Interpretation von Mittelwert bei Ordinalskala?

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Re: Interpretation von Mittelwert bei Ordinalskala?

Beitragvon Lisa2020 » Mi 16. Dez 2020, 23:36

PonderStibbons hat geschrieben:Du knallst einen Link zu einem 20seitigen Text hierhin, und erwartest präzise jetzt was...?


Tut mir leid, ich wollte damit nur ausdrücken, dass ich mir das nicht ausgedacht habe. Sondern das ich die Annahme, wie oben geschrieben anhand S. 7 in diesem Dokument getroffen habe. Ich habe wirklich versucht darüber zu recherchieren und mir das Wissen, das ich benötige anzueignen.
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Re: Interpretation von Mittelwert bei Ordinalskala?

Beitragvon bele » Mi 16. Dez 2020, 23:48

Lisa2020 hat geschrieben:Meine Annahme, dass der t-Test dafür geeignet ist und die Interpretation so vorgenommen werden kann hatte ich übrigens hieraus gezogen (ist nicht meine Uni):
https://www.ph-ludwigsburg.de/fileadmin ... -01-28.pdf S.7


Auf Seite 7 kann ich nichts drüber finden, aber auf Seite 10 steht "Mädchen und Jungen unterscheiden sich nicht statistisch signifikant (trotz des numerisch unterschiedlichen Mittelwerts!!) Dieser Unterschied kam zufällig zustande." Das ist schon mal ein knallharter Logikfehler und deutet daraufhin, dass das Dokument nachlässig erstellt wurde. Ganz offensichtlich geht es in diesem Dokument um die Bedienungsoberfläche von SPSS und nur nachrangig um Statistik.

Klar ist doch, dass man zum Bilden von Mittelwerten addieren muss und dass Addition von ordinalen Daten nicht möglich ist. Entweder hält man die Daten für quasi-metrisch (was aber schon sehr, sehr weit hergeholt wäre) dann berechnet man den Mittelwert und vergleicht die Mittelwerte mit einem t-Test. Oder man akzeptiert, dass das eine Ordinalskala ist, dann lässt man das Mittelwerte bilden sein, bildet stattdessen Ränge und rechnet mit Rängen den gewünschten Test. Dritte Option: Wenn der jeweilige Professor Pippi Langstrumpf spielt kann er sich die Welt machen, wie sie ihm gefällt. Dessen Macht endet aber beim Reviewer, wenn man das veröffentlichen will (außer es geht um Psychometrie und die Singularität Likertskala - da sind sie sich alle einig, sich die Welt zu machen wie sie gefällt).

Was wäre denn so schlimm daran,einen Rangsummentest zu rechnen und den t-Test sein zu lassen? Ich mag Eier, aber an Weihnachten geh ich mit meinen Kindern nicht zum Eier Suchen in den Garten.

LG,
Bernhard
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Re: Interpretation von Mittelwert bei Ordinalskala?

Beitragvon Lisa2020 » Do 17. Dez 2020, 12:13

Lieber Bernhard,
auch dir ganz lieben Dank für deine Hinweise und die Erläuterung. Es hilft mir wirklich weiter :-)

VG
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Re: Interpretation von Mittelwert bei Ordinalskala?

Beitragvon Lisa2020 » Mi 30. Dez 2020, 13:28

Hallo,
ich hätte noch weitere Fragen zum Thema bzw. zum Rangsummen Test. Ich habe nun für alle ordinalskalierten Variablen den Mann-Whitney-U-Test durchgeführt.
Zumeist sind die Unterschiede zwischen den Gruppen signifikant. Auch habe ich manuell die Effektstärke berechnet (ich habe in SPSS keine Möglichkeit dazu gefunden), sie ist meist gering (unter 0.3).

Mal als Beispiel:
Für wie angemessen hältst du die folgenden Formen der Kommunikation bei einer Zusage für eine Stelle?
Skala: 1= gar nicht angemessen; 2 = wenig angemessen; 3 = mittelmäßig angemessen; 4 = überwiegend angemessen; 5 = völlig angemessen

Bei der Form: Postalisch, standardisiertes Schreiben
Test-Ergebnis: U =83810.00, Z = -7.085, p < .001, r = .230
Median: Bei den Deutsche bei 3,0 und bei den Ungarn auch bei 3,0.

Wenn ich die Antwortangaben der Bewerber, die 4= überwiegend angemessen und 5 = völlig angemessen gewählt, haben summiere würde ich angeben dass 46,3 % der Deutschen und 30,7 % der Ungarn diese Kommunikationsform für angemessen halten. Somit halten die Deutschen diese Form zu einem größeren Anteil für angemessen, als die Ungarn.

Nun zu den eigentlichen Fragen:
Bei fast allen meinen Variablen unterscheidet sich der Median der beiden Nationen nicht, obwohl sich die Gruppen fast immer signifikant unterscheiden. Sollte man dann also den Median nicht berichten und stattdessen auf die Häufigkeiten ausweichen? Da wird ja der Unterschied erst sichtbar? Oder gibt es eine andere Möglichkeit?

Ich möchte im zweiten Teil Empfehlungen geben, auf welche Weise ein Unternehmen die Bewerber über das Ergebnis informieren soll.
Kann ich anhand der Häufigkeiten eine Rangfolge der (aus Bewerbersicht) geeignetsten Kommunikationsformen bilden? Ich würde dann bei den ganzen Kommunikationsformen schauen, wo der %-Wert für die Antwortangabe "völlig angemessen" bei der jeweiligen Nation am höchsten ist.
Allerdings wären so die Top 3 der beiden Nationen gleich.:
Deutsche ..........................Ungarn
1. telefonisch (79,6 %)..........1. telefonisch (70,6 %)
2. persönlich (72,4 %)...........2. persönlich (67,1 %)
3. E-Mail (59,4 %)................3. E-Mail (65,6 %)

Ist meine Vorgehensweise trotzdem richtig? Die Rangliste unterscheidet sich halt nicht, aber dennoch ist der Anteil der Deutschen, der z. B. telefonische Zusagen für angemessen hält höher als der, der Ungarn.

VG Lisa
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Re: Interpretation von Mittelwert bei Ordinalskala?

Beitragvon bele » Mi 30. Dez 2020, 17:29

Hallo Lisa,

Lisa2020 hat geschrieben:Kann ich anhand der Häufigkeiten eine Rangfolge der (aus Bewerbersicht) geeignetsten Kommunikationsformen bilden? Ich würde dann bei den ganzen Kommunikationsformen schauen, wo der %-Wert für die Antwortangabe "völlig angemessen" bei der jeweiligen Nation am höchsten ist.


Komm, wir machen eine Reise nach Elbonia. Der Zeichner der Comicfigur Dilbert benutzt dieses Land immer, wenn er ein "Ausland" braucht, das für jeden seiner internationalen Leser Ausland ist...

In Elbonia finden 70% den Postweg "völlig angemessen" und 30% finden ihn "gar nicht angemessen" (hat wahrscheinlich was mit den beiden großen Religionen in Elbonia zu tun, aber dazu haben wir keine Daten erhoben).
Das Telefonat finden aber 100% aller Elbonier "überwiegend angemessen" (Als Telefone erfunden wurden waren die religiösen Schriften Elbonias schon abgeschlossen).

Dein derzeitiger Empfehlungsalgorithmus würde das Vorgehen wählen, bei dem man 30% der Elbonier auf die Füße tritt, obwohl es ein Vorgehen gibt, dass für alle akzeptabel wäre. Ist das ein guter Algorithmus?

LG,
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Re: Interpretation von Mittelwert bei Ordinalskala?

Beitragvon Lisa2020 » Mi 30. Dez 2020, 18:22

Lieber Bernhard,

vielen Dank für deine bildliche Beschreibung :). Ich verstehe, es ist schwer abzuwägen, was nun besser ist - 70% die es völlig angemessen finden, aber dafür 30% die es gar nicht angemessen finden oder eben 100% die es überwiegend angemessen finden.
Anhand des Medians kann ich leider keine Rangfolge aufstellen, denn der ist für die Formen telefonisch, persönlich, E-Mail (und einigen weiteren) überall 5,0 und auch bei beiden Nationen. Anhand des Medians alleine würde ich ja sogar meiner Aussage widersprechen, dass sich die Nationen unterscheiden.
Und den Mittelwert kann ich ja auch nicht verwenden.

Besteht dann überhaupt eine Möglichkeit, die besten Varianten anhand meiner Daten herauszufinden?

VG
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Re: Interpretation von Mittelwert bei Ordinalskala?

Beitragvon bele » Mi 30. Dez 2020, 19:17

Hallo Lisa,

ich denke das Problem ist, dass es keine objektive Zuordnung von Deiner Verteilung zu einer menschlichen Empfehlung gibt. Je nachdem, was das Unternehmen erreichen will, je nach Einschätzung der PE-Abteilung, kann man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das ist primär kein mathematisches Problem. Du kannst es in eine mathematische Formulierung überführen, so etwas wie eine Loss function ( https://en.wikipedia.org/wiki/Loss_function ). Die musst Du in Deiner Eigenschaft als abwägender und mitfühlender Mensch erstellen und wahrscheinlich in Deiner Arbeit auch rechtfertigen, warum Du Dich so und nicht anders entschieden hast.

Vielleicht braucht es drei "völlig angemessen" um ein "gar nicht angemessen auszugleichen"? Dann könnte es für jede eins -6 Punkte und für jede fünf +2 Punkte? Für jede zwei -1 Punkt und für jede vier +1 Punkt?
Im Elbonia-Beispiel wären das 70*2 - 30*6 Punkte = -40 Punkte für die eine und 100*1 = +100 Punkte für die andere Variante. Vielleicht entscheidet man sich auch für eine ganz andere Punktverteilung, je nachdem, wie schlimm man es findet, den Vorstellungen einiger zu entsprechen oder nicht zu entsprechen. Das ist völlig subjektiv und weil es völlig subjektiv ist, kann es nicht "richtig" oder "falsch" sein. Vielleicht gewichtest Du die Schritte auch ganz gleichschrittig und führst damit durch die Hintertür doch den Mittelwert wieder ein. Aber eben nicht den Mittelwert der Antworten sondern den Mittelwert des Lisa-Scores. Der kann zwar nicht "richtig" oder "falsch" sein, wohl aber "nachvollziehbar" und "nicht-nachvollziehbar", "begründet" oder "beliebig".

LG,
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Re: Interpretation von Mittelwert bei Ordinalskala?

Beitragvon Lisa2020 » Mi 30. Dez 2020, 22:20

Lieber Bernhard,

ganz herzlichen Dank!

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