Partner lebt) 1 (Partner verstorben)
social = 0 (keine regelmäßigen sozialen Kontakte) 1 (regelmägiße soziale Kontakte)
interaction = widow * social

Da es sich in beiden Fällen um Dummy Variablen handelt, nimmt interaction folgende Werte an:

interaction=0 Partner lebt+soziale Kontakte; Partner lebt+keine sozialen Kontakte; Partner tot+keine sozialen Kontakte
interaction=1 Partner tot+sozialen Kontakte

Meine Frage zur Interpretation:
Wenn der direkte Effekte des Partnerverlusts (widow) unter Kontrolle des Interaktionsterms geringer (oder sogar positiv?) wird + der Interaktionsterm signifikant ist, bedeutet das dann, dass die Personen, deren Partner tot ist und die soziale Kontakte haben, eine höhere Gesundheit aufweisen als jene Personen ohne Partner die keine sozialen Kontakte haben?

Ist diese Interpretation zulässig?
Ich bin mir gerade wirklich unsicher. Interaktionseffekte sind immer ein bisschen tricky in der Interpretation (finde ich zumindest). Einfach boss in die Regression werfen und Vorzeichen und Signifikanz des Interaktionsterms anschauen reicht ja nicht. Man muss den Effekt in Relation zu den anderen Effekten im Modell interpretieren.

Über Kommentare würde ich mich freuen. Vielleicht hat auch jemand einen Literaturvorschlag was die Interpretation von Interaktionen angeht.
Entschuldigt bitte, dass der Post so lang wurde.

LG
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Re: Interpretation von Interaktionseffekten in Regression

Beitragvon daniel » Do 26. Jan 2012, 14:31

Wenn der direkte Effekte des Partnerverlusts (widow) unter Kontrolle des Interaktionsterms [...]


Wenn Interaktionsterme im Modell sind, empfiehlt es sich nicht von direkten (und indirekten) Effekten zu sprechen, sondern von konditionalen Haupteffekten. Im Prinzip ist das (im einfachen linearen Fall) nicht besonders schwer. Dein Modell hat etwa die Form



Die Koeffizienten und sind konditionale Haupteffekte. Sie drücken den Effekt des jeweiligen Dummys aus, unter der Bedingung, dass der andere Dummy, und damit folglich auch der multiplikative Term Null ist.

Betrachte beispielsweise . Der Koeffizient drückt hier den Unterschied zwischen Personen, die keine sozialen Kontakte haben und deren Partnerin verstorben ist und denen, die ebenfalls keine sozialen Kontakte haben, deren Partnerin aber nicht verstorben ist aus. Das lässt sich leicht sehen.

Für Personen, die keine Sozialen Kontakte haben und deren Partnerin verstorben ist, lässt sich die Gesundheit prognostizieren als




Für Personen, die keine sozialen Kontakte haben und deren Partnerin lebt lautet die Gleichung




Der Unterschied ist offensichtlich genau . Für ist die Interpretation analog.

Der von Dir betrachtete Kontrast zwischen,

[...] [(a)] Personen, deren Partner tot ist und die soziale Kontakte haben, [und (b)] jene Personen ohne Partner die keine sozialen Kontakte haben


ist weder an noch an direkt ablesbar. Er lässt sich aber relativ leicht in folgende Prognosegleichungen überführen.







Demnach ist der Unterscheid dieser Gruppen gegeben durch . Wenn die Summe beider Koeffizienten positiv ist, dann stimmt Deine Interpretation. Das Signifikanzniveau von hat für die quantitative Bestimmung der Differenz im Übrigen keinerlei Bedeutung.
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Re: Interpretation von Interaktionseffekten in Regression

Beitragvon Milui » Do 26. Jan 2012, 16:13

Wieder einmal Vielen Dank daniel, für die schnelle Antwort!

Ok, in meinem Fall ergibt sich folgendes:

Personen ohne soziale Kontakte - Partner tot
health= 44,26 + 2,46*1 + 2,78*0 + (-3,18)*0 = 46,72

Personen mit sozialen Kontakten - Partner tot
health= 44,26 + 2,46*1 + 2,78*1 + (-3,18)*1 = 46,32

Oder einfacher 2,78 - 3,18 = -0,4

Die Summe der Koeffizienten ist negativ. Das würde dann bedeuten, dass die Personen ohne Partner aber mit sozialen Kontakten eine geringere Gesundheit aufweisen, als Leute ohne Partner und ohne Kontakte. Das ist jetzt irgendwie schlecht...
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Re: Interpretation von Interaktionseffekten in Regression

Beitragvon daniel » Do 26. Jan 2012, 21:47

Das klingt tatsächlich etwas seltsam. Darf ich fragen wie die Modellspezifikation nun aussieht. Mir fällt da auf Anhieb keine plausible theoretische Begründung ein.
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Re: Interpretation von Interaktionseffekten in Regression

Beitragvon PonderStibbons » Fr 27. Jan 2012, 00:30

Erstmal müsste die Studie beschrieben werden, der Studienkontext, das Studienziel, was das eigentlich für Leute sind, die da untersucht wurden, die Stichprobenzusammensetzung, die
Stichprobengröße.

Mit freundlichen Grüßen

P.
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Re: Interpretation von Interaktionseffekten in Regression

Beitragvon daniel » Fr 27. Jan 2012, 00:43

Das ist zum Teil mein Fehler. Ein wenig (Vorab)Information findet sich hier und hier.
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Re: Interpretation von Interaktionseffekten in Regression

Beitragvon Milui » Fr 27. Jan 2012, 17:50

Entschudligt die späte Antwort, aber ich arbeite gerade von meinem Bett aus, weil ich krank bin.

OK, nochmal von vorn:
Forschungsfrage:Beeinflusst soziale Unterstützung (im weitesten Sinne) den Effekt kritischer Lebensereignisse auf die körperliche/ mentale Geusndheit.
es geht also um die Frage, wie sich die Gesundheit durch den Tod des Partners über die Zeit verändert und welche Rolle soziale Beziehungen dabei spielen.
Sample: Längsschnittdaten (SOEP) - Zeitraum 2001-2008; 499 Personen (insgesamt 3,889 Personenjahre)
AVs: körperliche und mentale Gesundheit (Range von 0 bis 100, Mittelwert ist auf 50 normiert mit einer Standardabweichung von 10)
zentrale UV: Tod des Partners
Weitere UVs: verschiedene Indikatoren sozialer Unterstützung (Netzwerkgröße, Vertrauenspersonen vorhanden, Häufigkeit sozialer Kontakte, Mitgliedschaft in Organisationen/ Vereinen etc, Kinder vorhanden, Geschwister vorhanden)
Kontrollvariablen: Alter, Geschlecht, Bildung, Äquivalenzeinkommen
Statistisches Modell: Pooled Regression (--> aufgrund der Datenstruktur, der geringen Stichprobe/ geringer Zellbesetzung, etc. sind Fixed-/ Random-Effects Modelle nicht möglich, da fährt mir in Stata das Modell sozusagen gegen die Wand. Bitte erspart mir also Kommentare über die Probleme mit POLS, es war das beste, was man aus den Daten rausholen konnte).
Formal: Yit = β0 + β1*xit + uit (tut mir leid, schöner krieg ich es nicht hin. Gibt es hier sowas wie einen Formeleditor?)

Vielleicht noch zur Erklärung der komischen Ergebnisse: in den Modellen für die körperliche Gesundheit, ist der Koeffizient für den Partnerverlust iwie immer positiv, aber (in dem Fall Gott sei Dank) nicht signifikant. In den Modellen für die mentale Gesundheit ist er erwartungsgemäß negativ und signifikant. Nur in dem Beispiel, dessen Werte ich verwendet habe war der Effekt positiv und signifikant und der Interaktionsterm negativ und signifikant. Das war auch irgendwie der einzige Interaktionsterm, der signifikant geworden ist. Deswegen auch meine Verwirrung wegen der Interpretation...

Mein Gedankte war, dass unter Kontrolle der Interaktion der konditionale Haupteffekt des Partnerverlusts abnehmen sollte. So, alle verwirrt? :)
Hope that helps.
Dateianhänge
modell.jpg
Hier noch schematische Darstellung der unterstellten Zusammenhänge (auch stark vereinfacht).
modell.jpg (30.26 KiB) 7841-mal betrachtet
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Re: Interpretation von Interaktionseffekten in Regression

Beitragvon daniel » Fr 27. Jan 2012, 20:42

[...] verschiedene Indikatoren sozialer Unterstützung (Netzwerkgröße, Vertrauenspersonen vorhanden, Häufigkeit sozialer Kontakte, Mitgliedschaft in Organisationen/ Vereinen etc, Kinder vorhanden, Geschwister vorhanden)


Und wie wird aus daraus ein Dummy?

Ich würde hier theoretisch nicht unbedingt die gleichen (oder überhaupt) Effekte erwarten. Wenn jemand Kinder hat, mit diesen Kindern aber Null Kontakt, dann sollte der Effekt ebenfalls Null sein. Hast Du mal alternative, theoriegeleitete Operationalisierungen versucht?

Zudem hast Du hier ein mögliches Endogenitätsproblem, da die Gesundheit vermutliche einige der Indikatoren der sozialen Integration beeinflusst. Wer körperlich nicht Gesund ist und kaum das Haus verlassen kann, wird eher kein (aktives) Mitglied in einer Organisation oder einem Verein sein.

Deine Grundidee ist plausibel, aber ich denke Du sollest das noch etwas differnzierter ausarbeiten. Falls Du das schon getan hast und uns nicht mit zu langen Berichten quälen wolltest, dann ist das ok, aber dann können wir natürlich auch nichts dazu sagen. Nur was Du präsentierst kann in unsere Überlegeungen einfließen.

Gute Besserung.
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Re: Interpretation von Interaktionseffekten in Regression

Beitragvon Milui » Fr 27. Jan 2012, 21:25

@daniel: danke!

Nein, nein! Natürlich wird nicht aus allen Indikatoren (Netzwerkgröße, Vertrauenspersonen vorhanden, Häufigkeit sozialer Kontakte, Mitgliedschaft in Organisationen/ Vereinen etc, Kinder vorhanden, Geschwister vorhanden) eine Dummy-Variable! Einige davon sind zwar Dummies, aber die Netzwerkgröße bspw. ist metrisch und sie werden alle in ihrer Wirkung einzeln betrachtet. Die Variablen für die Existenz von Kindern/ Geschwistern sind bereits gewichtet nach Art der Beziehung (1=sehr eng, 0.75=eng, ..., 0=keine Beziehung).

Das sind einzelne Indikatoren deren Wirkung untersucht werden sollen. Um Gottes Willen, wer würde das denn zusammenwerfen? XD
Grundsätzlich sind das aber schon alles "je mehr, desto besser" Aussagen bzw. "wenn vorhanden, dann besser"... also was die direkten Effekte angeht.
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Re: Interpretation von Interaktionseffekten in Regression

Beitragvon daniel » Sa 28. Jan 2012, 02:49

Nein, nein! Natürlich wird nicht aus allen Indikatoren (Netzwerkgröße, Vertrauenspersonen vorhanden, Häufigkeit sozialer Kontakte, Mitgliedschaft in Organisationen/ Vereinen etc, Kinder vorhanden, Geschwister vorhanden) eine Dummy-Variable!

Hätte mich auch etwas stutzig gemacht.

Um Gottes Willen, wer würde das denn zusammenwerfen? XD

Man glaubt manchmal nicht, was es alles gibt.

Nichtsdestotrotz bin ich noch immer etwas verwirrt.

Einige davon sind zwar Dummies, aber die Netzwerkgröße bspw. ist metrisch und sie werden alle in ihrer Wirkung einzeln betrachtet. Die Variablen für die Existenz von Kindern/ Geschwistern sind bereits gewichtet nach Art der Beziehung (1=sehr eng, 0.75=eng, ..., 0=keine Beziehung).


Werden alle simultan in einem Modell betrachtet, oder alle einzeln? Oder erst einzeln, dann simultan? Für welchen Indikator hast Du denn das Beispiel oben, das diesen diskussionswürdigen Effekt hervorbringt, gezeigt? Wie sind Ergebnisse für die anderen Indikatoren?

Die Interpretation ändert sich natürlich leicht für die Fälle, in denen die soziale Integration keine Dummyvariable ist und damit die Interaktion eine Verknüpfung einer metrischen (ordinalen) und einer binären Variable.
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