Mediatoranalyse nach PROCESS interpretieren

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Mediatoranalyse nach PROCESS interpretieren

Beitragvon ITerlinden » Fr 29. Nov 2019, 10:45

Hallo Zusammen,

ich verzweifle derzeit an der Interpretation meiner Mediatoranalyse für meine Bachelor Arbeit. Ich habe ein einfaches Mediationsmodell berechnet:

x= Workplace Telepressure (Druck auf eingehende Nachrichten zu antworten)
M= Häufigkeit der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien nach der regulären Arbeitszeit
y= Psychological Detachment (Abschalten von der Arbeit)

Kontrollvariablen:
C1: Workload
C2: Job Demands

Nun habe ich folgende Ergebnisse:
Der direkte Effekt von x auf y scheint signifikant zu sein. Der Effekt von x auf M sowie der Effekt von M auf y wurde nicht signifikant.
Die Kontrollvariablen zeigen teils auch signifikante Ergebnisse. C1 auf M ist signifikant. Zusätzlich ist C1 & C2 auf y signifikant.

Ich frage mich jetzt, wie ich mit den Ergebnissen umgehen soll. Bedarf es noch weiterer Analysen oder kann ich grundsätzlich sagen, dass es einen signifikanten Effekt von x auf y gibt, dieser aber nicht mediiert wird über M?

Und wie ist mit den signifikanten Ergebnissen der Kontrollvariablen umzugehen?

Ich hoffe sehr auf Hilfe! :? Besten Dank im Voraus. :)
ITerlinden
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Re: Mediatoranalyse nach PROCESS interpretieren

Beitragvon PonderStibbons » Fr 29. Nov 2019, 11:04

ich verzweifle

Ach Du meine Güte. https://tinyurl.com/yamhs8gq
Nun habe ich folgende Ergebnisse:

Eine für Außenstehende nachvollziehbare Ergebnisdarstellung sollte immer die Stichprobengröße,
außerdem vorzugsweise die Höhe der Koeffizienten, die Standardfehler und die genauen p-Werte
umfassen. Die zweiseitigen Korrelationen zwischen x, M bzw. y, also außerhalb des Modells, wären
ebenfalls interessant.
Der direkte Effekt von x auf y scheint signifikant zu sein.

Das kann p=0,00000001 heißen oder p=0,0499.
Ich frage mich jetzt, wie ich mit den Ergebnissen umgehen soll. Bedarf es noch weiterer Analysen oder kann ich grundsätzlich sagen, dass es einen signifikanten Effekt von x auf y gibt, dieser aber nicht mediiert wird über M?

Scheint so, aber wie gesagt fehlen die meisten Informationen.
Und wie ist mit den signifikanten Ergebnissen der Kontrollvariablen umzugehen?

Kontrollvariablen sind inhaltlich für die Studie nicht relevant. Oder welches ist der
Grund für die Hereinnahme dieser Variablen bzw. ihre Funktion?

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Mediatoranalyse nach PROCESS interpretieren

Beitragvon Holgonaut » Sa 30. Nov 2019, 14:42

Hi ITerlinden,

als ich spontan Deine Modellbeschreibung gesehen habe, hatte ich apriori Zweifel an der Korrektheit der Sequenz und würde eher vermuten, dass die vermehrte Nutzung zu Detachment führt und letzteres sich dann in dem erhöhten Pressure wiederspiegelt.

Die Ergebnisse spiegeln das wieder:
-- Du bekommt keinen Effekt von pressure auf Häufigkeit. Grund ist wahrscheinlich, dass sie zu weit in der Kette auseinander liegen und du unter Kontrolle weitere Variablen UV und AV umdrehst
-- Du bekommst keinen Effekt von Häufigkeit auf detachment. Ist das der Fall unter Kontrolle von pressure? Wenn ja, ist das ein collider bias, weil du in einem Effekt von einer X auf einer Y-Variable einen "descentent" (Folge) von Y kontrollierst.

Wenn du magst, kannst du die Korrelationen aller 5 Variablen mal posten, dann teste ich die Alternative mal. Wie du mit diesem Ergebnis in Deiner Arbeit post-hoc umgehst, musst du mit Deinem Betreuer klären, damit du nicht in die HARKing-Falle tappst.

Grüße
Holger
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Re: Mediatoranalyse nach PROCESS interpretieren

Beitragvon ITerlinden » Sa 30. Nov 2019, 15:28

Hallo und vielen Dank für die Antworten!

als ich spontan Deine Modellbeschreibung gesehen habe, hatte ich apriori Zweifel an der Korrektheit der Sequenz und würde eher vermuten, dass die vermehrte Nutzung zu Detachment führt und letzteres sich dann in dem erhöhten Pressure wiederspiegelt.


Laut Forschungsstand ist ziemlich eindeutig, dass der Workplace Telepressure zu weniger Psychological Detachment führt. Begründung dafür ist, dass der Druck (Workplace Telepressure) den Arbeitnehmer erfahren, das Abschalten von der Arbeit erschwert (Psychological Detachment).

Die Ergebnisse spiegeln das wieder:
-- Du bekommt keinen Effekt von pressure auf Häufigkeit. Grund ist wahrscheinlich, dass sie zu weit in der Kette auseinander liegen und du unter Kontrolle weitere Variablen UV und AV umdrehst
-- Du bekommst keinen Effekt von Häufigkeit auf detachment. Ist das der Fall unter Kontrolle von pressure? Wenn ja, ist das ein collider bias, weil du in einem Effekt von einer X auf einer Y-Variable einen "descentent" (Folge) von Y kontrollierst.

Wenn du magst, kannst du die Korrelationen aller 5 Variablen mal posten, dann teste ich die Alternative mal. Wie du mit diesem Ergebnis in Deiner Arbeit post-hoc umgehst, musst du mit Deinem Betreuer klären, damit du nicht in die HARKing-Falle tappst.


Ich habe die Mediation mit dem PROCESS Makro von Hayes durchgeführt. Leider kann ich hier keine Dateien hochladen, daher schicke ich die Auswertung der Mediatoranalyse und die Korrelationen mal per Dropbox Link. Ich hoffe daraus wird einiges deutlicher. Die Stichprobe ist N=103
https://www.dropbox.com/sh/io5oq1uugrcj ... bqWMa?dl=0


Grüße
-IT
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Re: Mediatoranalyse nach PROCESS interpretieren

Beitragvon Holgonaut » Sa 30. Nov 2019, 19:27

Hi,

ich schau mir das morgen mal an. Bis dahin:

Laut Forschungsstand ist ziemlich eindeutig, dass der Workplace Telepressure zu weniger Psychological Detachment führt. Begründung dafür ist, dass der Druck (Workplace Telepressure) den Arbeitnehmer erfahren, das Abschalten von der Arbeit erschwert (Psychological Detachment).


Zwei Anmerkungen
a) Die Aussage bezieht sich auf den objektiven Druck, korrekt? Ich nehme an, dass Druck per self-report erhoben wurde. Das kann zu einer anderen Kette führen. Kannst du sagen, wie du Druck gemessen hast?

b) Zu "Forschungsstand ist eindeutig": Da würde mich mal interessieren, worin der Forschungsstand genau besteht, wie dort die Variablen gemessen wurden (s. "a") und welche Designs angewandt wurden. Deine Ergebnisse widersprechen diesem Forschungsstand ja, was ein wichtiger Add-on wäre.

Grüße
Holger
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Re: Mediatoranalyse nach PROCESS interpretieren

Beitragvon Holgonaut » So 1. Dez 2019, 11:15

Hi ITerlinden,

Ich hab Deine Korrelationsmatrix mal durch TETRAD gejagt. Das ist eine software zur Exploration möglicher kausaler Strukturen. Sie zeigt dir in einem Pfaddiagramm integriert alle möglichen Modelle an, die mit den Daten zusammenpassen. Das Ergebnis ist hier: https://www.dropbox.com/s/0k037982k0v26 ... e.png?dl=0 (den link werd ich 1 Woche aktiv halten).

Zentral ist hier die Interpretation der Linien mit den Kreisen. Diese ist eine Visualisierung der kausalen Ambiguität. Was klar ist (aufgrund Deiner Daten):
a) Die "Nutzung" ist völlig unkorreliert mit allen anderen Variablen und spielt (wie gesagt unter Berücksichtigung der geringen Power) keine Rolle. Dies sieht man bereits in Deiner Korrelationsmatrix.
b) Die anderen 3 Variablen sind in einer Kette angeordnet, aber die Effektrichtungen sind unklar. Hier spielt jetzt die theoretische Plausibilität eine zentrale Rolle.

Welche Modellmöglichkeiten in Frage kommen:
1) Job demands --> detachment --> (perceived) pressure) (das wäre mein Favorit)
2) Job demands <-- detachment --> pressure (d.h. die Wahrnehmung beider Stressoren reflektiert die zugrundeliegende Belastetheit/mangelnde Erholung)
3) Job demands <-- detachment <--> pressure (Detachment führt zur verzerrten Wahrnehmung von job demands; die Beziehung zwischen detachment und pressure ist spurious und geht auf unbeobachtete confounder zurück
4) Job demands <--> detachment --> pressure (dasselbe wie bei #3, nur ist der confounder vorne und der Effekt von detachment auf pressure)

All diese Alternativen haben eines gemeinsam (deshalb sind sie daten-äquivalent): Demands und pressure korrelieren (r = .21) und diese Korrelation verschwindet, sobald detachment kontrolliert/auspartialisiert wird. Daher muss detachment in der Mitte der Kette liegen.

Das man jetzt mehrere Möglichkeiten hat, fühlt sich für dich sicher nicht gerade berauschend an, hilft aber sehr bzgl. einer bestimmten Bescheidenheit-v.a. bei Regressionsansätzen wie PROCESS, die noch viel mehr Möglichkeiten zulassen. So hat z.B. ein partielles Mediationsmodell über 40 solcher äquivalenten Alternativen!

Und immerhin kann man (wieder: N berücksichtigen) verschiedene Alternativen ausschließen:
1) Pressure + job demands --> Detachment
2) Beide Beziehungen (demands-detachment und detachment-pressure) spurious. D.h. eine Beziehungen von beiden muss kausal sein
3) Alle Modelle, in denen die "Nutzung" irgendeine Rolle spielt.

Ich weiß nicht, ob es für dich möglich ist, die Grundlagen des o.G. in Deiner BA-arbeit zu lernen. Im Grund ist das nicht schwer und da ich das ganze eingebrockt habe, würde ich dir auch weiterhelfen. Für den Fall könntest du bei deinem Ansatz bleiben und eine post-hoc-Sektion anfügen, wo du die o.g. Explorationen diskutierst.

Wenn du übrigens im Datensatz weitere Variablen hast (demografische?), dann könnte man die hinzufügen und u.U. die o.g. Möglichkeiten differenzieren.

Ich weiß, dass ist ein Kulturschock für dich. TETRAD gibt es seit den 80ern und außerhalb der Psychologie bekannt. In der Psychologie kennt das niemand und alle machen nachwievor Regressionsanalysen. Hier ist übrigens ein nettes Video von Richard Scheines, in dem er auch ein schönes Beispiel über ein Regressionsmodell zeigt, dass leider ebenfalls zu völlig falschen Schlüssen führt. https://www.youtube.com/watch?v=7gktywp6j1Y&t=1848s

Grüße
Holger
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