Welch-t-Test trotz unterschiedlicher Sichprobengröße?

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Welch-t-Test trotz unterschiedlicher Sichprobengröße?

Beitragvon Big Spender » Mo 20. Apr 2020, 20:48

Hallo zusammen!

Ich schreibe gerade meine Masterarbeit in Psychologie und versuche mit SPSS zwei Gruppen zu vergleichen, um einen Mittelwertsunterschied zu ermitteln.

Ich versuche herauszufinden, ob sich die Ausprägung eines Merkmal innerhalb zwei Stichproben (n1=19; n2=62) voneinander signifikant unterscheiden. Das sollte mit Hilfe des t-Tests geschehen, jedoch ist sowohl das Kriterium der Varianzhomogenität und das der Normalverteilung verletzt. Die Idee war also, den Welch-t-Test zu verwenden, da dieser ja robuster mit dem Kriterium der Varianzhomogenität umgeht. Die Stichprobe ist groß genug (n>30), was ja laut dem Zentralen Grenzwerttheorem der Verletzung gegenüber der Normalverteilung entgegen wirken kann.

Inwiefern stellt die unterschiedliche Stichprobengröße (n1=19: n2=62) ein Problem für die Verwendung des Welch-t-Tests dar?

Sollte lieber ein non-parametrisches Verfahren wie der Whitney-U-Test verwendet werden?

Über Rückmeldungen würde ich mich sehr freuen!

Vielen Dank bereits im Voraus!

Liebe Grüße,
Basti
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Re: Welch-t-Test trotz unterschiedlicher Sichprobengröße?

Beitragvon PonderStibbons » Mo 20. Apr 2020, 21:09

Die Welch-Korrektur wird verwendet, weil inhomogene Varianzen bei ungleichen
Stichprobengrößen zu verzerrten p-Werten führen. Bei gleichen Stichprobengrößen
braucht man ihn eigentlich nicht.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Welch-t-Test trotz unterschiedlicher Sichprobengröße?

Beitragvon Big Spender » Mo 20. Apr 2020, 21:23

Danke für die schnelle Antwort!

D.h. du würdest hier eher zum t-Test mit Welch Korrektur greifen? Stellt die fehlende Normalverteilung kein Problem dar?

Liebe Grüße,
Basti
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Re: Welch-t-Test trotz unterschiedlicher Sichprobengröße?

Beitragvon bele » Di 21. Apr 2020, 09:02

Hallo Big Spender,

ich würde gerne eine Leseempfehlung los werden
Kubinger, Klaus D.; Rasch, Dieter; Moder, Karl: Zur Legende der Voraussetzungen des t-Tests für unabhängige Stichproben,
Psychologische Rundschau (2009), 60, pp. 26-27. https://doi.org/10.1026/0033-3042.60.1.26
Ich kann das kostenlos lesen, weiß aber nicht ob das daran liegt, dass ich über die Uni zugegriffen habe. Sind nur 2 Seiten auf Deutsch, könnte aber helfen.

Was ich immer wieder interessant und erwähnenswert finde ist der BEST-Test, beschrieben von Kruschke, J. K. Bayesian estimation supersedes the t test. Journal of Experimental Psychology: General. 2012 (doi: 10.1037/a0029146)
Dort werden die Daten als t-verteilt angenommen, und die Zahl der Freiheitsgrade wird aus den Daten selbst geschätzt. So erhält man neben Schätzungen, mit welcher Wahrscheinlichkeitsverteilung man den Abstand beider Gruppen erwarten darf auch noch die Schätzung von deren Standardverteilung und eben die Freiheitsgrad und damit nicht nur eine robuste Schätzung, sondern auch noch eine Quantifizierung, wieviel dieser Robustheit nötig war. Für ein erstes damit herumspielen bietet sich die JavaScriptimplementierung von Rasmus Baath an: http://www.sumsar.net/best_online/ später kann man dann auf andere Implementierungen zurückgreifen. Ich weiß natürlich nicht, ob Du Dich bei Deiner Arbeit so weit aus dem Fenster lehnen möchtest, Bayes-Statistik zu nutzen. Wenn nicht, darfst Du den folgenden Link gerne ignorieren: https://vuorre.netlify.app/post/2017/01 ... -and-brms/
Dann hoffe ich trotzdem, dass mein erster Link bei einer Entscheidung hilft.

LG,
Bernhard
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Re: Welch-t-Test trotz unterschiedlicher Sichprobengröße?

Beitragvon Big Spender » Di 21. Apr 2020, 14:16

Vielen Dank für deine Antwort!

Aus der Literaturempfehlung von Kubinger, Rasch & Moder (2009) geht ja hervor, dass der Welch Test bei heterogenen Varianzen zu empfehlen ist.

Dennoch eine kurze Verständnisfrage: Stellt die eine Stichprobengröße von n1=19 ein Problem dar, da diese nicht normalverteilt ist und nicht größer als n=30 ist? Oder genügt es wenn n1+n2>30 ist?


Das mit dem BEST-Test behalte ich gern im Hinterkopf, ist mir allerdings für den Moment eine Nummer zu groß und weiß auch nicht wirklich, wie da mein Dozent reagieren würde.

Liebe Grüße,
Basti
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Re: Welch-t-Test trotz unterschiedlicher Sichprobengröße?

Beitragvon bele » Di 21. Apr 2020, 16:27

Stell Dir eine Maschine vor, die bei jedem Knopfdruck zufällig Geld auszahlt. In neunzehn von zwanzig Fällen zahlt sie 10 Cent aus. In jedem Zwanzigsten Fall aber x Euro, wobei ich Dir nur verrate, dass x jedes Mal anders und jedes Mal sehr groß ist. So groß, dass es Dich zu einem reichen Mann macht.

Würdest Du aus n = 19 Beobachtungen dieser Maschine einen Rückschluss auf den von ihr durchschnittlich ausgezahlten Betrag wagen wollen? Nicht wirklich! Ich habe also im Nullkommanix eine Wahrscheinlichkeitsverteilung konstruiert, die Du mit n=19 sicher nicht aussagkräftig untersuchen kannst. Es gibt solche Verteilungen wirklich. Wenn Du aus 50 6 aus 49-Lottoscheinen auf die durchschnittliche Ausschüttungsmenge schließt kannst Du Dich nachher nicht darauf berufen, dass n = 50 nach dem Zentralen Grenzwertsatz allgemein als große Zahl gehandelt wird.

Nun bist Du Psychologe und nicht Astronom und sehr wahrscheinlich hast Du es nicht mit solch abstrusen Verteilungen zu tun und wenn es sich um Skalenwerte eines Persönlichkeitsfragebogens handelte, dann würde ich persönlich den Welch-Test mit N = 19 + 62 rechnen. Das ist aber letztlich eine Bauchgefühlsentscheidung, ob Deine Daten völlig kurios verteilt sind oder irgendwie der Normalverteilung nicht so ganz völlig unähnlich.
Exakte Wissenschaft ist das nicht und wenn da ein p = 0,4999999993 herauskommt, dann wird man das auch nochmal anders bewerten als wenn da p < 0,001 herauskommt.

Sorry für die Unklarheit,
herzlichen Glückwunsch zur forscherischen Freiheit,
Bernhard
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Re: Welch-t-Test trotz unterschiedlicher Sichprobengröße?

Beitragvon Big Spender » Do 23. Apr 2020, 14:06

Vielen Dank für die Erklärung und die ausführliche Antwort!

Dann werde ich mich für den Welch Test entscheiden.

Liebe Grüße,
Basti
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