Anpassung der Hypothesen an Daten! Legitim???

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Anpassung der Hypothesen an Daten! Legitim???

Beitragvon Sportstudentin » Mi 4. Apr 2012, 19:58

Liebe Forschungserfahrene Leute

Könnt ihr mir bei meinem Problem, das sich bei der Datenauswertung für meine Masterarbeit zeigt, weiterhelfen??? Folgende Schwierigkeit stellt sich mir: Meine zwei ursprünglichen Hypothesen sind sehr präzise:

...Ausgehend von diesen Überlegungen ergibt sich die Annahme eines umgekehrt u-förmigen Zusammenhangs zwischen der VAriable „Veridikalität_Selbsteinschätzung_kat“ und der sportlichen Leistung: die Realisten werden am Scheitelpunkt, die leichten Überschätzer an zweiter Stelle, die Unterschätzer in der Mitte(Fussnote: siehe unten) und die starken Überschätzer auf dem Schlussrang angenommen. Die Hypothese H1 lautet somit: Je realistischer sich Sportstudierende wahrnehmen, desto funktionaler wirkt sich ihre Selbsteinschätzung auf ihre sportliche Leistung aus.
Fussnote: Angesichts dessen, dass Unterschätzung in der Literatur unabhängig vom Ausmass im Leistungsbereich negativ beurteilt wird, werden die sich zu tief einstufenden Personen nicht wie bei den Überschätzern in leichte und starke Überschätzern unterteilt, sondern zu gunsten der varianzanalytischen Stichprobenvoraussetzungen zu einer Kategorie zusammengafasst. Somit ist anzunehmen, dass die Gruppe der Unterschätzer mit ihrer durch-schnittlichen Leistung zwischen den leichten und den starken Überschätzern zu sstehen kommt.

...Als Konsequenz dieser Argumentation wird analog der physischen Leistung ein umgekehrt u-förmiger Zusammenhang vermutet, mit den Realisten an der Spitze, den leichten Über-schätzer an zweiter Stelle, den Unterschätzern auf mittlerer Position und den starken Über-schätzern zu unterst. Somit ergibt sich als Hypothese H2: Je realistischer sich Sport-studierende wahrnehmen, desto funktionaler wirkt sich ihre Selbsteinschätzung auf ihre kognitive Leistung aus.

Für so präzise Hypothesen, die eigentlich bereits definieren, welche Gruppen sich wie unterschieden, empfiehlt sich ja eine Kontrastanalyse. Aber bereits bei der deskriptiven Ebene zeigt sich, dass nach den Realisten nicht die leichten Überschätzer, sondern die Unterschätzer kommen und erst als drittes die leichten Überschätzer (und als letztes, wieder gemäss Hypothese die starken Überschätzer).
somit macht eine Kontrastanalyse ja keinen Sinn, weshalb ich ja eine Varianzanalyse mit post hoc Test durch führe. Aber auch bei der VArianzanalyse macht es ja keinen Sinn, die postulierten Hypothesen zu überprüfen, weil bereits deskriptiv ersichtlich wird, dass sie zumindest teilweise nicht sitmmen. Ist es legitim zu sagen, da die bestehenden Hypothesen bereits auf deskriptiver Ebene zurückzuweisen sind, gilt es mit der Varianzanalyse weniger präzise Hypothesen zu überprüfen, wie zum Beispiel, "eine realistische Selbsteinschätzung wirkt sich unter den verschiedenen möglichen Ausprägungsformen der Variable Veridikalität_Selbsteinschätzung_kat am positivsten auf die sportliche Leistung aus, also gewissermassen eine H1b zu formulieren und zu überprüfen? Denn eigentlich sollte man ja Hypothesen nicht aufgrund der Resultate bilden (wenn die Hypothesen dann an denselben Daten erprobt werden..)! Aber es ist ja völlig sinnlos, die zuerst formulierten Hypothesen zu prüfen, wenn man schon nach der deskriptiven analyse weiss, dass sie nicht stimmen können! Um da nicht gegen wissenschaftliche Standards zu verstossen, wäre ich sehr froh um den Rat einer Person, die Erfahrung mit Hypothesnprüfungen/Forschungspraxis/unerwarteten Resultaten hat!!! Kannst ihr mir da weiter helfen?? Vielen Dank für eure Mühe!!
Ganz liebe Grüsse
Sportstudentin
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Re: Anpassung der Hypothesen an Daten! Legitim???

Beitragvon strukturmarionette » Do 5. Apr 2012, 07:56

Hi,

nee, ich denke, dass eine Anpasssung der Arbeitshypothesen an die Daten nicht zu empfehlen ist.

Wenn sich bei diesen zwei relativ klar formulierten Arbeitshypothesen

H1:
Je realistischer sich Sportstudierende wahrnehmen, desto funktionaler wirkt sich ihre Selbsteinschätzung auf ihre sportliche Leistung aus.
H2:
Je realistischer sich Sport-studierende wahrnehmen, desto funktionaler wirkt sich ihre Selbsteinschätzung auf ihre kognitive Leistung aus.

herausstellt, dass diese aufgrund der Stichprobendaten zunächst wahrscheinlich nicht bestätigt werden können, dann ist das doch zunächst schon mal ein schönes und klares Resultat.

Einige weitere Überlegungen hierzu:
-
Dann wäre zu überlegen, ob ein Signifikanztest überhaupt Sinn macht und wenn ja, welcher angemessen ist.
-
Dann wäre zusätzlich ein Effektstärkemaß heranzuziehen
-
Dann wären ggfs. Befunde zu Deinem Forschungsfeld aus aktuellen anderen Studien zum Vergleich zu berücksichtigen.

Falls Deine eigenen Stichprobenergebnisse überhaupt nicht zu erklären (inhaltlich, sachlogisch) sind, dann könntest Die die Vorgehensweise bei der Operationalisierung Deiner Konstrukte nochmals prüfen oder vielleicht die (Entstehung Deiner) Stichprobe nochmals auf fehlerhafte Daten hin schecken.

... und dann könnte es halt sein, dass Deine theoretischen Annahmen (als Grundlage der oben genannten H1 und H2) vielleicht nix taugen.

S.
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Re: Anpassung der Hypothesen an Daten! Legitim???

Beitragvon Sportstudentin » Do 5. Apr 2012, 19:07

Lieber S.

Danke herzlich für deine rasche Antwort. Mein Bild, das sich deskriptiv abzeichnet und nur teilweise den Hypothesen entspricht könnte mit methodische Gründe haben, wie zB. die Form der Operationalisierung der abhängigen Variablen, die Untersuchungseinheit "Sportstudierende", Zeitpunkt der Befragung (zu Beginn des Studiums, wo eine Selbsteinschätzung noch schwierig ist, da man noch keine ERfahrung hat). Könnte man nun nicht sagen, dass es folglich keinen Sinn macht, die Hypothesen mittels Kontrastanalyse zu überprüfen, aber dass anstatt einer Hypothesneprüfung eine explorative Datenauswertung mittels Varianzanalyse durchgeführt werden kann, um Informationen über die tatsächliche DAtenstruktur zu gewinnen (und so eine Basis für die Formulierung neuer Hypothesen zu schaffen)?? Befunde zu meinem Forschungsfeld liefern eben kein eindeutiges Bild. Man ist sich zwar einig, dass Unterschätzung und starke Überschätzung negativ sind, aber ob eine realistische oder eine leichte Überschätzung besser ist, da streitet man sich. Und weisst du mir einen Link, wo ich g-power downloaden kann, um zu berechnen, wie gross die Effekte sein müssen, damit sie mit meinen Stichproben als signifikant erkannt werden?
Danke herzlich für deine Zeit und Mühe!
M.
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Re: Anpassung der Hypothesen an Daten! Legitim???

Beitragvon strukturmarionette » Do 5. Apr 2012, 21:57

Hi,

Vers. 3.1.3

http://www.psycho.uni-duesseldorf.de/ab ... d-register

Das mit den Effektstärkemaßen habe ich deshalb erwähnt, dass es oft (je nach Fach) zusätzlich zu Signifikanzangaben (-Tests) verlangt wird.
Insbesondere dann, wenn sehr große Stichproben verarbeitet werden, die immer zu ´signifikanten´ Ergebnissen führen.

Was Du im einzelen gerechnet hast, weiß ich natürlich nicht.

S.
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