Auswahl von Prädiktoren

Alle Verfahren der Regressionanalyse.

Auswahl von Prädiktoren

Beitragvon Samhain » Do 21. Jun 2012, 11:42

Ich habe mittels MANCOVA die Haupt- und Interaktionseffekte von Panikstörung und Depression (nach PHQ-D) auf Wahrnehmungsfähigkeit (der Herzrate) untersucht und signifikante Ergebnisse erhalten. Da noch ein hoher Anteil nicht erklärter Varianz übrig ist, wollte ich zusätzlich Multiple Regressionen rechnen, um zu ermitteln, ob und wie stark der Einbezug weiterer Variablen ins Gewicht fällt. Ich habe hierzu aber keine besonderen Hypothesen, welche der erfassten sonstigen Variablen besonders wichtig sind oder nicht (alle, die ich einschließen würde, kämen als Prädiktoren in Frage), als da wären
Geschlecht (hier gibt es entsprechende Vorbefunde aus der Literatur)
Alter (hier gibt es entsprechende Vorbefunde aus der Literatur)
BMI (hier gibt es entsprechende Vorbefunde aus der Literatur)
Big Five Faktoren (Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit, Extraversion, Neurotizismus)
Skalen des Fragebogens zum Kompetenz- und Kontrollerleben (z.B. Selbstwirksamkeit, fatalist. Externalität, Internalität)
Skalen des Body Perception Questionnaire (z.B. Körperbewusstsein, Reaktivität des Autonomen Nervensystems, Stressreaktion, Stress Stil)
STAI (State- und Trait-Angst)
Zerssen Beschwerdeliste
BDI
PHQ-D-Subskalen (Depression, Panik, Generalisierte Angst, Somatisierung)

Im Andy Field (2009) habe ich gelesen, dass ich, wenn ich keine besonderen Hypothesen zur Gewichtung habe, mit einer rückwärtsgerichteten Regression am besten bedient werde, wobei ich alle Faktoren gleichzeitig in die Gleichung eingebe und jeweils die mit dem geringsten Erklärungswert einer nach dem anderen ausgeschlossen werden.

Natürlich könnte ich wegen der Vorbefunde aus der Literatur Alter, Geschlecht und BMI priorisieren und in einer Hierarchischen Analyse vorne positionieren. Ehrlich gesagt, halte ich die Faktoren jedoch für nicht so relevant und bei den anderen wüßte ich wiederum nicht, in welcher Reihenfolge ich sie abarbeiten wollte.

Jetzt habe ich aber z.T. Faktoren, die recht ähnliches messen (z.B. Depressionsscore BDI & Depressionsscore PHQ-D o. Somatisierungsskala PHQ-D und Zerssen BL). Soll ich jeweils einen der beiden Faktoren rausschmeißen?

Nachdem ich aus der MANCOVA weiß, dass es eine Interaktion zwischen Panik und Depression gibt, müsste ich auch den IA-Term Panik x Depression mit in die Regressionsgleichung einbinden, oder? Soll ich den dann gleichzeitig in die Regressionsgleichung einfügen oder die Gleichung mal mit und mal ohne durchrechnen, um zu prüfen, ob der Anteil erklärter Varianz steigt?

Ich hoffe, die Fragen sind nicht zu blöd und nachvollziehbar. Ich bin mir sicher, dass all das irgendwo in diesem Forum schon beantwortet wurde, aber ich habe es auf die Schnelle nicht gefunden.

Vielen Dank im voraus,
Samhain
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Re: Auswahl von Prädiktoren

Beitragvon daniel » Do 21. Jun 2012, 16:33

Da noch ein hoher Anteil nicht erklärter Varianz übrig ist, wollte ich zusätzlich Multiple Regressionen rechnen, um zu ermitteln, ob und wie stark der Einbezug weiterer Variablen ins Gewicht fällt.

Ist das Forschungsziel denn die Maximierung erklärter Varianz?

Natürlich könnte ich wegen der Vorbefunde aus der Literatur Alter, Geschlecht und BMI priorisieren und in einer Hierarchischen Analyse vorne positionieren. Ehrlich gesagt, halte ich die Faktoren jedoch für nicht so relevant und bei den anderen wüßte ich wiederum nicht, in welcher Reihenfolge ich sie abarbeiten wollte.


Diesen Weg würde ich gehen. Literatur und common sense sollte die Auswahl der Prädikatoren treffen, keine statistisch fragwürdigen Algorithmen. Es sei denn, das Forschungsziel besteht tatsächlich in der plumpen Maximierung von R^2.

Nachdem ich aus der MANCOVA weiß, dass es eine Interaktion zwischen Panik und Depression gibt, müsste ich auch den IA-Term Panik x Depression mit in die Regressionsgleichung einbinden, oder? Soll ich den dann gleichzeitig in die Regressionsgleichung einfügen oder die Gleichung mal mit und mal ohne durchrechnen, um zu prüfen, ob der Anteil erklärter Varianz steigt?


Ob Du wissen willst, ob, und wieweit die Aufnahme des Interaktionsterms die Varinazaufklärung erhöht, kann Dir niemand beantworten. Deine Forschungsfragen stellst Du schon selbst. Daher ist auch die Frage, ob die Interaktion aufgenommen werden muss/soll ohne den Kontext nicht zu beantworten.

Im Andy Field (2009)


Komplette Quellenangaben (Titel, Journal oder Verlag) wären nett.
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Re: Auswahl von Prädiktoren

Beitragvon Samhain » Do 21. Jun 2012, 17:35

Hallo Daniel,
erst mal vielen Dank für die ausführliche Antwort.

[/quote]
Ist das Forschungsziel denn die Maximierung erklärter Varianz?

In der Forschung zur Herzratenwahrnehmung haben wir das Problem, dass wir zwar immer wieder in Studien zeigen können, dass Panik und Depression die Wahrnehmungsfähigkeit verändern und beide Faktoren möglicherweise interagieren (Panik allein steigert die Herzfrequenzwahrnehmung, Depression allein steigert auch die Herzfrequenzwahrnehmung, Panik und Depression zusammen senken die Herzfrequenzwahrnehmung), dass aber ein beträchtlicher Teil von Probanden übrig bleibt, der trotz Panik oder Depression die vorhergesagten Wahrnehmungsveränderungen nicht zeigt. Die Hypothese lautet, dass es Konstellationen weiterer Einflussfaktoren geben müsse, die bestimmen, ob Angst und Depression ihre wahrnehmungsverändernde Funktion ausüben oder nicht. Z.B. bestimmte Persönlichkeitseigenschaften, Attributionsmuster oder gewohnheitsmäßige Interozeptionsbesonderheiten. Frühere Versuche (wurde in den 70er Jahren intensiv beforscht) schlugen fast immer fehl. Insofern ist ein Ziel der Studie schon, Faktoren zu finden, die über Angst und Depression hinaus Anteile der Varianz erklären. Die Faktoren Alter, Geschlecht und BMI wurden in der MANCOVA als Covariaten berücksichtigt, deswegen hatte ich die nicht so als Hauptverdächtige auf dem Kieker.

[/quote]
Ob Du wissen willst, ob, und wieweit die Aufnahme des Interaktionsterms die Varinazaufklärung erhöht, kann Dir niemand beantworten. Deine Forschungsfragen stellst Du schon selbst. Daher ist auch die Frage, ob die Interaktion aufgenommen werden muss/soll ohne den Kontext nicht zu beantworten.

Reicht der Abschnitt oben schon als Kontext aus?

[/quote]
Komplette Quellenangaben (Titel, Journal oder Verlag) wären nett.

Field, Andy (2009, 3rd ed.). Discovering Statistics using SPSS. And Sex and Drugs and Rock'n'Roll. London: Sage.
Für mich das bisher verständlichste und kurzweiligste Buch zum Thema Statistik. Wenngleich ich den Bortz auch nicht schlecht finde.

Gruß
Samhain
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Re: Auswahl von Prädiktoren

Beitragvon PonderStibbons » Do 21. Jun 2012, 22:34

Die Hypothese lautet, dass es Konstellationen weiterer Einflussfaktoren geben müsse, die bestimmen, ob Angst und Depression ihre wahrnehmungsverändernde Funktion ausüben oder nicht. Z.B. bestimmte Persönlichkeitseigenschaften, Attributionsmuster oder gewohnheitsmäßige Interozeptionsbesonderheiten.

Man kann, mehr oder minder theoriefrei, also explorativ, beliebig viele Faktoren
einbeziehen, sofern die Stichprobengröße ausreichend ist bzw. eine Kreuzvalidierung
der Ergebnisse möglich. Andernfalls produziert das die üblichen unreproduzierbaren
Ergebnisse, welche die Literaturkanäle so verstopfen.

Die eigentlich interessante Frage ist allerdings, wieso Du Regressionen mit einfachen
Prädiktoren rechnen willst, wenn doch Dein Thema (siehe Zitat oben) Moderator- und/oder
Mediatorbeziehungen sind. Also die Aufstellung theoretischer Modelle und deren
Überprüfung, die sich genau mit der Frage befassen, welche Faktoren die Beziehung
zwischen Angst/Depression und Wahrnehmung vermitteln, bzw. beeinflussen, bzw. unterdrücken.

Mit freundlichen Grüßen

P.
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