von Sanne H » Do 9. Feb 2012, 11:05
Gut - dann ausführlicher:
Tiergesundheit ist das Ergebnis ganz verschiedener Einflüsse, die ein komplexes System bilden. Es ist eher ungewöhnlich, dieses Gesamtsystem zu beleuchten. Bisher ist der Ansatz in den Nutztierwissenschaften eher von linearem Denken geprägt. Z.B. weiss man, dass eine Stalldesinfektion den Keimdruck reduziert. Daher wird diese Maßnahme zur Gesundheitsverbesserung unabhängig von einzelbetrieblichen Besonderheiten als wirksame Maßnahme zur Verbesserung der Tiergesundheit angesehen. In der Praxis führt aber diese Maßnahme nicht bei allen Betrieben zu einer Verbesserung der Tiergesundheit - darum ist sie nicht für alle Betriebe (ökonomisch) sinnvoll.
Mein Ansatz besteht nun darin, das System der Einflüsse, die auf die Tiergesundheit wirken, individuell auf Betrieben zu analysieren und daraus dann die Maßnahmen ableiten zu können, die in dem jeweiligen Betrieb größte Effizienz versprechen.
Dazu wurde ein Set von 22 Einflussgrößen ermittelt, die auf die Tiergesundheit in Betrieben wirken. Die sind als 22 Variablen definiert:
Z.B.
Qualität der Nährstoffversorgung,
Qualität der Einstreu,
Anzahl der Ferkellieferanten,
Informationsgrad über die Ferkel,
Gesundheit der Ferkel,
Qualität der Haltungsbedingungen,
Angemessene Behandlung kranker Tiere,
Grad der Nutzung von Beratung
Reinigung und Desinfektion
Gewinn aus der Schweinemast
Arbeitskapazität,
Preisentwicklung,
Datenauswertung
Motivation.
Es geht nicht darum, die Wirkung der Variablen auf Tiergesundheit zu prüfen, sondern die Rolle der einzelnen Variable innerhalb des betriebsindividuellen Systems. Die Systeme werden im Wesentlichen durch die Wechselwirkungen zwischen den Einflussgrößen charakterisiert. Die Zusammenhänge habe ich mit einer sogenannten Einflussmatrix, in der die 22 Variablen die Zeilen und Spalten bilden für 10 Betriebe untersucht (Ich habe dazu das Sensitivitätsmodell nach Prof. Vester genutzt). Aus 22 Variablen ergeben sich 462 möglichen Wechselwirkungen (für jeden Betrieb). Die Betriebsleiter wurden nun z.B. gefragt: Wenn sich die "Qualität der Nährstoffversorgung (Var.1)" in Deinem Betrieb verändert, ändert sich dann auch die "Nutzung der Beratung (Var. 8)". Wenn kein direkter Einfluss von der ersten (A) auf die zweite (B) Variable gesehen wurde, wurde eine 0 vergeben. Wenn eine starke Veränderung von A zu einer geringen Änderung von B führt wurde eine 1 vergeben. Bei etwa gleichstarker Änderung von B eine 2 und bei überproportionaler Änderung (kleine Änderung von A führt zu großer Änderung bei B) eine 3.
Aus den so vergebenen Werten für Einflussstärken lassen sich für jede Variable Summen berechnen, die etwas darüber aussagen, wie viel Einfluss eine Variable auf andere Variablen im System hat (Zeilensumme) oder wie stark eine Variable von anderen Einflussgrößen beeinflusst wird (Spaltensumme). Produkt und Quotient dieser Summen sagen etwas darüber aus, ob die Variablen innerhalb des Systems eher abpuffernd wirken oder als kritische Variablen anzusehen sind. Das Ergebnis ist eine sogenannte Rollenverteilung der Einflussgrößen, die etwas darüber sagt, welche Einflussgröße im System "aktiv" ist, eine tatsächliche Änderung im System verspricht und nicht nur "Kosmetik" darstellt.
Für die 10 Betriebe habe ich auf diese Weise verschiedene Variablen als „aktiv“ ermittelt. Weil nur die aktiven Variablen einen Einfluss im System (und daher eine Wirkung auf die Tiergesundheit) versprechen, lassen nur Maßnahmen, die sich auf diese Variablen beziehen, eine Wirkung erwarten.
Die Schlussfolgerung ist, dass zur Ermittlung effektiver Maßnahmen zur Verbesserung der Tiergesundheit, die Betriebe mit einem systemaren Ansatz analysiert werden müssen, weil sie sich durch die Wirkungen innerhalb der betrieblichen Systeme unterscheiden.
Dieses letzte „Unterscheiden“ ist nun das, was ich gerne „mehr“ als deskriptiv belegen würde. Denn die herkömmlichen linearen Denkansätze gehen davon aus, dass man die unter spezifischen Bedingungen gewonnenen Erkenntnisse auf jeden durchschnittlichen Betrieb anwenden kann. Ich vertrete die Ansicht, dass das nicht legitim ist, weil es den „Durchschnitt“ nicht gibt.
Daher ist die Hypothese, die ich gerne verwerfen möchte: Die Einflussgrößen auf Tiergesundheit spielen auf allen Betrieben dieselbe Rolle.
Weil die Grundlage der Berechnung der Rollenverteilungen die Bewertungen der 462 Wechselwirkungen in der Einflussmatrix (0,1,2,3) sind, war meine Überlegung, ob ich da etwas vergleichen und daraus ableiten könnte… Die 10 Betriebsleiter haben ja dieselben Wechselwirkungen bewertet.