Positive Korrelation, aber negativer Regressionskoeffizient

Alle Verfahren der Regressionanalyse.

Positive Korrelation, aber negativer Regressionskoeffizient

Beitragvon TB9312 » Do 2. Jul 2020, 14:19

Hallo zusammen,

ich hoffe ihr könnt mir weiterhelfen.

Mit einer multiplen Regressionsanalyse habe ich den Zusammenhang von fünf UV (Vertrauen in den Roboter(+), Technologiebereitschaft (+), Angst vor Robotern (-), Soziale Präsenz des Roboters (+) und Nützlichkeit des Roboters (+)) auf eine AV (Kundenakzeptanz) gemessen. Es geht hierbei um den Einsatz von Robotern in Ladengeschäften. Die Zeichen in den Klammern beschreiben die vermuteten Wirkungszusammenhänge, welche auf Basis von Literatur ausgewählt wurden. Alle Variablen wurden über eine 7-Punkte Likert Scala abgefragt (1 = Strongly Disagree; 7 = Strongly Agree). N ist gleich 300.

Es geht jetzt um die Variable Vertrauen. Der vermutete Wirkungszusammenhang ist, dass je höher das Vertrauen in den Roboter, desto höher die Kundenakzeptanz. Die beiden Werte korrelieren auch signifikant miteinander (.304).
Allerdings sieht es in der multiplen Regression, in der der Einfluss aller Variablen parallel untersucht wird anders aus. Ich habe SPSS genutzt und die Methode "Einschluss".
Mit dem Modell können 53 % Varianz aufgeklärt werden (R^2) und die Ergebnisse sind auch signifikant F(5, 294) = 68.529, p < .001.

Allerdings hat die Variable Trust nun einen hoch signifikant negativen Einfluss (b = -0.223***) auf die abhängige Variable Kundenakzeptanz. Die vermutete Wirkungsrichtung aller anderen unabhängigen Variablen passt allerdings noch.

Aber die Tatsache, dass eine höheres Vertrauen einen negativen Einfluss auf die Kundenakzeptanz hat, kommt mir wirklich seltsam vor und ist theoretisch auch nicht wirklich zu begründen.

Könnt ihr mir hier weiterhelfen? Gibt es "typische" Fehler, welche oft gemacht werden, dass es zu so etwas kommen kann?

Falls ihr noch mehr Infos braucht, sagt einfach Bescheid.

Vielen Dank euch!
TB9312
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Re: Positive Korrelation, aber negativer Regressionskoeffizi

Beitragvon PonderStibbons » Do 2. Jul 2020, 14:26

Alle Variablen wurden über eine 7-Punkte Likert Scala abgefragt (1 = Strongly Disagree; 7 = Strongly Agree).

Nur zur Sicherheit: Wenn jede Variable mit nur 1 Item gemessen wurde, dann heißt das nicht Likert-Skala.
Likert-Skala bezeichnet ein Messinstrument, das aus mehreren Items vom Likert-Typ besteht, deren Werte
addiert werden.

Könnt ihr mir hier weiterhelfen? Gibt es "typische" Fehler, welche oft gemacht werden, dass es zu so etwas kommen kann?

Der Umkehreffekt ist in der Tat ziemlich markant.
Es könnte sich um einen -> Suppressoreffekt handeln.

Mit freundlichen Grüßen

PnderStibbons
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Re: Positive Korrelation, aber negativer Regressionskoeffizi

Beitragvon TB9312 » Do 2. Jul 2020, 14:30

Danke für deine schnelle Antwort!

Alle Variablen wurden mit mind. 3 Items gemessen und daraus wurde dann jeweils eine neue Variable (Durchschnitt) gebildet. Alle neu gebildeten Variablen haben ein Cronbach'sches Alpha von > 0.80.

Ja, bei meiner Recherche bin ich auch schon auf den Begriff Suppressoreffekt gestoßen, allerdings kann ich damit noch nicht so viel anfangen. Hast du dazu evtl. mehr Informationen?
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Re: Positive Korrelation, aber negativer Regressionskoeffizi

Beitragvon Holgonaut » Fr 3. Jul 2020, 08:56

Hi ( sorry Ponder, wenn ich mich einmsiche (lass dich davon bitte nicht vertreiben).

Ich stimme Ponder zu, dass du einen Suppressoreffekt oder "Z-bias" hast. Der entsteht wenn du ein Instrument kontrollierst (also eine Variable die Trust beeinflusst aber nicht die Kundenakzeptanz), die Beziehung zwischen Trust und Kundenakzeptanz aber confounded ist durch ausgeschlossene Drittvariablen.

Wenn du magst, kannst du mal die Korrelationsmatrix anhängen. Dann lass ich mal einen "causal search"-Algorithmus drüberlaufen, der das vermutlich aufdeckt. Hier noch etwas Literatur

Ding, P., VanderWeele, T., & Robins, J. (2017). Instrumental variables as bias amplifiers with general outcome and confounding. Biometrika, 104(2), 291-302. doi:10.1093/biomet/asx009

Kim, Y. (2019). The causal structure of suppressor variables. Journal of Educational and Behavioral Statistics, 1076998619825679. doi:10.3102/1076998619825679

Steiner, P. M., & Kim, Y. (2016). The mechanics of omitted variable bias: Bias amplification and cancellation of offsetting biases. Journal of Causal Inference, 4(2).

Grüße
Holger
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Re: Positive Korrelation, aber negativer Regressionskoeffizi

Beitragvon TB9312 » Fr 3. Jul 2020, 10:03

Hallo Holgonaut,

vielen Dank für deine Antwort und deine Hilfe!

Wie soll ich dir die Korrelatioxsmatrix am besten zukommen lassen? Hier mit dem Hochladen klappt das leider nicht.
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Re: Positive Korrelation, aber negativer Regressionskoeffizi

Beitragvon Holgonaut » Fr 3. Jul 2020, 10:47

Kannst sie mir mailen (siehe Signatur)

Grüße
Holger
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Re: Positive Korrelation, aber negativer Regressionskoeffizi

Beitragvon TB9312 » Fr 3. Jul 2020, 11:18

Habe dir die Mail geschickt (falls ich im Spam Ordner gelandet bin).

Danke!
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Re: Positive Korrelation, aber negativer Regressionskoeffizi

Beitragvon Holgonaut » Fr 3. Jul 2020, 14:05

Hi,

natürlich kann ich dir jetzt nicht erkären, was der Algorithmus macht. In Kurzform: Er sucht nach allen kausalen Strukturen, die mit deiner Korrelationsmatrix konistent sind. Ergebnis ist eine Abb., die die Äquivalenzklasse des Modells anzeigen. Dort gibt es mehrere Symbole (in aufsteigender Stringenz, bzw. "Orientiertheit")

[Im Nachhinein hab ich leider gesehen, dass ich den Anhang vergessen habe. Musst also bis Montag warten. Die Interpretationen kannst du aber mal testen

x o---o y bedeutet, dass es eine Beziehung gibt, aber völlig unklar ist, was was versucht
x o---> y bedeutet, dass es unklar ist, ob x die Ursache von Y ist, oder ob beide von einem "unobserved confounder" beeinflusst werden. Was allerdings "klar" ist: Y ist eine AV, keine UV. Klar heißt: eine andere Rolle von Y würde den Daten widersprechen
x ---> y bedeutet einen relativ guten support für den Effekt von X auf Y (wieder: Andere Beziehungen würden den Daten wiedersprechen.
x <----> y bedeutet einen relativen support für einen Scheineffekt, d.h. es gibt eine Korrelation, die durch einen oder mehrere unobserved confounder erzeugt wurde.

So, warum bekommst du nun die negativen Effekte? Zentraler Begriff ist der des "colliders". Das ist eine Variable auf die zwei Pfeile gerichtet sind. Es ist dabei egal, ob die Ursprünge im Modell selbst liegen (gerichteter Pfad -->) oder außerhalb (Pfad mit einem "o" am Anfang). Wenn du einen collider in der Regression von x auf y kontrollierst, öffnest du einen Scheinpfad und der ist negativ. Einen solchen collider bias bekommst du auch, wenn due einen Abkömmling von Y kontrollierst.

In deinem Fall führt die Kontrolle von Functional practicality und TI zum collider bias. Kannst ja mal probieren, die rauszulassen. Das Modell das anghängt ist, hat eine sehr hohe Schwelle (p < .01) um eine Verbindung zu zulassen. Daher war ich erst verwundet, da aufgrund des Modells wie es abgebildet ist, gar keine Beziehung zwischen trust und CA herrschen sollte (über collider werden keine Beziehungen/Korrelationen vermittelt) Daher hab ich die Schwelle mal gesenkt, was das Modell "messier" macht. In diesem gibt es dann eine Beziehung, aber die verläuft nicht in Deiner Richtung sondern als "<----o". D.h. entweder ist customer acceptance die Ursache von trust, oder beide werden von konfundierenden Variablen beeinflusst. Die Lösung wäre da eben nur ein Experiment, in dem du trust manipulierst, oder Instrumentalvariablen zu identifizieren (d.h. Variablen, die einen Effekt auf trust haben, aber nicht auf Kundenakzeptanz.

Solche "Tetrad"-Modelle sind interessante Ideengeber, sie können in wenigen Fällen recht gute Evidenz für Effekte liefern, wenn der Kontext an Variablen so rigide ist, dass andere Pfeilrichtungen unwahrscheinlicher sind (aber: gegeben den vorliegenden Daten mit dem speziellen N). Meist zeigen sie aber was viel wichtigeres, nämlich wie viele komplexe Alternativen es gibt.

Wie gesagt: Kontrolle von SocEP und PEA aber nicht TI und FuncPr sollte die negativen Effekte verschwinden lassen; der dann übriggebliebene Pfad ist aber kausal eher wacklig.

Hier etwas Literatur zu dem ganzen.

Grüße
Holger

Rohrer, J. M. (2018). Thinking clearly about correlations and causation: Graphical causal models for observational data. Advances in Methods and Practices in Psychological Science, 1(1), 27-42. doi:10.1177/2515245917745629

Elwert, F., & Winship, C. (2014). Endogenous selection bias: The problem of conditioning on a collider variable. Annual Review of Sociology, 40, 31-53. doi:10.1146/annurev-soc-071913-043455

Malinsky, D., & Danks, D. (2018). Causal discovery algorithms: A practical guide. Philosophy Compass, 13(1), 1-11. doi:10.1111/phc3.12470

Glymour, C., Zhang, K., & Spirtes, P. (2019). Review of causal discovery methods based on graphical models. Frontiers in Genetics, 10, 524. doi:10.3389/fgene.2019.00524
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Re: Positive Korrelation, aber negativer Regressionskoeffizi

Beitragvon TB9312 » Sa 4. Jul 2020, 11:37

Hallo,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort!!

Du hast recht, wenn ich die multiple Regression nur mit SocEP, PEA und Trust rechne, hat Trust den erwarteten positiven Effekt (auch statistisch signifikant). Allerdings sind die anderen beiden unabhängigen Variablen (FuncPr und TI) auch wichtig für die Analyse.

Ich denke ich werde dann in der Diskussion der Arbeit darauf eingehen, dass das Modell, so wie es aufgestellt ist, vielleicht nicht ausreichend ist um die Forschungsfrage zu beantworten. Würde es hier dann auch Sinn machen, darauf zu verweisen, dass Trust evtl. eine Mediatorvariable sein könnte und deshalb keinen direkten Einfluss auf die Customer Acceptance hat?
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Re: Positive Korrelation, aber negativer Regressionskoeffizi

Beitragvon Holgonaut » Sa 4. Jul 2020, 12:12

Hi,

Vielleicht wäre es ja eine Möglichkeit, ein SEM zu machen. Allerdings ist das halt nicht mehr streng konfirmatorisch, weil die Struktur exploriert wurde (warte, bis ich dir Montag das Pfaddiagramm schicke). Wenn du sagst, das FuncPR und TI "wichtig für die Analyse" sind, wäre für mich die Frage, warum, dann bislang gings ja um den Effekt von Trust. Die kannst du natürlich auch einbauen, aber eben nicht in einer Regression. Eine Regressionsanalyse macht nur Sinn, wenn sie auf der Basis eines DAGs durchgeführt wird, innerhalb dessen die Kontrollvariablen selbst spezifizierte Effekte haben. Ansonsten bleibt es simple Prädiktion. Zum Thema Kontrollvariablen hatte ich die letzten Tage im Pfadanalyse thread ein posting von Lelelein beantwortet. Das könnte auch informativ für dich sein. Die Psychologie ist leider 10 Jahre hinter dem Stand, der in anderen Feldern diskutiert wird....

Oder du gehst voll exploratorisch und wendest Tetrad an. Das ist eine jave-applikation, die einfach zu bedienen ist (tatsächlich ist der schwerste Aspekt, die Daten erst mal reinzubekommen): http://www.phil.cmu.edu/tetrad/

Hier ist ein Workshop-video von Richard Scheines, einem der Gründer des TETRAD-Projekts
https://www.youtube.com/watch?v=7gktywp6j1Y&t=156s

Grüße
Holger
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