Bitte um Hilfe

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Bitte um Hilfe

Beitragvon Alceste » Di 27. Mär 2012, 01:43

Liebe Community,
zunächst einmal möchte ich mich kurz Vorstellen: Ich bin L3 Student für die Fächer Französisch und Englisch und bin nun über ein Fachdidaktikseminar des letzteren Faches dazu gezwungen mich ein wenig näher mit Statistik auseinanderzusetzen. Das problem an der Geschichte ist nur, dass obgleich sich das Seminar bzw. meine Seminararbeit thematisch an Statistik anlehnt, wir in dem Seminar aber keine Einführung in die Materie bekommen haben. Das Thema meiner Arbeit leutet: "an empiric perspective on grades" und bezieht sich idotischerweise auf das deutsche Notensystem (ich pers. finds immer doof auf Englisch über Sachverhalte zu schreiben, die sich eigentlich größtenteils einer anderen Sprache darstellen). Nun das bislang größte Problem, das sich mir darstellt ist die auswertung bestimmter Resultate:

In verschiedenen amerikanischen Studien können durch eine Kombination von High School
Noten und Testergebnissen rund 25 Prozent der Varianz der Durchschnittsnoten im ersten
Collegejahr (GPA) vorhergesagt werden (Robbins u.a. 2004, 262).

Was will mir das sagen? Sind 25% Varianz nicht ein bisschen wenig, davon ausgehend, dass 100% das eigentlich angestrebte Ziel wären? Und was ist genau mit Varianz der Durchschnittsnoten gemeint? Kann ich nun anhand der Kombination von Highschoolnoten und Testergebnissen einer Person X, eben dieser 25% der Streuung ("also deine Noten werden sich im Rahmen von 3-6 bewegen") ihrer Durchschnittsnoten im ersten Collegejahr voraussagen? Was aber ist mit dem Rest der Varianz?

Ich habe das Gefühl mir entgeht hier etwas elementares!

Eine weitere Frage, die ich mit mir herumtrage ist hieran eng angelegt: der Korrelationskoeffizient r soll laut wikipedia ab 0.5 in psychologischen tests als "gut" gelten. Kann man das Ding irgendwie in Prozent umrechnen? Wenn ja wie, ich würde gerne die Ergebnisse der Studien zumindest in gleichen Formaten präsentieren können, damit sich ein einheitliches Bild abzeichnet.

Finally eine Frage zur Normalverteilung. Ich meine mal in der Schule gehört zu haben, dass sich diese nur ab einer bestimmten Befragungsgröße ergibt (ich glaube wir hatten das damals mit Ziehungen und Stochhastik). Der Grund warum mich das interessiert ist folgender: Häufig sind Klassenarbeiten ja irgendwie Normalverteilt, mich interessiert nun, ob das mathematisch tatsächlich so sein kann, oder ob es sich da um Projektion handelt. Auch würde mich interessieren, wie man so etwas beweist, also die Normalverteilung, sowie ihren Geltungsbereich: Von welchen Phänomenen weiß man, dass sie Normalverteilt sind und warum! Nimmt man das nur an oder hat man das Nachgemessen und auf diesem Wege verifiziert?

Je mehr ich mich mit dieser Materie als angehender Lehrer, was ja in unseren Breitengraden ja leider auch immer Testleiter bedeutet, beschäftige, wächst in mir der Eindruck einen ziemlich wichtigen Aspekt meines zukünftigen Berufes nicht zu kennen.

Ich hoffe hier finden sich einige geduldige Menschen, die bereit sind mir ihr wissen mitzuteilen.

Liebe Grüße

Alceste
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Re: Bitte um Hilfe

Beitragvon PonderStibbons » Di 27. Mär 2012, 08:34

Was will mir das sagen? Sind 25% Varianz nicht ein bisschen wenig, davon ausgehend, dass 100% das eigentlich angestrebte Ziel wären?

Ob irgendjemand ernsthaft angenommen hat, durch ganze 2 Messwerte ließe sich zu 100%
die spätere Durchschnittnote vorhersagen, sei dahingestellt. Aber 25% sind eine eher hohe
Varianzaufklärung, gemessen an dem, was in den empirischen Humanwissenschaften
üblicherweise an Vorhersageleistung erreicht wird (es entspricht einer Korrelation von 0,5).
Und was ist genau mit Varianz der Durchschnittsnoten gemeint? Kann ich nun anhand der Kombination von Highschoolnoten und Testergebnissen einer Person X, eben dieser 25% der Streuung ("also deine Noten werden sich im Rahmen von 3-6 bewegen") ihrer Durchschnittsnoten im ersten Collegejahr voraussagen?

Varianzaufklärung bezieht sich zunächst einmal auf Gruppen. Person A unterscheidet sich von
B, beide von C, alle von D usw. Ein Viertel dieser Unterschiede war mit den beiden Prädiktoren
assoziiert. Natürlich kann man anhand der Studienergebnisse auch individuelle Vorhersagen
treffen ("Wenn Person XY die Schulnote X1 und Testgergebnis X2 hat, dann wird Ergebnis Y
vorhergesagt. Mit der zu erwartenden Unsicherheit NN").
Was aber ist mit dem Rest der Varianz?

Messfehler in der abhängigen Variablen; sonstige Einflussfaktoren, die durch die Messung der
Vornote und den Test nicht eingebracht wurden.
Eine weitere Frage, die ich mit mir herumtrage ist hieran eng angelegt: der Korrelationskoeffizient r soll laut wikipedia ab 0.5 in psychologischen tests als "gut" gelten. Kann man das Ding irgendwie in Prozent umrechnen?

Varianzaufklärung ist r² auch genannt R².
Finally eine Frage zur Normalverteilung. Ich meine mal in der Schule gehört zu haben, dass sich diese nur ab einer bestimmten Befragungsgröße ergibt (ich glaube wir hatten das damals mit Ziehungen und Stochhastik).

Das ist in eher falsch bzw. falsch formuliert. Man muss schauen, worüber man redet: über die
Verteilung von Stichprobenwerten, oder über die Verteilung der Werte in der Grundgesamtheit,
aus der Stichproben stammen, oder über die Verteilung von Stichproben-Mittelwerten (wie sich
der Mittelwert verteilt, wenn ich immer und immer wieder neue Stichproben aus einer
Grundgesamtheit ziehe). Mittelwerte von Stichproben verteilen sich normal, wenn die Stichprobe
eine ausreichende Größe hat (zentraler Grenzwertsatz). Stichproben selber, wie auch die
Grundgesamtheiten, aus denen sie stammen, können verteilt sein wie sie wollen. Es wird
argumentiert, dass durch den Einfluss sehr vieler Faktoren auf eine Variable sich schließlich eine
Normalverteilung dieser Variablen ergibt. Aber das hat nichts mit großen oder kleinen Stichproben
zu tun. Generell findet man eigentlich nie genau normalverteilte Größen, aber oft "annähernd
normalverteilte", was sich z.B. anhand ausreichend großer Stichproben durch grafische Methoden
zeigen lässt.
Der Grund warum mich das interessiert ist folgender: Häufig sind Klassenarbeiten ja irgendwie Normalverteilt,

Ist das so? Falls ja, bildet das vermutlich eher die bewusste Notengebungspraxis ab, als
dass es den Leistungsstand wiedergibt.

Mit freundlichen Grüßen

P.
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Re: Bitte um Hilfe

Beitragvon Alceste » Di 27. Mär 2012, 14:37

Super vielen Dank erstmal lieber P, das hat doch ziemlich zu meiner Erhellung in dem Feld geführt. Dennoch möchte ich nocheinmal Nachhaken.
Mein erster Punkt bezieht sich nochmal auf die Varianzaufklärung bzw. die Interpretation dieses Wertes. Wenn wir in unsere Betrachtungen einbeziehen, dass Noten, bzw. deren Mittelwerte erst über die Hochschulzugangsberechtigung entscheiden (in gewissen Studiengängen, abhängig vom Ort) würdest du sagen, dass es sich bei einer Varianzaufklärung von 25% (ich hoffe ich habe das richtig formuliert) um ein adäquates bzw. valides Mittel zur Selektion von StudienbewerberInnen handelt (ich muss präzisieren: ungeachtet der praktikabilität: Also ob es überhaupt ein adäquateres Mittel gibt und wenn ob dieses auch zu "handeln" wäre).
Dann wüsste ich gerne wie sich die sogenannte zu "erwartende Unsicherheit" ergibt ist die in dem Prozentwert mit enthalten? Wenn nicht, kann man das umrechnen, denn das würde mich jetzt wirklich brennend interessieren, um mir vor Augen zu führen in wie weit Noten ihrem Anspruch genügen.
Dann noch zur Normalverteilung bzw. den normal verteilten Klassenarbeiten:

st das so? Falls ja, bildet das vermutlich eher die bewusste Notengebungspraxis ab, als
dass es den Leistungsstand wiedergibt.


Unabhängig davon, dass ich das gleiche Denke, kann ich dafür keine wirklich logische Erklärung finden. Intelligenz soll sich ja angeblich auch normal verteilen, wäre die Normalverteilung von Noten nicht auch irgendwie logisch? Wie würdest du deinen Zweifel an solchen Ergebnissen begründen?
Ebenfalls in diesem Zusammenhang:
Die hier in Deutschland verwendete Notenskala ist ordinal verteilt (bin mir immer noch nicht sicher, ob das der richtige Terminus ist): Dsa will heißen, dass zum ersten die Skala ungleichgewichtet ist: 1-4 = 4 Stufen die insgesamt 50% umfassen, 5-6 zwei Stufen die aber ebenfalls 50% umfassen. Ferner sind die Stufen nicht in gleichem Abstand verteilt (wiki gibt folgendes an):


Note (Bezeichnung) Punkteschlüssel in Prozent der erreichbaren Punktzahl
1 (Sehr gut) 100–90
2 (Gut) 89–80
3 (Befriedigend) 79–64
4 (Genügend) 63–51
5 (Nicht genügend) 50–0

Welchen Einfluss hat denn so eine Skala im gegensatz zu einer gleichförmigen auf die Normalverteilung?

Liebe Grüße

Alceste
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Re: Bitte um Hilfe

Beitragvon PonderStibbons » Di 27. Mär 2012, 15:22

würdest du sagen, dass es sich bei einer Varianzaufklärung von 25% (ich hoffe ich habe das richtig formuliert) um ein adäquates bzw. valides Mittel zur Selektion von StudienbewerberInnen handelt

Weiß ich nicht. Kommt auf die Grundrate der Geeigneten und auf die Selektionsquote an. Und
welche alternativen Methoden es gäbe und was diese leisten, bzw. welche ergänzenden Methoden.
Dann wüsste ich gerne wie sich die sogenannte zu "erwartende Unsicherheit" ergibt ist die in dem Prozentwert mit enthalten?

Je größer die Varianzaufklärung, desto genauer auch die Prognose im Einzelfall.
Unabhängig davon, dass ich das gleiche Denke, kann ich dafür keine wirklich logische Erklärung finden. Intelligenz soll sich ja angeblich auch normal verteilen,

Das ist das zugrundegelegte Modell, auf das hin dann die Tests
so konstruiert werden, dass es in etwa eine Normalverteilung
der Testleistungen gibt.
wäre die Normalverteilung von Noten nicht auch irgendwie logisch?

Selbst wenn Noten eine (in der Gesamtpopulation normalverteilte Fähigkeit)
widerspiegeln, müssten aufgrund der Selektionsmechansimen im Schulwesen in
den einzelnen Schulformen die "Fähigeren" bzw. die "Weniger Fähigen" in der
Verteilung fehlen, diese wäre schief.

Andererseits ist bekannt, dass die Selektion, zumindest im deutschen Schulwesen,
mehr mit sozialer Herkunft als mit Fähigkeiten zu tun hat.

Letztlich eine empirische Frage.
Welchen Einfluss hat denn so eine Skala im gegensatz zu einer gleichförmigen auf die Normalverteilung?

Eine ordinale Skala kann keine Normalverteilung produzieren, weil das Skaleniveau nicht ausreicht.
Ob Schulnoten wirklich nur ordinal sind, weiß ich nicht. Will man die 6 Notan als Intervallskala
auffassen, ist es eine empirische Frage, ob sich hierbei eine entfernt an eine Normalverteilung
gemahnende Notenverteilung ergibt.
Liebe Grüße

Sowas lass mal besser.

Mit freundlichen Grüßen

P.
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Re: Bitte um Hilfe

Beitragvon Alceste » Di 27. Mär 2012, 17:02

Okay nochmal vielen Dank für die Unterstützung, allerdings muss ich sagen, sind die Antworten für mich immeroch unbefrierdigend, was aber sicherlich nicht an deinen Antoworten, liegt sondern eben an der Tatsache, dass sich mir mit jeder neuen Antwort mehrere neue Fragen stellen. Insbesondere die Frage nach der Projektion, also inwiefern beeinflusse ich durch den Aufbau meiner Untersuchung das Ergebnis derselben (das wäre galube ich eine Frage der Validität, womit ich mich insbesondere auf deine Aussage zur Normalverteilung der Intelligenz beziehe), da ich hier durch ein Kernthema meiner bisheringen Arbeiten in Literaturwissenschaft (Rassismus und somit auch eugenik, Intelligenz etc.) bereits in Berührung gekommen bin (the Bell curve wäre wohl ein ziemlich prominentes Beispiel für ein realität verzerrendes, rassisches Denken förderndes pseudo emprisches "Ding").
Ich sehe schon, Statistik bringt eine ganz eigene "Denke" mit die durchaus interessant und aufschlussreich ist, insbesondere um tatsächlich effektiv mit solchen Zahlenjonglagen umgehen zu können. Mal schauen, evtl. mogele ich mich mich mal in eine Vorlesung im nächsten Semester.
Das Einzige was ich an deiner Antwort nicht verstanden habe ist der letzte Kommentar... Bin ich da fahrlässig in ein Fettnäpfchen gesprungen ?

Mit freundlichen Grüßen (falls das hier der richtige Ton im Forum sein sollte)

Alceste.
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Re: Bitte um Hilfe

Beitragvon PonderStibbons » Di 27. Mär 2012, 19:02

Tja, das ist jetzt natürlich off-topic... ich reagiere mittlerweile
allergisch darauf, in einem Webforum von wildfremden Leuten
"lieb" gegrüßt zu werden (in der Regel auch noch in Form des
stinkfaul-unhöflich-ranschmeisserischen "Lg").

Noch gutes Gelingen!

P.
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Re: Bitte um Hilfe

Beitragvon Alceste » Mi 28. Mär 2012, 13:11

Ah okay, ich hatte einen Moment lang Angst auf dem Schlauch zu stehen :lol: Ich kann das voll und ganz nachvollziehen, mit freundlichen Grüßen evoziert für mich persönlich jedich eine Distanz, die häufig bereits eine Art Feindseligkeit impliziert (wuasi die etwas harmolosere Variante von Hochachtungsvoll). Letztendlich wird aber wohl jede Grußformel mit der Häufigkeit ihrer Anwendung zur leeren Worthülse. Sei dir versichert, ich war durch "lieben Grüße" versucht meine (innere) Verbundenheit für deine Hilfe auszudrücken :)
Wie auch immer,

bis demnächst
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