Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest

Beitragvon Ineluki » Di 12. Jul 2022, 12:40

Hallo zusammen,

das hier ist mein erster Post im Forum, also habt bitte Nachsicht, falls der Post besser in einem anderen Bereich aufgehoben wäre.

Zu meinem Problem: Ich habe zwei UV mit jeweils zwei Bedingungen und eine AV. Die vier Gruppen sind unabhängig voneinander. Meine drei Hypothesen beziehen sich auf die beiden Haupteffekte der UV1 und UV2 sowie auf den Interaktionseffekt. Für die beiden Haupteffekte würde ich unabhängige t-Tests verwenden, weil ich gerne einseitig testen würde. Auf eine zweifaktorielle Anova kann ich demnach verzichten. Probleme macht nun die dritte Hypothese. Aufgrund früherer Studienergebnisse gehe ich davon aus, dass keine Interaktionseffekte bestehen. Da dies beim Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest aber immer die H0 ist, wäre in meinem Fall (sofern ich keinen Denkfehler mache) die H0 meine Wunschhypothese.

Daraus ergeben sich nun zwei Fragen, auf die ich trotz googlen keine Antwort finden konnte:
1. Was bedeutet das für mein Signifikanzniveau?
2. Wie kann ich unter Berücksichtigung dieses Umstands mit G*Power a priori meine Stichprobengröße berechnen? Wenn ich dort als Test die Manova auswähle wird nicht zwischen Haupt- und Interaktionseffekten unterschieden.

Vielen Dank für eure Unterstützung!
Ineluki
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Re: Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest

Beitragvon PonderStibbons » Di 12. Jul 2022, 18:55

Ineluki hat geschrieben:Zu meinem Problem: Ich habe zwei UV mit jeweils zwei Bedingungen und eine AV. Die vier Gruppen sind unabhängig voneinander. Meine drei Hypothesen beziehen sich auf die beiden Haupteffekte der UV1 und UV2 sowie auf den Interaktionseffekt. Für die beiden Haupteffekte würde ich unabhängige t-Tests verwenden, weil ich gerne einseitig testen würde.

Das ist leider etwas schwer nachvollziehbar. Dem thread-Titel zufolge hast Du eine kategoriale abhängige Variable.
Aber bei t-Test und Varianzanalysen ist die abhängige Variable intervallskaliert.

Du interessierst Dich für die Wechselwirkung der beiden UVs, aber willst getrennte Analysen für die beiden UVs
rechnen, die eben gerade nicht die Interaktion zeigen.

Und einseitiges Testen sollte man sein lassen https://psychologie.uni-graz.at/de/biol ... -list/faq/
FAQ #3.

Vielleicht schilderst Du ersteinmal die Studie zusammenhängend und für Außenstehende nachvollziehbar, also Thema, Fragestellungen,
konkrete Variablen und deren konkrete Messung, Stichprobengröße.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest

Beitragvon Ineluki » Di 12. Jul 2022, 21:16

Sorry, dann hole ich mal etwas weiter aus...

Im Rahmen meiner Bachelor-Arbeit repliziere ich eine Studie zum Ankereffekt. Genauer gesagt geht es darum, wie sich ein genauer numerischer Anker im Vergleich zu einem gerundeten numerischen Anker auf den Anpassungsprozess auswirkt.

Beispielitem: Als Michael Jordan 1995 sein erstes Comeback feierte, erreichte er über die gesamte Saison eine beeindruckende Trefferquote von 50 % /49,8 % aus dem Feld. Basketball-Star James Harden erzielte dieses Jahr eine niedrigere Trefferquote. Schätzen Sie diese.

In der Originalstudie konnte bereits gezeigt werden, dass genaue Anker im Vergleich zu gerundeten Ankern mit geringeren Anpassungsprozessen einhergehen. In dem obigen Beispiel würde man also erwarten, dass bei dem Szenario mit den 49,8 % die Schätzwerte im Schnitt näher am Anker liegen würden als bei den 50 %. Die erste unabhängige Variable ist also die Genauigkeit des Ankers. Nun könnte man ja auf die Idee kommen, dass die Anpassungen deswegen geringer ausfallen, weil die Anker aufgrund der präziseren Werte einfach als zuverlässiger wahrgenommen werden. Deshalb untersuche ich als zweite unabhängige Variable, wie sich die Zuverlässigkeit der Anker auf die abhängige Variable auswirkt. Die abhängige Variable ist also die standardisierte Differenz zwischen Schätzwert und Ankerwert.

Ich interessiere mich also erstens dafür, wie sich die Genauigkeit des Ankers auf die Anpassung auswirkt, zweitens, wie sich Zuverlässigkeit des Ankers auf die Anpassung auswirkt und drittens, ob die beiden UV voneinander unabhängig sind. In der Originalstudie konnte nämlich bereits gezeigt werden, dass die Genauigkeit sich auch unabhängig von der wahrgenommenen Zuverlässigkeit des Ankers auf die Anpassung des Ankerwerts auswirkt.

Ich möchte das jetzt in einem anderen Design replizieren. Insgesamt gibt es vier Gruppen, denen unabhängig voneinander 5 Szenarien mit Schätz-Aufgaben präsentiert werden sollen. Die Szenarien sind entsprechend der vier Bedingungen immer leicht unterschiedlich. Die Genauigkeit und die Zuverlässigkeit der Ankerwerte wird variiert. Es ergeben sich somit folgende vier Bedingungen (immer bezogen auf den Anker): 1) präzise, 2) gerundet, 3) präzise-zuverlässig und 4) gerundet-zuverlässig.

Daraus ergeben sich folgende inhaltliche Hypothesen:
1) H0: Kein signifikanter Mittelwertsunterschied bei den Anpassungen zwischen den beiden Genauigkeits-Bedingungen.
2) H0: Kein signifikanter Mittelwertsunterschied bei den Anpassungen zwischen den beiden Zuverlässigkeits-Bedingungen
3) H0: Der Effekt der "Anker-Präzision" wird nicht durch den Grad der Zuverlässigkeit des Anker beeinflusst (kein Interaktionseffekt)

So jetzt zu den Tests: Ich könnte natürlich eine zweifaktorielle Varianzanalyse durchführen, aber bei je zwei Bedingungen geht das ja auch mit t-Tests. Würde ich die obigen Hypothesen gerichtet formulieren (was ich meiner Meinung nach aufgrund der Ergebnisse aus der Originalstudie kann), könnte ich ja auch einseitig testen und bräuchte weniger Probanden.
Wirklich Probleme bereitet mir aber eben die dritte Hypothese. Ich war der Meinung, dass ich den Interaktionseffekt mit dem Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest prüfen kann. Aber bei dieser Variante des Chi-Quadrat-Tests sind die Hypothesen formal festgelegt und lauten:
H0: Die beiden Variablen sind voneinander stochastisch unabhängig.
H1: Es gibt einen irgendwie gearteten Zusammenhang zwischen den Merkmalsausprägungen der einen Variable und der Ausprägungen der anderen.

Bei mir ist es aber ja jetzt so, dass (auch aufgrund der Ergebnisse aus der Originalstudie) die H0 meine Wunschhypothese ist, ich will sie also eigentlich nicht widerlegen, sondern "beweisen". Und da hatte ich jetzt eben dunkel in Erinnerung, dass man in so einem Fall das Signifikanzniveau anders wählen muss, ich weiß aber nicht mehr genau wie. Außerdem weiß ich auch nicht, wie ich in einem solchen Fall mit G*Power die optimale Stichprobengröße ermitteln kann.

Ich hoffe ich konnte halbwegs verständlich darlegen, wo das Problem liegt.

LG Ineluki
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Re: Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest

Beitragvon PonderStibbons » Mi 13. Jul 2022, 18:34

Ich möchte das jetzt in einem anderen Design replizieren. Insgesamt gibt es vier Gruppen, denen unabhängig voneinander 5 Szenarien mit Schätz-Aufgaben präsentiert werden sollen. Die Szenarien sind entsprechend der vier Bedingungen immer leicht unterschiedlich. Die Genauigkeit und die Zuverlässigkeit der Ankerwerte wird variiert. Es ergeben sich somit folgende vier Bedingungen (immer bezogen auf den Anker): 1) präzise, 2) gerundet, 3) präzise-zuverlässig und 4) gerundet-zuverlässig.

Ist die Datenerhebung schon gelaufen? Ein Design mit Messwiederholungen würde sich anbieten.
Daraus ergeben sich folgende inhaltliche Hypothesen:
1) H0:

Nur nebenbei, entweder Du formulierst innhaltliche Hypothesen, oder inferenzstatistische Null-Hypothesen. Eine H0 ist eine
des Typs "Parameter XY [z.B.ein Mittelwertunterschied] hat in der Grundgesamtheit den Wert XYZ [z.B. = 0)". Eine inhaltliche
Hypothese ist "es gibt einen positiven Zusammenhang zwischen A und B".
So jetzt zu den Tests: Ich könnte natürlich eine zweifaktorielle Varianzanalyse durchführen, aber bei je zwei Bedingungen geht das ja auch mit t-Tests.

Nein, weil dabei keine Interaktion getestet werden kann.
Würde ich die obigen Hypothesen gerichtet formulieren (was ich meiner Meinung nach aufgrund der Ergebnisse aus der Originalstudie kann), könnte ich ja auch einseitig testen und bräuchte weniger Probanden.

Wenn die Ergebnisse so sehr feststehen, dass eine einseitige Testung gerechtfertigt
erscheint ("es wird schneller signifikant" = ich brauche weniger Probanden ist keine sachgerechte
Begründung), wozu dann die ganze Studie? Und dazu ist das auch noch die nicht überzeugende
Begründung für 2 t-Tests (statt zweifaktorielle Varianzanalyse welche die Interaktion testen kann).
Aber gut, muss Dein Betreuer / Gutachter beurteilen.
Wirklich Probleme bereitet mir aber eben die dritte Hypothese. Ich war der Meinung, dass ich den Interaktionseffekt mit dem Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest prüfen kann.

Der testet, ob zwei kategoriale Variablen zusammenhängen oder nicht. Also keine Wechselwirkung.
Und wegen des Skalenniveaus der abhängigen Variable kann er ohnehin nicht hier verwendet werden.
Aber bei dieser Variante des Chi-Quadrat-Tests sind die Hypothesen formal festgelegt und lauten:
H0: Die beiden Variablen sind voneinander stochastisch unabhängig.

Das hat nichts mit der Frage zu tun, ob ein Interaktionseffekt (= ist der Effekt von X1 auf Y je nach
Ausprägung von Variable X2 unterschiedlich groß) vorliegt. Nebenbei sind die beiden unabhängigen
Variablen doch zwangsläufig unabhängig, wenn alle 4 Gruppen gleich groß sind.
Bei mir ist es aber ja jetzt so, dass (auch aufgrund der Ergebnisse aus der Originalstudie) die H0 meine Wunschhypothese ist, ich will sie also eigentlich nicht widerlegen, sondern "beweisen". Und da hatte ich jetzt eben dunkel in Erinnerung, dass man in so einem Fall das Signifikanzniveau anders wählen muss, ich weiß aber nicht mehr genau wie. Außerdem weiß ich auch nicht, wie ich in einem solchen Fall mit G*Power die optimale Stichprobengröße ermitteln kann.

Das Stichwort ist "Äquivalenztest" / equivalence testing. Falls Du tatsächlich eine H0 belegen willst, musst Du Dich zu dem
Thema noch sehr viel mehr einlesen, weil es in der zugrunde liegenden Logik und in der Durchführung einige Besonderheiten
im Vergleich zum üblichen Vorgehen gibt.
LG

wtf

Mit freundlichen Grüßen

PonderStibbons
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