PhilippS28 hat geschrieben:Liege ich richtig mit der Annahme, dass meine Variablen als ordinalskaliert betrachtet werden müssen, da nicht sicher ist, dass alle Teilnehmer die Abstände als identisch betrachten?
Hallo Phil,
Du liegst richtig, dass die Sache stinkt; Du liegst falsch in der Lokalisation des Problems: Du hast die Werte Deiner vier Items zusammengezählt/addiert, richtig? Das war schon der Sündenfall. "stimme zu" plus "stimme eher zu" ist eine Addition und die ist bei Ordinaldaten unzulässig. Indem man gleiche Abstände unterstellt verändert man das Skalenniveau und das Addieren wird sinnvoll. Wenn Du also mit Summenskalen arbeitest, hast Du die Entscheidung für die Betrachtung der Werte als intervallskaliert schon gefällt. Ich sehe wenig Sinn darin, dann in einem späteren Schritt diese Entscheidung wieder zurückzunehmen. "Es gibt kein richtiges Leben im schlechten" hat Adorno geschrieben (und dabei etwas ganz anderes gemeint).
Wenn Du sauber auf Ordinalskalenniveau bleiben möchtest geht das auch, aber erstens kannst Du große Teile Deines mühsam erworbenen Wissens über klassische Testtheorie (CTT) dann über Bord werfen und musst anfangen, Wissen in probabilistischer Testtheorie (Item Response Theory, IRT) aufzubauen. Das ist etwas mühsam, weil es weniger Literatur zur IRT als zur CTT gibt, aber das traue ich Dir zu. Zweitens aber brauchst Du deutlich mehr Daten, denn wenn Du nicht mehr gleiche Abstände annimmst sondern für jeden Stufenübergang jedes Items "den Abstand" und dessen Messfehler aus den Daten schätzt, dann verbrennt das natürlich Freiheitsgrade.
Google mal nach
probabilistic test theory und nach
item response theory. Das Testtheoriebuch von Moosbrugger und Kelava stellt beide Varianten, die CTT und die IRT verständlich dar, ist aber nur ein Leseeinstieg. Ich glaube, danach muss man dann zu englischsprachiger Literatur wechseln. Softwareseitig hatte ich den Eindruck, dass R mit dem Zusatzpaket IRTShiny eine sehr benutzerfreundliche grafische Oberfläche bietet, die mindestens eine schnelle erste Analyse eines Fragebogens ermöglicht. Alternativ gibt es mit ShinyItemAnalysis auch ein R und Shiny basiertes Tool, Leseeinstieg hier:
https://journal.r-project.org/archive/2 ... 18-074.pdf Eingehend damit gearbeitet oder gar damit publiziert habe ich selbst mit beidem noch nicht. Letztlich erhälst Du damit aber viel tiefere Einblicke in Deine Skala und Du erhälst Probandenscores, deren intervallskaliertheit unstrittig ist.
Hoffentlich bringt das neben zusätzlicher Verwirrung auch etwas Klarheit in der Grundfrage, sonst frag gerne nochmal nach.
LG,
Bernhard