Welche multivariate Analyse

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Welche multivariate Analyse

Beitragvon Benno123 » Mi 8. Mai 2019, 19:10

Hallo liebe Community!

Für die Erstellung eines Projektplans im Bereich der Medizin benötige ich eure Hilfe. Ich möchte den Einfluss mehrerer Variabeln (Alter, Geschlecht, Tumorstadium etc.) auf ein Zeitintervall (in meinem Fall: Anzahl der Tage zwischen Operation und Beginn der Chemotherapie) testen. Es handelt sich um ca. 120 Patientin. Ich hätte mir folgende Tests überlegt: multiple lineare Regression oder Cox-Regression? Bin ich da völlig am falschen Dampfer? Was sind die Vorteile/Nachteile? Habt ihr bessere Ideen? Leider bin ich was Statistik betrifft nur Laie, ihr könnt mir aber sicher helfen.

Vielen Dank!
Benno123
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Re: Welche multivariate Analyse

Beitragvon PonderStibbons » Mi 8. Mai 2019, 20:25

Kommt zunächst einmal darauf an, ob alle Patient/innen eine Chemotherapie starten oder einige nicht.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Welche multivariate Analyse

Beitragvon strukturmarionette » Do 9. Mai 2019, 00:25

Hi,

bedeutet 'Projektplan' bei Dir, dass aus bestehenden Daten ('retrospektiv') was rausgefischt wird oder der Beginn einer neuen Studie mit neu zu erfassenden Daten?

Gruß
S.
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Re: Welche multivariate Analyse

Beitragvon bele » Do 9. Mai 2019, 11:24

Hallo Benno,

Du bist mit dem Vorschlag einer multiplen linearen Regression erstmal nicht auf dem falschen Dampfer. Ich würde immer erstmal mit der einfachen multiplen lineare Regression beginnen und wenn man dann sieht, dass die Residuen komisch verteilt sind oder ähnliches, dann kann man immer noch über kompliziertere Abwandlungen der linearen Regression nachdenken. Sei nur bitte vorsichtig mit der Zahl der Einflussvariablen, die kann auch bei n = 120 rasch zu groß werden: Alter wirst Du einmal normal und einmal im Quadrat aufnehmen wollen, brauchst dafür zwei Koeffizienten, für Geschlecht brauchst Du einen weiteren, T-Stadium sind rasch drei, N-Stadium ebenfalls drei bis vier, M-Stadium nochmal einer, Wundheilungsstörungen nochmal einer und schon hast Du nur noch 10 Datensätze pro geschätztem Koeffizient und sehr viel weniger sollten es nicht werden. Dabei willst Du noch Rauchverhalten und Alkoholgebrauch, wahrscheinlich den erreichten Bildungsabschluss und so weiter auch noch untersuchen.
Fazit: Du bist nicht auf dem falschen Dampfer, aber es kommt auf die Details an.

LG,
Bernhard
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Re: Welche multivariate Analyse

Beitragvon strukturmarionette » Do 9. Mai 2019, 11:36

Hi,

(in meinem Fall: Anzahl der Tage zwischen Operation und Beginn der Chemotherapie)

- Für die Auswahl statistischer Procederes (u.a.) steht immer zunächst eine fachliche Begründung dahinter.
(Es sei denn, es geht nur um ein: 'Mach mir Signifikanzen darein'..)
- Wie sieht das bei Dir aus? Was ist die fachliche Beründung für die AV-Tagesdifferenzen?

Gruß
S.
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Re: Welche multivariate Analyse

Beitragvon Benno123 » Do 9. Mai 2019, 18:59

Die Arbeit ist rektospkertiv, alle Patientin die eingeschloßen sind haben auch tatsächliche eine Chemotherapie erhalten. Von den zu untersuchenden Variablen sind es sicherlich mehr als 10 (z.B. auch Operationsmethode, BMI etc.) Die fachliche Begründung dahinter ist, dass eine Therapieverzögerung über ein gewisses Maß zu einem schlechteren Outcome führt, dies ist in Arbeiten natürlich schon gezeigt, die Anzahl der Tage soll als Qualitätsindikator für unser Zentrum dienen.
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Re: Welche multivariate Analyse

Beitragvon PonderStibbons » Do 9. Mai 2019, 20:15

Die Stichprobendefinition (Einschlusskriterien) ist eventuell erklärungsbedürftig.

Wenn die Einrichtung (fiktives Szenario) derart chaotisch/schlecht/mörderisch ist, dass 40% derjenigen, die eigentlich eine Chemotherapie erhalten sollten, vorher sterben, den Behandler wechseln oder aus sonstigen unbekannten Gründen keine Chemotherapie erhalten, dann stellt sich die Frage nach dem Nutzen von Studienergebnissen, die an der auserlesenen Gruppe derjenigen gewonnen wurden, die solche Fährnisse überwunden haben. Normalerweise würde ich als Stichprobe ITT voraussetzen.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Welche multivariate Analyse

Beitragvon Benno123 » Do 9. Mai 2019, 21:45

Patientin die keine Chemotherapie erhalten sind uns natürlich aus internen Qualitätsanalysen und Zertifizierungen bekannt. Die Anzahl der Patientin die eine Chemotherapie überhaupt erreichen ist somit ein eigener Qualitätsindikator.
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Re: Welche multivariate Analyse

Beitragvon PonderStibbons » Fr 10. Mai 2019, 08:27

Es wirkt eigenartig, dass die Studienabbrecher von vornherein ausgeschlossen werden,
wenn es um die Frage geht, welche Merkmale mit der Länge des Intervalls assoziiert sind.
Ist das denn die übliche Vorgehensweise bei solchen Projekten?

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Welche multivariate Analyse

Beitragvon bele » Fr 10. Mai 2019, 10:41

@PonderStibbons Ich als Arzt empfinde nichts ungewöhnliches an der isolierten Betrachtung einer "Subgruppe derer, die den normalen Behandlungspfad durchlaufen". Patienten, die trotz geplanter Chemotherapie zwischen Operation und Chemotherapie versterben oder so stark erkranken, dass sie nicht mehr chemotherapiefähig sind, sind hoffentlich die Ausnahme und werden im Rahmen von sogenannten Morbidity and mortality conferences als Einzelfall aufgearbeitet. Die große Zahl derer, bei denen nichts augenfälliges geschieht, dann trotzdem nochmal mit statistischen Mitteln aufzuarbeiten und so nach systematischen Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen, ist prima vista legitim.
In statistischen Begriffen läuft es wahrscheinlich auf die Frage hinaus, ob der Outlier einer anderen Grundgesamtheit zuzuschreiben und deshalb anders zu behandeln ist.

@Benno Bitte krieg mal für Dich klar, wieviele "sicherlich mehr als 10" sind und ob es Dir um eine Beschreibung Deiner Stichprobe geht, oder ob es Dir um Signifikanznachweise geht.

LG,
Bernhard


Nachtrag: Zur Erläuterung des Hintergrunds und damit zu PonderStibbons Rückfrage erzähle ich ein Beispiel: Nehmen wir an, ein Patient hat einen Krebs am Zungenrand, genau da, wo er in den letzten dreißig Jahren immer das Mundstück von der Pfeife hängen hatte. Der HNO-Chirurg schneidet den Krebs heraus soweit Seh- und Tastsinn den Tumor erfassen. Ob es aber noch mikroskopisch winzige Krebszellhaufen in der näheren Umgebung gibt, weiß keiner. Dann kann man die Umgebung nach der Operation bestrahlen und hoffen, dass genügend Strahlen-Materie-Interaktion an den richtigen Stellen stattfindet, dass ausreichend viele dieser Tumorzellen getroffen werden. Die Bestrahlung soll also nicht den Tod in den nächsten 3 Monaten verzögern, sondern ein erst in zwei Jahren sichtbares Redzidiv verhindern. Blöd ist es, wenn bei der Bestrahlung des Mundes dann eine Reihe kariöser Zähne anfängt zu Eitern, weil das Immunsystem unter der Bestrahlung die Bakterien nicht im Zaum halten kann. Also schickt man den Patienten vor der Bestrahlung zum Zahnarzt, der das alles sanieren soll. Zahnärzte sind keine Krebsärzte und in meiner früheren Klinik haben die mit ihrer Zahnbehandlung die Fälle immer mal wieder verschleppt. Da wurden dann alte Röntgenaufnahmen vom Haus-Zahnarzt angefordert, um Strahlenbelastung zu sparen, wo man vor der Strahlentherapie sicher keine Strahlenbelastung sparen muss und ähnliche lustige Schnittstellenprobleme. Solche Probleme kann man mit der hier angedeuteten Studie vielleicht finden und den Chef der Zahnklinik mit der Frage konfrontieren, ob eine Zahnsanierung wirklich _bereinigt_ X Tage dauern muss.
Dafür muss natürlich Zahnbehandlung ja/nein ein Prädiktor in der Regression sein, wenn es um Kopf-Hals-Karzinome gehen sollte. Der eine Patient, der zwischen OP und Bestrahlungstermin einen Herzinfarkt hatte, der stört bei der Beurteilung nur.
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