Propensity Score Matching - die passende Methode?

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Propensity Score Matching - die passende Methode?

Beitragvon maja123456789 » Di 23. Jan 2024, 17:32

Hallo liebe alle,

ich habe eine Frage im Rahmen meiner Abschlussarbeit. Ich untersuche die Behandlungseffekte von Psychotherapie bei Patient*innen mit Depressionen. Ich schaue mir beispielsweise an wieviele Patient*innen Response oder Remission erlangen und ob Response oder Remission durch bestimmte Variablen vorhergesagt werden kann.
Als letzte Forschungsfrage soll ich die Gruppe mit Depressionen mit einer anderen Gruppe (Angsstörungen) vergleichen. Meine Betreuerin hat dazu das Propensity Score Matching vorgeschlagen. Ich habe mich in die Methode eingelesen und bin nun nicht sicher, ob es die richtige für meinen Vergleich ist..

Studien die PSM verwenden, vergleichen Effekte der Behandlung A mit Effekten der Behandlung B und versuchen durch PSM den Bias in der Stichprobenverteilung (Behandlung A vs. Behandlung B) auszubalancieren. Dabei werden jedoch immer Personen der gleichen Stichprobe verwendet.
Zum Beispiel vergleichen Ye & Kalkuttas (2009) alkoholkranke Patient*innen, die sich zu einer Behandlung mittels Treffen der AA entschließen (Gruppe A) oder nicht (Gruppe B). Da die Personen selbst entscheiden zu den AA Treffen zu gehen oder nicht, können Personen nicht zu den zwei Gruppen zugeordnet werden, wodurch ein Selektionsbias entsteht. Da verstehe ich, wie Matching helfen kann diesen auszugleichen.

Problem bei meiner Fragestellung ist aber: Es gibt ja nicht zwei Behandlungen für die gleiche Stichprobe, welche ich miteinander vergleichen kann. Es gibt Behandlung A für Patient*innengruppe A (Depression) und Behandlung B für Patient*innengruppe B (Angststörung). Dass sich die beiden Gruppen in ihren Basisvariablen unterscheiden ist ja kein Bias (den man mit PSM balancieren sollte), sondern entspricht der Realität, dass bestimmte Personen eher an Depressionen als an Angststörungen erkranken.

Ich frage mich nun, ob Propensity Score Matching für meine Fragestellung überhaupt die passende Methode ist, oder ob ich bislang übersehen habe wie ich die beiden Gruppen passend miteinander Matchen kann? Bzw. wie sich dadurch dann die Fragestellung ergibt..

Vielleicht versteht ja jemand mein Problem und kann mir weiterhelfen. Das würde mich sehr freuen! :)
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Re: Propensity Score Matching - die passende Methode?

Beitragvon bele » Di 23. Jan 2024, 18:10

Hallo Maja,

maja123456789 hat geschrieben:Es gibt ja nicht zwei Behandlungen für die gleiche Stichprobe, welche ich miteinander vergleichen kann.


Das "ja" in dem Satz ist völlig falsch. Es impliziert, dass wir irgendetwas darüber wüssten, was für Daten Du da hast, was für Behandlungen gemacht wurden etcpp. Das hast Du aber noch nicht besonders ausführlich beschrieben. Vielleicht gibt es ja Variablen, die bei beiden Erkrankungsgruppen zur Heilung beitragen oder diese behindern? Vielleicht behindert geringe Bildung die Psychotherapie ist aber unabhängig davon, ob man Angststörungen oder Depressionen bekommt? Ich denke das muss man sich auf diesem Niveau per Variable überlegen.

Ansonsten würde ich Dich zum Thema Propensity Score Matching gerne auf dieses Youtube-Video hinweisen: https://youtu.be/rBv39pK1iEs?si=cNDSLi9NmZrEg2JJ

LG,
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Re: Propensity Score Matching - die passende Methode?

Beitragvon maja123456789 » Di 23. Jan 2024, 18:18

Hallo Bernhard,

Danke für den Hinweis und das Video. Das werde ich mir gleich ansehen.

Zu den Daten, vielleicht noch kurz folgende Informationen: Die Daten entstammen einem Datensatz eines Psychotherapeutischen Instituts, in welchem Personen unter anderem wegen Depressionen und Angststörungen behandelt werden. Beide Störungen werden nach ähnlichen, jedoch nicht den gleichen therapeutischen Manualen behandelt. Daher habe ich zwei Personengruppen und zwei Behandlungsformen.

Vielleicht weiß ja hier noch jemand einen Rat.Ich würde mich sehr freuen. :)
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Re: Propensity Score Matching - die passende Methode?

Beitragvon bele » Di 23. Jan 2024, 18:34

Der Rat lautet: Beschreib bitte mal, was es mit den zwei Behandlungsformen auf sich hat. Sind das je eine für jede Erkrankungsgruppe oder sind das zwei Schulen die man sowohl für Depressionen als auch für Angststörungen verwenden kann? Wenn letzteres, geht es um den Vergleich beider Erkrankungsgruppe oder beider Therapieschulen oder irgendwie beides? Kannst Du konkret Variablen nennen, für die Du mit Matching kontrollieren willst? Immer wieder eine Nachfrage wert: Wieviele Patienten sind das? Beim Matching geht es darum, dass man nur einen Teil seiner Patienten untersucht und die anderen verwirft, weil sie nicht matchen. Vielleicht wäre der Fallzahlverlust ja eine Argumentationsebene, der Betreuerin das mit dem Matching auszureden?

LG,
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Re: Propensity Score Matching - die passende Methode?

Beitragvon PonderStibbons » Di 23. Jan 2024, 22:10

Als letzte Forschungsfrage soll ich die Gruppe mit Depressionen mit einer anderen Gruppe (Angsstörungen) vergleichen.

Mit welcher ganz konkreten Fragestellung bzw. zu welchem Zweck, mit welcher Absicht?
Meine Betreuerin hat dazu das Propensity Score Matching vorgeschlagen. Ich habe mich in die Methode eingelesen und bin nun nicht sicher, ob es die richtige für meinen Vergleich ist..

Du hast gut recherchiert. Hier deutet IMO nichts unmittelbar darauf hin, dass Propensity Score Matching angebracht
ist. Aber wie gesagt ist die Forschungsfrage nicht explizit genannt.

Wie schon bele gefragt hat, welche Variablen sollen denn für die Bildung des Scores verwendet werden? Und wie groß
sind die beiden Gruppen?

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Propensity Score Matching - die passende Methode?

Beitragvon maja123456789 » Mi 24. Jan 2024, 17:39

Vielen Dank bele und PonderStibbons für die Antworten.

In der Abschlussarbeit schaue ich allgemein, wie Patient*innen mit Depressionen auf die Verhaltenstherapeutische Behandlung ansprechen. Wie entwickelt sich die Symptomatik im Laufe der Therapie? Wie unterscheidet sich der Verlauf zu verwandten Störungsbildern? Dazu darf ich Daten aus einem psychotherapeutischen Institut verwenden. Dort wurden alle 10 Sitzungen Fragebögen ausgefüllt.

Zur Untersuchung der übergeordneten Forschungsfrage werden folgende Fragen Teil der Arbeit sein:
1. Wie hoch ist die Response- und Remissionsrate bei Patient*innen mit Depressionen?
2. Wie verändern sich primäre und sekundäre Symptomatik über die drei (oder vier) Messzeitpunkte? (Gerichtete Fragestellung, H1: Reliable Veränderung durch Therapie nach RCI)
3. Was sind Prädiktoren für Response und Remission bei Zwangsstörung? Dazu habe ich bereits einige Prädiktoren aus der Literatur herausgearbeitet, die ich als relevant vermute.
4. Vergleich von Depressionen und Angststörungen: Wie hoch ist die Response- und Remissionsrate bei Patient*innen mit Angststörungen? Ist Response und Remission sig. verschieden von den Raten der Zwangsstörungen?
5. In welchen Variablen unterscheiden sich Patient*innen mit Depressionen von Patient*innen mit Angststörungen? Oder anderer psychischer Erkrankungen (Es gibt auch eine allgemeine Vergleichsgruppe, Patient*innen mit verschiedenen Störungsbildern)?
6. Wenn für die störungsspezifisch abweichenden Variablen aus 5. konstant gehalten werden, sind Remission und Regression dann weiterhin signifikant verschieden?

Die Idee meiner Betreuerin ist das Propensity Score Matching bei der 6. Fragestellung anzuwenden, um beide Gruppen zu vergleichen und auf Ebene der Basisvariablen zu Matchen (beispielsweise Geschlecht, Alter, weitere soziodemografische Variablen). Hier entsteht meine Frage. Ich weiß nicht, ob Propensity Score Matching hier die richtige Methode ist..

Es handelt sich bei den Behandlungen um Behandlungen die sich recht ähnlich für beide Gruppen (Depression und Angststörung) sind, jedoch nicht identisch.

Die Patient*inenngruppe mit Depressionen ist aktuell bei 25 Personen, die bereits 20 Sitzungen durchlaufen haben und daher für meine Fragestellung dienen könnten
Die Patient*innengruppe mit Angststörungen ist aktuell bei 35 Personen zu t20.
Die allgemeine Patient*innengruppe liegt bei 75 Personen zu t20.
Die Gruppen sind also nicht besonders groß, insbesondere die Experimentalgruppe.

Ich hoffe, meine Ausführungen machen etwas deutlicher wohin es mit der Abschlussarbeit gehen soll. Ich freue mich über eure Rückmeldungen.

Liebe Grüße
Maja
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Re: Propensity Score Matching - die passende Methode?

Beitragvon bele » Mi 24. Jan 2024, 22:53

Hallo Maja,

maja123456789 hat geschrieben:Die Patient*inenngruppe mit Depressionen ist aktuell bei 25 Personen, [...]
Die Patient*innengruppe mit Angststörungen ist aktuell bei 35 Personen [...]
Die allgemeine Patient*innengruppe liegt bei 75 Personen[...]
Die Gruppen sind also nicht besonders groß, insbesondere die Experimentalgruppe.


Das verwirrt mich. Ich hatte vorher weder etwas von einer allgemeinen Patientengruppe noch von einer Experimentalgruppe gelesen, aber das ist auch egal, ich werde mich ohnehin jetzt zurückziehen.

Was sind Prädiktoren für Response und Remission bei Zwangsstörung? Dazu habe ich bereits einige Prädiktoren aus der Literatur herausgearbeitet, die ich als relevant vermute.


Oben waren wir bei Angst und Depressionen, jetzt bei Zwängen. Ich befürchte, dass "einige Prädiktoren aus der Literatur" rasch zuviele für Gruppengrößen von 25 und 35 werden. Wenn Matching Sinn machen soll, dann gibt es auch immer Patienten die nicht matchen. Die zu verwerfen, bei so kleinen Zahlen, würde ich spontan zurückweisen.

Die Idee meiner Betreuerin ist das Propensity Score Matching bei der 6. Fragestellung anzuwenden, um beide Gruppen zu vergleichen und auf Ebene der Basisvariablen zu Matchen (beispielsweise Geschlecht, Alter, weitere soziodemografische Variablen). Hier entsteht meine Frage. Ich weiß nicht, ob Propensity Score Matching hier die richtige Methode ist..


Die naheliegende Alternative wäre es, solche Dinge als Kontrollvariablen in ein Regressionsmodell aufzunehmen. Fancy Alternative wäre, die Propensity scores nicht zum Matching, sondern zum Inverse Probability Weighting zu verwenden.

Viel Erfolg,
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