Repräsentativität? - ist das denn überhaupt möglich?

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Repräsentativität? - ist das denn überhaupt möglich?

Beitragvon Lisa2020 » Mo 21. Dez 2020, 19:22

Guten Abend :)

Ich habe wirklich ein Problem damit zu verstehen, wann eine Stichprobe als repräsentativ gilt. Ich lese immer wieder "sollte nicht systematisch von der Grundgesamtheit abweichen". Aber ab wann gilt die Abweichung als systematisch?

Ich habe eine Befragung durchgeführt mit der ich Aussagen über Studierende in Deutschland und in Ungarn treffen möchte (2 Stichproben).
Anbei mal für Deutschland ein paar Daten
Grundgesamtheit Deutschland: 2.479.448 Studierende, davon 49,71% weiblich. Median des Alters: 23,2 Jahre
Stichprobe Deutschland: 490 Fälle, davon 64,9% weiblich. Median des Alters: 26 Jahre.

Der Fragebogen wurde in seeehr vielen Facebook Gruppen, auf LinkedIn, Xing und in einem Stipendiatennetzwerk verteilt. - durch Corona sollte sowieso jeder Student Internet haben, aber klar nicht jeder ist in den entsprechenden Gruppen... Innerhalb des Verteilers hat aber jeder die gleiche Chance, in die Stichprobe zu kommen.

Wo zieht man hier die Grenze zur Repräsentativität? Klar entspricht es nicht genau der Grundgesamtheit, aber wie will das überhaupt jemandhinkriegen? Werden dann einfach (mit genug Geld) 5.000 Leute befragt und munter Fälle aussortiert, bis es irgendwann passt? Dann sind die ja auch nicht so wirklich zufällig in der Stichprobe bzw. wurden einige *unzufällig* entfernt. Und damit jeder die gleiche Chance hätte müsste man ja die Adressen aller Studierenden haben und dann mittels irgendeines Losverfahrens auslosen, wen man anschreibt. Das ist doch gar nicht möglich oder?

Viele Grüße[/size]
Lisa2020
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Re: Repräsentativität? - ist das denn überhaupt möglich?

Beitragvon PonderStibbons » Mo 21. Dez 2020, 20:50

Ich habe wirklich ein Problem damit zu verstehen, wann eine Stichprobe als repräsentativ gilt. Ich lese immer wieder "sollte nicht systematisch von der Grundgesamtheit abweichen". Aber ab wann gilt die Abweichung als systematisch?

Wenn es auffällt.
Grundgesamtheit Deutschland: 2.479.448 Studierende, davon 49,71% weiblich. Median des Alters: 23,2 Jahre
Stichprobe Deutschland: 490 Fälle, davon 64,9% weiblich. Median des Alters: 26 Jahre.

Ich würde mich da mit grundsätzlichen Diskussionen über Repräsentativität nicht unbedingt
aufhalten. Es reicht doch festzustellen, dass Deine Gruppe in speziellen Netzwerken
rekrutiert wurde, also nur die betreffen kann, die dort unterwegs sind
(Linkedin und Xing-Nutzerinnen z.B. sind im Schnitt vermutlich selten Studienanfänger;
wer Facenbook hasst, kommt vermutlich nicht rein) und eine Selbstselektion
stattgefunden hat; Deine Stichprobe deutlich weiblicher und Älter ist als die
Gesamtgruppe der Studierenden.

Wo zieht man hier die Grenze zur Repräsentativität? Klar entspricht es nicht genau der Grundgesamtheit, aber wie will das überhaupt jemandhinkriegen?
Werden dann einfach (mit genug Geld) 5.000 Leute befragt und munter Fälle aussortiert, bis es irgendwann passt?

Bei repräsentativen Umfragen stellt man die Repräsentativität durch Gewichtung her.
Dafür hat man günstigenfalls noch mehr Informationen über sowohl
die Stichprobe als auch die Zielpopulation, als nur Alter und Geschlecht.

Mit freundlichen GRüßen

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Re: Repräsentativität? - ist das denn überhaupt möglich?

Beitragvon Lisa2020 » Mo 21. Dez 2020, 21:23

Wow, erstmal vielen Dank für deine aufschlussreiche Antwort! :)

Das heißt also das ich aufgrund der Abweichungen in meiner Arbeit keine Aussagen über die Grundgesamtheit treffen kann. Wohl aber über die Stichprobe und mit hoher Wahrscheinlichkeit über die studentischen Mitglieder der Facebook Gruppen usw. in denen ich geworben habe.

Ein weiterer Teil meiner Arbeit ist es, Handlungsempfehlungen für das Recruiting auszusprechen. Hier wäre es dann sicher nochmal angebracht, darauf hinzuweisen, dass die Empfehlungen wahrscheinlich nur bei den Studenten fruchten, die eben zu diesen Gruppen gehören, richtig?

Das mit der Gewichtung ist ein interessanter Punkt, bleibt mir natürlich verwehrt, da die deutsche Hochschulstatistik nicht viel mehr hergibt und die ungarische gleich gar nicht.
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Re: Repräsentativität? - ist das denn überhaupt möglich?

Beitragvon PonderStibbons » Mo 21. Dez 2020, 23:34

Lisa2020 hat geschrieben:Das heißt also das ich aufgrund der Abweichungen in meiner Arbeit keine Aussagen über die Grundgesamtheit treffen kann.

Sicher kannst Du, nur ist die recht speziell definiert (Studierende, die soziale Netzwerke nutzen und von sich aus an sowas teilnehmen mögen). Da Thema, Fragestellung, erhobene Daten nicht erklärt wurden, kann ich nicht einschätzen, ob das ein Problem ist.
Ein weiterer Teil meiner Arbeit ist es, Handlungsempfehlungen für das Recruiting auszusprechen. Hier wäre es dann sicher nochmal angebracht, darauf hinzuweisen, dass die Empfehlungen wahrscheinlich nur bei den Studenten fruchten, die eben zu diesen Gruppen gehören, richtig?

Siehe oben, woher soll ich das wissen? Da sich recruiting stark in sozialen Netzwerken
abspielt und 18jährige Studienanfänger eventuell weniger die Zielgruppe sind,
könnte das Problem kleiner sein als es erstmal aussieht. Oder auch nicht.
Das mit der Gewichtung ist ein interessanter Punkt, bleibt mir natürlich verwehrt, da die deutsche Hochschulstatistik nicht viel mehr hergibt und die ungarische gleich gar nicht.

Du hattest gefragt, wie die Institute das machen. Das habe ich
skizziert, ist aber ein ganz anderes Feld.

Mit freundlichen Grüßen

PonderStibbons
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Re: Repräsentativität? - ist das denn überhaupt möglich?

Beitragvon Lisa2020 » Di 22. Dez 2020, 00:15

PonderStibbons hat geschrieben:Sicher kannst Du, nur ist die recht speziell definiert (Studierende, die soziale Netzwerke nutzen und von sich aus an sowas teilnehmen mögen). Da Thema, Fragestellung, erhobene Daten nicht erklärt wurden, kann ich nicht einschätzen, ob das ein Problem ist.

Die Grundgesamtheit sollten alle Studierenden in Deutschland bzw. Ungarn sein; die Auswahlbasis alle erreichbaren Universitäten (über die Gruppen in Facebook + Stipendiatennetzwerk).
Ich verstehe, ich müsste meine Grundgesamtheit dann wieder anders definieren. Dann fehlen mir aber die genauen Daten zur Zusammensetzung dieser Grundgesamtheit (denn das geben mir die amtlichen Statistiken erst recht nicht her, wer davon soziale Netzwerke nutzt ;-)) und somit könnte ich wiederum nicht vergleichen, um von Repräsentativität zu sprechen. Jetzt wird mir klar, wieso du meinst damit solle man sich nicht lange aufhalten. Danke!

PonderStibbons hat geschrieben: Du hattest gefragt, wie die Institute das machen. Das habe ich skizziert, ist aber ein ganz anderes Feld.
Ja, habe ich auch so verstanden. Ich meinte nur das es generell interessant ist (und ich sehe, dass es nicht für meine Auswertung möglich ist).

Viele Grüße
Lisa
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