Suppression?

Suppression?

Beitragvon statistik_arbeit » Sa 1. Jun 2019, 11:52

Hallo zusammen,

ich habe mehrere Mediationsanalysen durchgeführt und habe ein paar Probleme bei der Interpretation, ein Beispiel-Pfadmodell (mit standardisierten Regressionskoeffizienten):

UV -> Mediator: -.25*
UV+Mediator -> AV: -.37** (beta-Gewicht Mediator)
direkter Effekt UV -> AV: .02
Gesamteffekt UV -> AV: .11
indirekter Effekt: .09*

(* p < .05, ** p < .01)


Wenn man den indirekten und direkten Effekt vergleicht, könnte man zu dem Schluss kommen, dass eine vollständige Mediation vorliegt, da der direkte Effekt nicht signifikant ist. Das Problem dabei ist, dass, wenn ich eine Anova mit der UV und AV rechne, finde ich gar keinen signifikanten Effekt. Dies zeigt ja auch der Gesamteffekt, der nicht signifikant ist.
Deswegen habe ich mich gefragt, ob eine Suppression bzw. inkonsistente Mediation vorliegt, weil der indirekte Effekt ja aber signifikant positiv ist. Dabei ist aber das Problem, dass der direkte Effekt noch nicht mal tendenziell negativ, geschweige denn signifikant negativ ist. Müsste der direkte Effekt nicht negativ sein, wenn ich davon ausgehen würde, dass noch eine weitere Mediation vorliegt, über die die UV auf die AV negativ einwirkt?
Ich weiß nun nicht wie ich die Ergebnisse erklären soll, wieso werden kein signifikanter Haupteffekt in der Anova und auch kein signifikanter Gesamteffekt gefunden, aber ein signifikanter positiver indirekter Effekt, der direkte Effekt ist aber trotzdem tendenziell positiv bzw. nicht signifikant negativ?


Leider kommen Mediationen bei uns erst im Master, deswegen verstehe ich davon noch nicht viel, ich würde mich freuen, wenn mir jemand hier weiterhelfen könnte. Vielen Dank im Voraus!
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Re: Suppression?

Beitragvon PonderStibbons » Sa 1. Jun 2019, 14:08

Wie groß ist denn die Stichprobe?

Unterschiede zwischen zwei fast-Null Koeffizienten 0,09 versus 0,02 zu interpretieren,
bloß weil der eine mit einem p-Wert eine arbiträre Schranke unterschreitet, der andere
nicht, kommt mir ein bisschen hergeholt vor. Inferenzstatistisch signifikant heißt ja nicht
wichtig oder relevant, nichtsignifikant heißt nicht inexistent.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Suppression?

Beitragvon statistik_arbeit » Sa 1. Jun 2019, 14:45

Vielen Dank für deine Antwort!

Meine Stichprobe umfasst 409 Versuchspersonen. Die Relevanz wollte ich auch auf jeden Fall diskutieren, mir ist klar, dass auch super kleine Effekte aufgrund der so großen Stichprobe signifikant werden.

Ich verstehe nicht so ganz, wie es sein kann, dass der indirekte Effekt (.09) signifikant ist, der Gesamteffekt (.11), der ja tendenziell (sicher nicht signifikant) größer als der indirekte Effekt ist, aber nicht?

Was kann es denn sonst für eine Erklärung dafür geben, dass der indirekte Effekt signifikant ist, der Gesamteffekt aber nicht?
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Re: Suppression?

Beitragvon PonderStibbons » Sa 1. Jun 2019, 15:17

Ich verstehe nicht so ganz, wie es sein kann, dass der indirekte Effekt (.09) signifikant ist, der Gesamteffekt (.11), der ja tendenziell (sicher nicht signifikant) größer als der indirekte Effekt ist, aber nicht?

Inferenzstatistische Signifikanztests setzen den Koeffizienten in Bezug zu seinem Standardfehler.
0,11 war mit einem größeren Fehler assoziiert als 0,09.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Suppression?

Beitragvon Holgonaut » Mo 3. Jun 2019, 20:10

Hi,

kannst du mal genauer schildern, was du genau gemacht hast? Du sprichst von mehreren Modellen. Was beinhalteten die? Ich vermute (bitte korrigieren), dass der .11-Effekt in einem Modell aufgetreten ist, in dem der Mediator nicht vorhanden war. Wenn das stimmt, ist durch die Hinzunahme des Mediators (der ja anscheinend einen dicken Effekt auf die AV hat), das R2 der AV substantiell gestiegen. Dies reduziert wieder rum die Standardfehler, was zu dem von PonderStibbons geschilderten Anstieg der power führt. Hier ist eine kleine Simulation, die das zeigt (falls du R benutzt).

Die eingesetzten Werte sind Nonsens, aber der Punkt ist, das der x-y-Effekt im Modell 1 (ohne Mediator) einen t-Wert von 1.3 hat, aber der indirekte Effekt in Modell 2 (inkl. Mediator)--sichtbar an der letzten Zeile ("ind")--einen t-Wert von 1.9. Zwar sind beide n.s, aber der Punkt sollte klar sein.
Die Syntax kannst du so durchlaufen lassen (musst nur lavaan downloaden und die Raute for library löschen.

Grüße
Holger
P.S. Ich bin sehr froh über Deinen Post (selbst wenn meine o.g. Annahmen falsch sind), weil das Beispiel einen weiteren Nutzen von Mediatoren zeigt!

set.seed(123)
x = rnorm(409)
m = .25*x + rnorm(409)
y = .02*x + .10*m + rnorm(409)

data <- as.data.frame(cbind(x,m,y))

#library(lavaan)

model1 <- '
y ~ x'

summary(sem(model1, data=data))


model2 <- '
y ~ x + a*m
m ~ b*x
ind:=a*b'

summary(sem(model2, data=data))
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Re: Suppression?

Beitragvon statistik_arbeit » Di 4. Jun 2019, 19:44

Wow, erst mal vielen Dank für die super ausführliche Antwort und die Simulation, das hilft mir sehr!

Ich meinte mit mehreren Mediationsanalysen/Pfadmodellen eigentlich, dass ich unterschiedliche Mediatoren untersucht habe (allerdings einzeln) und bei mehreren die Ergebnisse so wie in dem Beispiel-Pfadmodell waren. Aber du hast natürlich Recht, ich habe pro Mediator zwei lineare Modelle berechnet (1. UV -> Mediator 2. UV + Mediator -> AV) und dann den "mediate"-Befehl in R ausgeführt. Da habe ich den direkten Effekt, indirekten Effekt und Gesamteffekt (.11) her. Der Gesamteffekt entspricht aber, so wie du angenommen hast, dem Beta-Gewicht der UV des Modells UV -> AV (also ohne den Mediator). Vielen Dank noch einmal!
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