Qualitätskontrolle Probenumfang

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Qualitätskontrolle Probenumfang

Beitragvon 29e1e4 » Fr 22. Jul 2022, 08:55

Hallo, liebe Statistik-Forum-Community,
bin schon sehr lange am recherchieren und bräuchte bitte eine Hilfe, in welche Richtung ich weiter googeln kann.
Habe folgende Situation: Es gibt ein Bauteil mit 85 cm² Oberfläche. Das Akzeptanzkriterium für die Qualität ist x Partikel pro m² (also zB 1.000 Partikel pro m² = 1 Partikel pro 10 cm²). Die Fläche, die mit einem Messgerät kontrolliert werden kann, ist y cm² (zB 1,5 cm² pro Messung). Nun gilt es festzustellen, wie viele Proben ich nehmen muss (also wie viele cm² muss ich kontrollieren), damit ich statistisch zB mit zB 95 % sicher sein kann, dass das Teil passt oder nicht (ich kann/will nicht 100 % kontrollieren). Die Fragen, die ich nun habe:
- Wie heißt dieses Problem, also wonach soll ich googeln? Im Internet finde ich hauptsächlich Normal- und Student-t-Verteilungen, aber ich glaube, dass das gar nicht zu meinem Problem passt, oder? Ich habe auch schon die ISO 2859-1 gefunden, da geht es aber nur um Stichprobenumfänge, die ok/nicht ok sind. Das kann ich nicht anwenden, denn meine Proben dürfen ja Partikel haben.
- Nebenfragen (nicht so wichtig, vielleicht klärt sich das sowieso): Wie wirkt es sich auf die Probenanzahl aus, wenn die Qualitätskriterien sehr streng sind, also zB nur 20 Partikel pro m² = 0,002 Partikel pro cm², bzw. wenn sich die Fläche der Probenahmesonde ändert (zB auf 5 cm² pro Probe)? Und wie berechne ich die Grenzwerte für einen vorzeitigen Abbruch mit ok/nicht ok (also, wenn ich zB 10 Proben nehmen muss, und die ersten 5 nichts gefunden habe, kann ich dann abbrechen und davon ausgehen, dass das Teil sowieso ok ist, bzw. wenn ich bei den ersten 3 schon zB 2 Partikel finde, kann ich auch schon abbrechen mit nicht ok)?
Vielen Dank im Voraus für einen Schubs in die richtige Richtung :)
29e1e4
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Re: Qualitätskontrolle Probenumfang

Beitragvon bele » Fr 22. Jul 2022, 21:23

Hallo 29e...,

das ist keine banale Frage, die Du da stellst und Du wirst sehr vorsichtig abwägen müssen, wie Du die Frage genau stellen willst. Ob Du zu 95% davon ausgehen kannst hängt ja von vielen Dingen ab: Bei einem bewährten Lieferanten dessen ungefähre Quote Du kennst wirst Du anders testen müssen als bei einem ganz neuen, ganz besonders billigen Anbieter. Wenn es bei der Frage um einen tatsächlichen modus operandi in einem echten Betrieb geht, bei dem echte Arbeitszeit mit echtem Geld bezahlt werden soll, dann macht es sicher Sinn, den ganzen Weg zu gehen, das bis auf dieses Niveau herunterzubrechen. Hier geht es häufiger um Übungen für Studierende, wo dieses Detailniveau eher nicht angestrebt wird.

Wie auch immer, googlen kannst Du nach der Poisson - Verteilung. Nehmen wir an, die Partikel können überall auf der ganzen Fläche mit gleicher Wahrscheinlichkeit landen. Bei 1000 Parikeln pro qm dürften auf einem 1,5cm² Stück im Durchschnitt höchstens 0,15 Partikel vorkommen. Wieviele dann wie oft vorkommen, darüber gibt die Poisson-Verteilung auskunft:

Code: Alles auswählen
> dpois(c(0:5), .15) |> round(3)
[1] 0.861 0.129 0.010 0.000 0.000 0.000


Also Untersuchungsausschnitte ohne Partikel müssten es 86%, mit einem Parikel 12,9%, mit zwei Partikeln 1% und alles darüber müsste selten vorkommen. Wenn jetzt an Deinem Arbeitsplatz ein Computer steht, könnte man zu Anzahl der beobachteten Partikel Konfidenzintervalle für die Partikelhäufigkeit berechnen. Wenn nicht, könnte man sich Tabellen machen.

Ich simuliere hier zehntausend mal die Summe von 20 Beobachtungen zu je 1,5cm^2 bei einer Parikelchance von .15 und frage den Rechner, wie groß diese Summe in den unteren 95% ist:

Code: Alles auswählen
> replicate(n = 10000, sum(rpois(n = 20, lambda = .15))) |> quantile(probs = .95)
95%
  6


Wenn also die Bedingungen einer Poisson-Verteilungen erfüllt sind und die Obergrenze von 0,15 Partikeln/Suchfeld erreicht wird, dann werden in 95% der Fälle nicht mehr als 6 Partikel in 20 Suchfeldern gefunden. Gleiches gilt für 40 Suchfelder und 10 Partikel oder für 100 Suchfelder und 22 Partikel.

Ob Du so oder anders an das Thema herangehen willst, wie Du die Fragestellung genau formulierst (was die 95% genau bedeuten sollen) das musst Du Dir noch überlegen, aber wie Du siehst, kannst Du Dich über die Poisson-Verteilung Deiner Fragestellung nähern.

LG,
Bernhard
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Re: Qualitätskontrolle Probenumfang

Beitragvon 29e1e4 » So 24. Jul 2022, 21:41

Hi Bernhard,
super, vielen herzlichen Dank, genau diese Info hab ich gesucht!!! :D :D :D Sind also, so wie ich das verstehe, 2 verschiedene Probleme kombiniert - einmal die Poisson-Verteilung und dann die Sache mit den Konfidenzintervallen (da blicke ich noch nicht ganz durch, aber da weiß ich zumindest, wonach ich suchen kann).
Nochmals danke :)
P.S.: Falls irgend jemand in Zukunft diesen Thread findet: Poisson-Verteilung hat genau auf mein Problem gepasst. Die Befehle, die Bernhard verwendet hat, nicht in der normalen Befehlszeile eingeben (wie ich fälschlicherweise), sondern dafür ist das Program "R" notwendig (Open Source).
LG
29e1e4
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