Möglichkeit des "Risikovergleichs?"

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Möglichkeit des "Risikovergleichs?"

Beitragvon Muskat » Do 8. Okt 2020, 15:32

Hallo,

ich habe eine Frage:
Ich bin mir nicht sicher, ob es für die folgende Konstellation eine Möglichkeit gibt, das Risiko zu vergleichen, oder ob die Variablen alle zu unterschiedlich sind.
Es handelt sich um folgenden Sachverhalt:

Es geht um eine bestimmte Art Tumor, die selten bösartig ist. Die Frage ist, ob es besser ist, die Patienten lange zu beobachten (nicht alle entarten bösartig!), oder den Tumor frühzeitig herauszuoperieren. Vor der OP zu sagen, ob er böse oder gutartig ist, ist oft schwierig.

Nun gibt es zwei Gruppen:
In der Gruppe von Patienten, die nur beobachtet wurden, ist ein Patient von 310 (1/310= 0,32%) an Krebs, der sich aus dem beobachteten Tumor entwickelt hat, im Beobachtungszeitraum verstorben.
In der anderen sind zwei Patienten von 46 (2/46 = 4,3%) an den Folgen einer Operation, bei der der Tumor entfernt wird, gestorben.

Gibt es eine Möglichkeit, die Risiken hier zu vergleichen? Die OP-Gruppe hat ja eine höherer Prozentzahl an verstorbenen, nur weiß ich nicht, ob sich
a) bei dieser geringen Fallzahl eine Aussagekraft ergibt und
b) ob es ein statistisches Verfahren gibt, das die beiden Risiken miteinander vergleicht, oder ob hier statistisch zu sehr "Äpfel mit Birnen" verglichen werden, sodass diese Werte ohnehin nicht vergleichbar sind.

Vielen Dank im Voraus.
Muskat
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Re: Möglichkeit des "Risikovergleichs?"

Beitragvon PonderStibbons » Do 8. Okt 2020, 16:12

Abgesehen davon, dass die Zahl der Ereignisse nicht reicht:
wird per Los entschieden, ob jemand operiert wird oder nicht?
Oder hatte das auch was mit dem Patienten zu tun?

Mit freundlichen Grüßen

PonderStibbons
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Re: Möglichkeit des "Risikovergleichs?"

Beitragvon Muskat » Do 8. Okt 2020, 17:50

Nein, es wurde retrospektiv analysiert, wie verfahren wurde. Die Entscheidung für oder gegen OP wurde jedes Mal individuell gestellt. Man kann meist erst nach der OP sagen, ob die OP gerechtfertigt war, da eine genaue Diagnose vorher schwer zu stellen ist. Genau aus dem Grund wurde die Arbeit durchgeführt.

Abgesehen davon, dass die Zahl der Ergebnisse nicht reicht:
Gäbe es ein statistisches Verfahren, mit dem die beiden Risiken verglichen werden können (mal angenommen, die Zahlen wären deutlich höher)?
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Re: Möglichkeit des "Risikovergleichs?"

Beitragvon bele » Do 8. Okt 2020, 18:31

Muskat hat geschrieben: nur weiß ich nicht, ob sich
a) bei dieser geringen Fallzahl eine Aussagekraft ergibt und
b) ob es ein statistisches Verfahren gibt, das die beiden Risiken miteinander vergleicht, oder ob hier statistisch zu sehr "Äpfel mit Birnen" verglichen werden, sodass diese Werte ohnehin nicht vergleichbar sind.


Die rechnerisch-statistische Seite der Frage ist nicht so schwer. Aus Deinen Werten lässt sich eine Kontingenztabelle aufstellen und der Unterschied lässt sich mittels einer odds ratio darstellen und mittels eines Exakten Tests nach Fisher testen. In R:

Code: Alles auswählen
m <- matrix(c(1, 2, 310-1, 46-2), nrow=2)
fisher.test(m)

ergibt
Code: Alles auswählen
   Fisher's Exact Test for Count Data

data:  m
p-value = 0.04507
alternative hypothesis: true odds ratio is not equal to 1
95 percent confidence interval:
0.00121036 1.41309680
sample estimates:
odds ratio
0.07218669


Mit einem p-Wert von 0,045 ist also ein ganz, ganz knapper Beweis gelungen, dass die Chance des Versterbens nicht gleich ist.



Aber was wurde da bewiesen? Zum einen sind PonderStibbons Fragen sehr berechtigt, ob es sich hier überhaupt um vergleichbare Fälle handelt, oder ob nicht wegen antizipierbar gefährlicher Situation die Patienten erst in die OP-Gruppe gerutscht sind. Zum anderen verleitet so ein Test ja dazu, dass man nach seinem Ereignis entscheidet, welche Vorgehensweise besser ist. Man kann hier aber Tod durch Tumor im Beobachtungszeitraum nicht mit Tod durch OP vergleichen -- Tod durch Tumor im Beobachtungszeitraum kann man nahezu beliebig klein halten, wenn man den Beobachtungszeitraum nur klein genug hält. Die Überlebenden in der Beobachtungsgruppe haben ja immer noch ihren Tumor, an dem sie noch sterben könnten während die Überlebenden in der Interventionsgruppe ihren Tumor los sind (hoffentlich, je nach Entität).

Solche Daten sollen veröffentlicht werden, damit später mal jemand eine Metaanalyse machen kann. Natürlich wird man nicht umhin können, in so einer Veröffentlichung auch einen p-Wert zu benennen, aber man muss entsprechend der genannten Rücksichten sehr vorsichtig mit der Interpretation sein. Auf gar keinen Fall ist das ein p-Wert über die Frage, ob Deine Beobachtungen eine klinische Entscheidungsfindung vorweg nehmen.

LG,
Bernhard
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Re: Möglichkeit des "Risikovergleichs?"

Beitragvon bele » Do 8. Okt 2020, 22:01

Nachtrag: Das Konfidenzintervall aus der R Ausgabe bitte nicht beachten http://forum.r-statistik.de/viewtopic.php?f=11&t=2625
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