Analysemöglichkeiten bei ordinalskalierter AV und mehreren U

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Analysemöglichkeiten bei ordinalskalierter AV und mehreren U

Beitragvon Klorps » Do 28. Apr 2022, 12:50

Hallo,
ich habe zwar schon woanders gefragt aber ich dachte es schadet nicht wenn ich hier nochmal frage :)

ich suche momentan nach Analysemöglichkeiten für die Daten eines geplanten Versuchs und bin etwas ratlos, hoffentlich kann mir hier jemand helfen.
Ich habe eine Studie mit ca. n = 30 Teilnehmenden, die in mehreren Durchgängen Geräusche bewerten müssen. Die Geräusche unterscheiden sich anhand von drei Eigenschaften mit mehreren Ausprägungen. Eigenschaft A hat zwei Ausprägungen (Ausgangston, davon gibt es zwei), Eigenschaft B und C jeweils 4 Ausprägungen (zwei Arten an Manipulationen des jeweiligen Ausgangstons in unterschiedlicher Intensität). Dabei wird über alle Durchgänge jede Kombination genau einmal präsentiert (also gibt es demnach 2 x 4 x 4 = 32 Durchgänge).
In jedem Durchgang soll das dargebotene Geräusch bewertet werden. Dazu stehen vier Items zur Verfügung, wobei jeweils zwei Items zu einer AV gehören. Also gibt es Item 1 und 2 für die AV 1 und Item 3 und 4 für die AV 2. Für jedes der vier Items muss in jedem Durchgang eine Bewertung auf einer sechsstufigen Skala abgegeben werden (trifft nicht zu bis trifft zu; ohne Neutralwert). Demnach sind beide AVn ordinalskaliert.

Ziel der Studie ist es herauszufinden für welche Kombination der beiden Manipulationen des Ausgangstons (also die Toneigenschaften B und C) die Teilnehmenden hohe Werte für AV1 und gleichzeitig niedrige Werte für AV2 zuweisen (Eigenschaft der AV1 wollen wir, Eigenschaft der AV2 wollen wir nicht). Das ganze wird zweimal untersucht, jeweils einmal für die beiden Ausgangstöne (Toneigenschaft A). Gesucht werden also die "idealen Kombinationen".

Zusätzlich gibt es auf Basis einer Vorstudie noch vier Hypothesen, die getsetet werden sollen:
Hypothese 1 ist, je höher die Ausprägung von Eigenschaft B, desto höher die Beurteilung für AV1
Hypothese 2 ist, je höher die Ausprägung von Eigenschaft B, desto niedriger die Beurteilung für AV2
Hypothese 3 ist, je höher die Ausprägung von Eigenschaft C, desto höher die Beurteilung für AV1
Hypothese 4 ist, je höher die Ausprägung von Eigenschaft C, desto niedriger die Beurteilung für AV2

Ich hoffe ich konnte das Versuchsdesign verständlich erklären. Meine Frage bezieht sich hauptsächlich darauf, wie ich diese "ideale Kombination" an Eigenschaften finden kann. Hat da jemand von Euch eine Idee?
(anderer Beitrag: https://www.statistik-tutorial.de/forum ... tml#p30961)
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Re: Analysemöglichkeiten bei ordinalskalierter AV und mehrer

Beitragvon PonderStibbons » Fr 29. Apr 2022, 10:38

Meine Frage bezieht sich hauptsächlich darauf, wie ich diese "ideale Kombination" an Eigenschaften finden kann.

Es handelt sich anscheinend um zwei abhängige Variablen A1 und A2, jede ein Summenscore
aus 2 Ausgangsvariablen. Und anscheinend geht es darum, dass die Differenz A1-A2
möglichst groß wird (idealerweise +10 Punkte)? Die durchschnittliche Differenz
über die 16 Bedingungen hinweg kannst Du Dir ohne weiteres ausgeben lassen.

Grafische Verfahren könnten von Interesse sein, z.B. die durchschnittlichen
Differenzscores in Bedingung B1, B2, B3, B4, getrennt für C1, C2, C3, C4
(4 Linien, analog zu dem hier, aber möglichst mit einem zusätzlichen Indikator
für die Streuung der Daten). Und vice versa (C1 bis C4 getrennt nach Stufen von B).

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Analysemöglichkeiten bei ordinalskalierter AV und mehrer

Beitragvon bele » Fr 29. Apr 2022, 13:43

Hallo Klorps,

Du schreibst:

Dazu stehen vier Items zur Verfügung, wobei jeweils zwei Items zu einer AV gehören. Also gibt es Item 1 und 2 für die AV 1 und Item 3 und 4 für die AV 2. Für jedes der vier Items muss in jedem Durchgang eine Bewertung auf einer sechsstufigen Skala abgegeben werden (trifft nicht zu bis trifft zu; ohne Neutralwert). Demnach sind beide AVn ordinalskaliert.


Und am letzten Satz hat Dutchie explizit und PonderStibbons implizit eine andere Meinung geäußert. Im Grunde genommen, dürfte man die ordinalskalierten Itemwerte 1 und 2 sowie 3 und 4 gar nicht erst addieren. Es gibt aber einen ziemlich weiten Konsens, dass man das unter Umständen doch darf. Das geht auf einen gewissen Rensis Likert zurück und ist zugegebenermaßen ziemlich verwirrend. Ich habe dazu mal was gepostet, was Dir vielleicht als Lese- und Verstehenseinstieg hilft: nutzung-des-forums-f44/likertskalen-und-anderes-t9192.html
Du hast Dich bereits dazu entschlossen, die Itemwerte miteinander zu addieren und Addition ist metrischem Skalenniveau vorbehalten. Du hast Dich also schon entschlossen, hier ein bis zwei Augen zuzudrücken und metrisches Skalenniveau anzunehmen. Es macht kaum Sinn, da jetzt hinter zurückzufallen und wieder ordinales Niveau anzunehmen. Nimm metrisches Skalenniveau an und dann kannst Du auch, wie von PonderStibbons vorgeschlagen, die Differenz AV! minus AV2 berechnen und diese optimieren.

Für das weitere Vorgehen macht es Sinn darüber nachzudenken, ob man ein Modell hat, wie die drei Variablen des Tons Einfluss nehmen können bzw. wie diese Einflüsse zusammenwirken könnten. Macht es inhaltlich Sinn davon auszugehen, dass die drei eher additiv wirken oder macht es Sinn, dass jede davon ihre Wirkung nur in Abhängigkeit von den anderen drei ausüben kann? Kann man dazu eine sinnvolle Theorie entwickeln, oder gar nicht. Wenn eine additive Wirkung angemessen erscheint, dann wäre die von dutchie vorgeschlagene dreifaktorielle Varianzanalyse sinnvoll. Wenn nicht, dann eher nicht.
Wenn sich gar kein theoriegeleitetes Modell erstellen lässt, dann schau doch einfach nach, bei welcher Kombination der Abstand AV1 - AV2 im Experiment am größten war.

LG,
Bernhard
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Re: Analysemöglichkeiten bei ordinalskalierter AV und mehrer

Beitragvon Klorps » Sa 30. Apr 2022, 21:29

Hallo Ihr,

großen großen Dank für Eure Ideen und Unterstützung. Damit ist mir tatsächlich schon gut geholfen und ich habe neue Ansatzpunkte. Tatsächlich wurde das Versuchsdesign weitestgehend vorgegeben und nun soll ich als "Empiriker" schauen, wie ich die daraus hervorgehenden Daten gut analysieren kann. Die Antwortmodalität kann ich allerdings noch etwas anpassen.

Vielen Dank für die Idee PonderStibbons. Leider habe ich zuvor noch nichts über grafische Verfahren gelernt, da muss ich mich noch einmal einlesen! Könnte man über grafische Verfahren Aussagen zur Fehlerwahrscheinlichkeit treffen?

Danke auch Dir Bernhard, ich werde mich auch in Rensis Likers Arbeit bzw. deine Beiträge einlesen, hinterher bin ich bestimmt schlauer. Tatsächlich gibt es eine begründete Annahme, dass beide Manipulationen B und C zusammen den gewollten Höreindruck erzeugen sollen. Ob dabei allerdings von einer additiven Verknüpfung gesprochen werden kann, darüber muss ich nochmal nachdenken. Ich schätze es wird auch helfen, die Ingenieure hinter der Arbeit mal darauf anzusprechen.

bele hat geschrieben:Wenn sich gar kein theoriegeleitetes Modell erstellen lässt, dann schau doch einfach nach, bei welcher Kombination der Abstand AV1 - AV2 im Experiment am größten war.


Meinst du damit einen reinen Vergleich der mittleren Differenzen? Ohne dabei ein spezielles Verfahren anzuwenden? Auch hier wäre meine Frage, ob man in dem Fall Aussagen zur Fehlerwahrscheinlichkeit treffen könnte.

Freundliche Grüße
Klorps
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Re: Analysemöglichkeiten bei ordinalskalierter AV und mehrer

Beitragvon PonderStibbons » Sa 30. Apr 2022, 23:44

Klorps hat geschrieben:Leider habe ich zuvor noch nichts über grafische Verfahren gelernt, da muss ich mich noch einmal einlesen! Könnte man über grafische Verfahren Aussagen zur Fehlerwahrscheinlichkeit treffen?

Leider war es falsch formuliert, gemeint war "grafische Darstellung", nicht "grafische Verfahren".
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Re: Analysemöglichkeiten bei ordinalskalierter AV und mehrer

Beitragvon bele » So 1. Mai 2022, 11:21

Hallo Klorps,

Klorps hat geschrieben:Tatsächlich gibt es eine begründete Annahme, dass beide Manipulationen B und C zusammen den gewollten Höreindruck erzeugen sollen. Ob dabei allerdings von einer additiven Verknüpfung gesprochen werden kann, darüber muss ich nochmal nachdenken.


Ich versuche mal mit einem Beispiel zu verdeutlichen: Nehmen wir an, Töne werden immer unangenehmer, je lauter und je höher sie sind. Wenn jetzt die Lautheit Null wird, dann ist auch die Unangenehmheit Null, ganz egal, welche Frequenz der Ton hat. Das ist ein typisches Beispiel für einen eher multiplikativen Zusammenhang. Eine Verdopplung der Frequenz führt bei Lautheit Null zu keiner Änderung der Abhängigen. Oder nehmen wir den Zusammenhang zwischen Zigaretten und Schnaps auf Krebs im Hals. Da haben Zigaretten eine Risikosteigerung zur Folge und auch Schnaps hat eine Risikosteigerung zur Folge aber beide Zusammen machen mehr als die Summe der beiden einzelnen Risikosteigerungen.

Sowas kann man in einem linearen Modell (z. B: ANOVA) mit Interaktionstermen modellieren, das macht aber das Modell sehr schnell viel komplizierter und schlechter zu interpretieren.

Ein anderes Beispiel: Eine Band spielt ein Lied und jetzt kommt ein neuer Ton hinzu. Der ist überhaupt nicht nervend, wenn seine Frequenz einem der Töne des gerade gespielten Akkords entspricht aber sehr nervend, wenn er ganz knapp daneben liegt. Während der Ton also immer höher wird durchläuft er unendlich oft Phasen, in denen er zum Akkord passt und solche, in denen er gar nicht dazu passt. Die Frequenzabstände sind nicht stabil, sondern nehmen dabei kontinuierlich zu. Bei so etwas bist Du mit üblichen statistischen Modellen aufgeschmissen, wenn Du nicht ganz viel Vorwissen über Musiktheorie in das Modell einbringst.
In der Situation müsstest Du Deine Faktorstufen durchprobieren und schauen, welche am besten zu dem Akkord passt. Das hatte ich so formuliert:
bele hat geschrieben:Wenn sich gar kein theoriegeleitetes Modell erstellen lässt, dann schau doch einfach nach, bei welcher Kombination der Abstand AV1 - AV2 im Experiment am größten war.


Meinst du damit einen reinen Vergleich der mittleren Differenzen? Ohne dabei ein spezielles Verfahren anzuwenden? Auch hier wäre meine Frage, ob man in dem Fall Aussagen zur Fehlerwahrscheinlichkeit treffen könnte.


Je mehr Theorie Du in das Modell einbringen kannst, umso eher lassen sich Fehler/Ungenauigkeiten bestimmen. Wenn Du nur wenig Theorie einbringst, dann musst Du viele Fälle einbringen. Genügend Beobachtungen, bis sich der Fehler aus diesen Beobachtungen heraus ausreichend sicher bestimmen lässt. Ein sehr flexibles und weit verbreitetes Verfahren zur Abschätzung von Bestimmungsfehlern aus den Daten mit sehr wenig Modellannahmen ist das Bootstrapping. Man würde sich wahrscheinlich mehr als 30 Teilnehmer wünschen, um über die Teilnehmer zu bootstrappen, aber wünschen kann man sich ja viel. Man muss halt mit der besten Datenbasis arbeiten, an die man drankommt.

LG,
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