STATISTIK-FORUM.de

[Andreas567]

Liebe Foristen,

ich habe Euer Forum über Google gefunden.

Ich hoffe, ich darf mal Euch als Profis mit einer Frage belästigen. Es tut mir Leid,
trotz 13 Jahren Mathe in der Schule bin ich mathemäßig leider völlig talentfrei.

Ich möchte wissen, ob man die Wahrscheinlichkeit
eines Ereignisses berechnen kann, das ich erlebt habe.
Es interessiert mich, weil ich es einfach so, tja - unwahrscheinlich - empfinde.

Ein Kumpel meinte, ich solle vielleicht mal Lotto spielen.
Ich spiele tatsächlich immer ein Kästchen die Woche, aber da habe ich ab
und an mal eine einzige Zahl richtig, also das brachte bisher nix


Die Geschichte:

einer meiner besten Freunde hat vor Jahren bei einem Auslandssemester
in Polen seine heutige Ehefrau kennengelernt.

Die kirchliche Hochzeit war in Polen, im Städtchen O.,
zu dem wir mit einigen Leuten aus Deutschland ein Wochenende lang hin sind.

Auf der Hochzeit lerne ich die Freundin A. der Braut
kennen, es funkt ganz schön zwischen uns, aber sie
ist schon vergeben.

Ein paar Wochen später besucht sie uns aber alle hier
in Deutschland, das war ein schöner Besuch,. Auch
wenn zwischen uns leider nichts sein kann, denke
ich gerne an dieses Wochenende ihres Besuchs zurück.



Ein paar Jahre später stehe ich abends im Nachbarort und warte auf meinen Bus nach Hause.
Mir fällt gerade völlig zufällig ein, ach ja, es ist ja wieder das Wochenende, als uns A. besucht hat - ist das schon wieder ein Jahr mehr her. Wie die Zeit vergeht.

Ich schaue auf die Kreuzung vor mir und ich habe es gerade gedacht, da kommt
ein Auto mit polnischem Kennzeichen an die Kreuzung gefahren, blinkt, muss
ein paar Sekunden warten und biegt ab.
Lange genug, dass ich klar und deutlich auf dieses Kennzeichen starren kann und
denke, mich tritt ein Pferd. Es ist nämlich das Kennzeichen der Stadt O.!!

Leider zu schnell vorbei für ein Handyfoto.

Mein Freund hat sich kaputtgelacht....

Wie bitte kann man hier eine Wahrscheinlichkeit berechnen?

Nehmen wir an, ich wüsste die exakte Anzahl von
fahrtüchtigen Autos an diesem Tag in Europa.

Wieviele Autos gibt es an diesem Tag in Polen?
Wieviele sind zugelassen mit Kennzeichen der Stadt O.?

Und wieviele dieser Autos mit Kennzeichen O. befinden
sich an diesem Tag in Deutschland?

Der Nachbarort ist ein Städtchen mit 3000 Einwohnern,
ist das "Ländliche" ein Faktor? Man würde auf dem Land weniger
mit einem ausländischen Auto rechnen.
Jedoch haben wir mehrere Burgen als Touristenmagnet.

Und dann ja noch genau an dem Wochenende des Jahrestags
des Besuchs.

In der Viertelstunde, in der ich dort an der Kreuzung auf den Bus warte.

An diesem Tag hätte ich noch einen Bus später fahren können.


Kann man so etwas tatsächlich ernsthaft berechnen?
Man wird eher vom Blitz getroffen oder gewinnt halt im Lotto?
Oder hakt es ab als völlig unwahrscheinlichen Zufall, der
nicht oder nicht annähernd ausgerechnet werden kann



Ich hoffe, mein Anliegen ist für Euch einigermaßen
unterhaltsam und die Frage zu stellen ist für Euch im Forum somit ok.
Es ist eine Sache, die mich wirklich interessiert.


Bei Interesse gibt es tatsächlich zu diesem Ereignis
noch eine Fortsetzung!!! Kaum zu glauben.

Vielen herzlichen Dank für Eure Meldungen und Hilfe

Liebe Grüße,

Andreas

[PonderStibbons]

Besteht die Frage also darin, wie man die Wahrscheinlichkeit dieses Einzelereignisses berechnen könnte?

Mit freundlichen Grüßen

PonderStibbons

[bele]

Hallo Andreas,

um sowas zu berechnen wird man eine Reihe steiler Annahmen treffen müssen und Fakten recherchieren und dann kommt eine Zahl mit vielen Nullen hinter dem Komma heraus, die Dir nicht hilft. Wenn vorher jemand gesagt hätte: Du wirst genau nach einem Jahr ein Auto mit dem Nummernschild aus diesem Polnischen Städtchen sehen und das hätte sich so bewahrheitet, dann wäre das extrem krass. "Extrem krass" wird aber nicht besser oder schlechter, indem man da eine Zahl dran schreibt.

Tatsächlich passieren dauernd Sachen, die irgendwie krass sind. Ponderstibbons hat Dir im Jahr 2023 um die Uhrzeit 23:02 geantwortet. Siehst Du den Zahlendreher? Schon irgendwie spooky, oder? Wie groß war wohl die Wahrscheinlichkeit dafür? Und dann musst Du noch sehen, wie viele unwahrscheinliche Dinge alle nicht passiert sind. Einen Monat nachdem die Dame zu Besuch war, hast Du kein Auto aus der Stadt gesehen und ein halbes Jahr danach auch nicht und in der Tagesschau ist das Nummernschild auch nicht gewesen und, und, und.

Du hast halt eine verzerrte Wahrnehmung (nicht Du speziell, sondern wir als Menschen) weil Du vielen Dingen, die total unwahrscheinlich waren keine Bedeutung zuschreibst, vereinzelten Ereignissen aber eine große Bedeutung zuschreibst und Dich sogar in einem Forum anmeldest, um davon zu erzählen.

Ich hoffe, Deine Geschichte geht schön weiter und ich würde sie gerne lesen, aber aus der Unwahrscheinlichkeit des Ereignisses jetzt einen Wink des Schicksals, einübernatürliches Eingreifen oder einen Gottesbeweis abzuleiten bleibt irrational: Es passieren jeden Tag zehntausend Dinge um Dich, ab und zu wird mal eines bemerkenswert sein, ganz allein durch Zufall. Persönlich habe ich meinen Beruf ergriffen aufgrund einer Geschichte die so unwahrscheinlich ist, dass ich sie in einem Roman nicht erzählen würde - das wäre einfach zu unglaubwürdig zusammengereimt.

GLG,
Bernhard

[Andreas567]

Hallo PonderStibbons, hallo Bernhard,

vielen Dank für Eure Antworten.

Ja, es hat mich tatsächlich so beschäftigt, nicht dauernd,
aber immer wieder mal, dass ich mich hier angemeldet habe.

Nun, einen exakten Wert könnte
mir vielleicht der liebe Gott, das Universum an sich oder
wer oder was auch immer für den ganzen Krempel hier
verantwortlich ist, geben. Ist es Schicksal, Zufall, vielleicht doch die
Matrix oder doch noch etwas völlig anderes.

Es gibt ja einen schönen Satz, man solle Zufall nicht mit Schicksal verwechseln.

Ich habe mir schon öfter Gedanken zu so was gemacht.
Es gibt Häufungen, wie den Mann, der in seinem Leben
sieben oder acht Mal vom Blitz getroffen wurde, aber handfest beweisen
tut dies natürlich nichts.

Ich danke Dir für Deine tollen Ausführungen, Bernhard. Ja, so.wie ich gestrickt bin,
nehme ich persönlich so einen Vorfall dann "stärker" war an einem Jahrestag,
als an einem anderen beliebigen Tag dazwischen. Krass fand ich halt, dass ich nur wenige
Sekunden davor dran gedacht habe.


Du erlaubst mir dann die kleine Fortsetzung:
vor einer Weile haben mein Freund und seine Frau es dann endlich geschafft,
ihre Flitterwochen zu machen. Gesagt hat er vorher nix davon.
Plötzlich also habe ich eine Postkarte aus den Malediven im Briefkasten.

Im kleinen Dörfchen, in dem ich wohne, haben wir ein Budget-Hotel und
im Sommer ist dann die ganze Straße mit Autos aus ganz Europa wild zugeparkt.
Ich mache spät abends noch eine Spazierrunde durch den Ort, direkt am Hotel
ganz vorne parkt ein Auto, Kennzeichen Städtchen O. aus Polen
Genau an dem Abend und ganz vorne an der Ecke, sodass ich drüber gestolpert bin.
Das fand ich dann wieder irre, denn ich hatte die zwei länger thematisch nicht mehr
auf dem Schirm in meinen Gedanken gehabt.


Ich danke Euch sehr, viele Grüße

Andreas

[bele]

Hallo Andreas,

mein Großvater hatte eine Jugendliebe, aber irgendwie ist das Leben anders gelaufen. Beide haben dann geheiratet und waren in einem streng katholischen Umfeld damit für ewig getrennt. Oder auch nicht: Beide haben geheiratet, nachdem ihre jeweiligen ersten Lebenspartner verstorben sind. Unwahrscheinlich? Ja. Wirklich passiert? Ja.

Es gibt Häufungen, wie den Mann, der in seinem Leben sieben oder acht Mal vom Blitz getroffen wurde, aber handfest beweisen tut dies natürlich nichts.

Das beweist nicht nur nichts handfest, das bedeutet auch nicht. Es gibt auf der Welt Milliarden von Menschen von denen die allermeisten gelegentlich Gewitter erleben die aus jeweils sehr, sehr vielen Blitzen bestehen. Die Exposition zu Gewittern ist nicht bei allen gleich, sondern manche exponieren sich sehr vielen Gewittern.

Hoimar von Ditfurth hat mal geschrieben, dass unsere Gehirne so konstruiert sind, dass sie uns das Überlegen und Fortpflanzen sichern, nicht für verlässliche Erkenntnisse. Im Herzen die Instinkte eines Neanderthalers, in der Hand aber die Atombombe. Also pass auf, dass Dich kein magisches Denken zu fatalen Fehlentscheidungen führt. Lottospielen kann psychologisch gut sein. Belass es bei einem Kästchen pro Schein, da hast Du das beste Verhältnis aus psychologischem Nutzen zu finanziellem Aufwand.

LG,
Bernhard