Auswahl nichtparam. Test, abhängige und unabh. Stichprobe

Auswahl nichtparam. Test, abhängige und unabh. Stichprobe

Beitragvon sous » Do 20. Jun 2024, 23:54

Hallo zusammen,

ich schreibe aktuell meine Masterarbeit und möchte hierfür u.a. untersuchen, ob es einen Unterschied zwischen dem Vertrauen, was Kunden in Regionalbanken (RB) und dem Vertrauen, dass Kunden in andere Banken (AB) haben gibt. Das Konstrukt "Kundenvertrauen" würde ich in einer standardisierten Befragung anhand von 5 Items mit einer 5-stufigen Likertskala prüfen.

Aktuell versuche ich meinen Fragebogen zu entwerfen, allerdings stellt sich mir hierbei schon eine Frage, die mit der anschließenden Auswertung zusammen hängt.

Hier meine Gedankengänge:

Szenario 1: Nur Hauptbankverbindung (RB oder AB)
Im Fragebogen wird anhand der Items geprüft, inwieweit Kunden ihrer Bankverbindung (RB oder AB) vertrauen.
In diesem Szenario hätte ich unabhängige, ordinale Daten und von einer NV ist nicht auszugehen. Also würde ich den Mann-Whitney-U-Test anwenden.

Szenario 2: Kunde bei RB und AB
Grundsätzlich können die Befragungsteilnehmer sowohl Kunde einer RB als auch einer AB sein. Das bedeutet, ich könnte Kunden beider Bankgruppen befragen, inwieweit sie RB vertrauen und anschließend inwieweit sie AB vertrauen. Nach meinem Verständnis hätte ich dann jedoch eine abhängige Stichprobe mit ordinalen Daten, sodass ich den Vorzeichentest anwenden müsste?

Szenario 3: Nur RB, nur AB, RB und AB
Die meisten Daten würde ich theoretisch erfassen, wenn ich alle Teilnehmer befrage, inwieweit sie Ihrer Hausbank vertrauen und dann im zweiten Schritt frage, inwieweit sie (falls vorhanden) bei einer weiteren Bankverbindung dann der anderen Bankgruppe dieser vertrauen. Das würde aber letztendlich dazu führen, dass manche Probanden dann nur z.B. in RB enthalten sind und andere hingegen in RB und AB. So hätte ich weder eine abhängige noch eine unabhängige Stichprobe. Heißt, dieses Szenario wäre Quatsch?

Als Nullhypothese hätte ich formuliert: Das Vertrauen, dass Kunden in die eigene Bank haben, unterscheidet sich nicht nach der Gruppe, der Regionalbanken (RB) und der Gruppe der Direktbanken, Neobanken und Neobroker (AB).

Ich hoffe, dass mir hier jemand weiterhelfen und ich mein Gedankenchaos entwirren kann ;)

Vielen Dank und viele Grüße!
sous
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Re: Auswahl nichtparam. Test, abhängige und unabh. Stichprob

Beitragvon bele » Fr 21. Jun 2024, 09:34

Hallo sous,

an der Stelle kommt es jetzt sehr auf den Anspruch der Arbeit an. Wenn Mann-Whitney-Test und Vorzeichentest die einzigen zur Verfügung stehenden Werkzeuge sind, dann muss man damit die Aufgabe bewältigen, wenn das aber eine echte Forschungsarbeit sein sollte, würde man sich mit diesen einfachen Mitteln nicht begnügen wollen.

Es wäre ja ohne weiteres denkbar, dass die Kunden der einen Regionalbank alle sehr viel Vertrauen in ihre Regionalbank haben und die Kunden der anderen Regionalbank guten Grund für mangelndes Vertrauen in ihre Regionalbank haben. Deine Aussage "Kunden von Regionalbanken haben soundsoviel viel Vertrauen" hängt dann total davon ab, wie die Gruppe der Befragten hinsichtlich dieser beiden Banken zusammengesetzt ist. Will sagen, innerhalb der Gruppe "Regionalbankkunde" sind die Werte nicht identisch und unabhängig verteilt ("i.i.d.") was aber eine Anwendungsvoraussetzung des Mann-Whitney-Tests ist.
Außerdem fände ich es fragwürdig, Einflussvariablen wie Geschlecht und Alter außen vor zu lassen. Vielleicht gibt es ganz viele junge Menschen, die erst kürzlich von der Pleite der Silicon-Valley-Bank gehört haben oder ganz viele ältere, die das Thema Commerzbank mitbekommen haben. So etwas könnte die Einschätzung stark beeinflussen. Vielleicht befinden die Jungen sich großteils in einer Internet-Bubble zum Thema Croptowährungen wo Zweifel an unserem Bankensystem genährt werden, ...

Bitte teile uns mit, ob komplexe Verfahren der Statistik grundsätzlich infrage kommen oder ob es für Deinen Ausbildungsstand auch als Master ok ist, sich auf simple Verfahren des Gruppenvergleichs zu beschränken.

Als zweites würde ich Dich bitten, Dir diesen Thread einmal durchzulesen und danach die Einschätzung Deiner Daten als ordinal noch einmal zu hinterfragen. Es wäre schon schön, wenn man anstelle eines Vorzeichentests einen Vorzeichenrangtest verwenden könnte.

GLG,
Bernhard
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Re: Auswahl nichtparam. Test, abhängige und unabh. Stichprob

Beitragvon sous » Fr 21. Jun 2024, 12:04

Hallo Bernhard,

erstmal vielen Dank für deine schnelle Antwort!

Im Rahmen der Masterarbeit würde es meiner Ansicht nach wahrscheinlich ausreichen auf simple Verfahren zu beschränken. Nichtsdestotrotz habe ich natürlich für mich persönlich den Anspruch eine saubere Untersuchung bzw. Auswertung durchzuführen. Insgesamt sollte es natürlich dennoch in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis bleiben.

Es wäre ja ohne weiteres denkbar, dass die Kunden der einen Regionalbank alle sehr viel Vertrauen in ihre Regionalbank haben und die Kunden der anderen Regionalbank guten Grund für mangelndes Vertrauen in ihre Regionalbank haben. Deine Aussage "Kunden von Regionalbanken haben soundsoviel viel Vertrauen" hängt dann total davon ab, wie die Gruppe der Befragten hinsichtlich dieser beiden Banken zusammengesetzt ist. Will sagen, innerhalb der Gruppe "Regionalbankkunde" sind die Werte nicht identisch und unabhängig verteilt ("i.i.d.") was aber eine Anwendungsvoraussetzung des Mann-Whitney-Tests ist.

--> Ich bin mir leider nicht ganz sicher, was du meinst bzw. wo mein Fehler liegt.
Also angenommen ich würde meinen Fragebogen wie in Szenario 1 ausgestalten. Also die Umfrageteilnehmer geben an, ob sie ihre Hauptgeschäftsverbindung bei einer Regionalbank oder anderen Bank haben (z.B. Neobank, Direktbank) und anschließend stelle ich meine Fragen zu der Zufriedenheit bezügl. ihrer Bankengruppe, dann wären die Stichproben doch unabhängig? Gründe gegen eine identische Verteilung kann ich auch nicht erkennen. Anders wäre es in Szenarien 2 und 3, da dort keine Unabhängigkeit vorliegt? Richtig?


Bitte teile uns mit, ob komplexe Verfahren der Statistik grundsätzlich infrage kommen oder ob es für Deinen Ausbildungsstand auch als Master ok ist, sich auf simple Verfahren des Gruppenvergleichs zu beschränken.

--> Wie würde man in "richtigen Forschungsarbeiten" vorgehen?
Ich könnte mir vorstellen, dass man z.B. über die Rangkorrelation nach Spearman untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und dem Alter bzw. Geschlecht gibt. So würden diese beiden weiteren Einflussvariablen nicht gänzlich unbeachtet bleiben. Ich vermute allerdings, dass du mit" komplexeren Verfahren der Statistik" etwas anderes meinst?´


Als zweites würde ich Dich bitten, Dir diesen Thread einmal durchzulesen und danach die Einschätzung Deiner Daten als ordinal noch einmal zu hinterfragen. Es wäre schon schön, wenn man anstelle eines Vorzeichentests einen Vorzeichenrangtest verwenden könnte.

--> Der Vorzeichenrangtest könnte nach meinem Verständnis angewendet werden, wenn sich die Abstände der Werte sinnvoll interpretieren lassen. Das würde bedeuten, sofern ich die Likert-Skala so interpretiere, dass ein "Stimme voll und ganz zu" doppelt so gut ist, wie ein "Stimme zu" wäre dies erfüllt. Infolgedessen wäre dann der Vorzeichenrangtest anwendbar?

Vielen Dank für deine Unterstützung!

VG (ebenfalls) Bernhard ;)
sous
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Re: Auswahl nichtparam. Test, abhängige und unabh. Stichprob

Beitragvon bele » Fr 21. Jun 2024, 14:02

Hallo sous,

sous hat geschrieben:Im Rahmen der Masterarbeit würde es meiner Ansicht nach wahrscheinlich ausreichen auf simple Verfahren zu beschränken. [...] Insgesamt sollte es natürlich dennoch in einem angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnis bleiben.


Gut, dann wollen wir es nicht zu kompliziert machen.

Also angenommen ich würde meinen Fragebogen wie in Szenario 1 ausgestalten. Also die Umfrageteilnehmer geben an, ob sie ihre Hauptgeschäftsverbindung bei einer Regionalbank oder anderen Bank haben (z.B. Neobank, Direktbank) und anschließend stelle ich meine Fragen zu der Zufriedenheit bezügl. ihrer Bankengruppe, dann wären die Stichproben doch unabhängig?


Es geht mir nicht darum, dass die Stichproben unabhängig sind. Es geht mir darum, dass Stichprobe der Direktbanken Kunden der ING, der DKB und Kunden der C24 enthält. Ich unterstelle, dass es nicht egal ist, ob ein Kunde bei der ING, der DKB oder der C24 ist. Sagen wir, die DKB hat drei Wochen lang Probleme mit dem Homebanking Server und nur ihre Kunden verlieren alle das Vertrauen. Dann erhebst Du eben nicht mehr die Zufriedenheit mit Neobanken sondern die Zufriedenheit mit je einer der drei Direktbanken. Im Fachjargon: Die Befragten sind in ihren Banken genestet. Deine Stichprobe ist nicht repräsentativ für "Direktbankkunden" sondern für Kunden die zu 20% ING-, zu 50% DKB- und zu 30% C24-Kunden sind". Wen genau interessiert so eine Stichprobe?

Du kannst ja mal nach "nested data" oder "hierarchical model" suchen und wirst mehr Erklärungen finden, hoffentlich bessere als meine.

Gründe gegen eine identische Verteilung kann ich auch nicht erkennen. Anders wäre es in Szenarien 2 und 3, da dort keine Unabhängigkeit vorliegt? Richtig?


--> Wie würde man in "richtigen Forschungsarbeiten" vorgehen?
Ich könnte mir vorstellen, dass man z.B. über die Rangkorrelation nach Spearman untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit und dem Alter bzw. Geschlecht gibt. So würden diese beiden weiteren Einflussvariablen


Als Arzt kann ich nicht sagen, was in dieser Nische üblich ist, aber in der Regel sind gesellschaftswissenschaftliche Fragestellungen immer multivariat, d. h. man rechnet nicht paarweise Korrelationen sondern multiple Regressionen oder Varianzanalysen in denen Alter, Bank und Geschlecht und vielleicht politische Orientierung alle gleichzeitig in ein Rechenmodell eingehen. In diesem Fall eben wahrscheinlich ein hierarchisches Modell (random effects pro Bank oder so). Wie gesagt, wir wollen es hier nicht unnötig komliziert machen. Du sollst hier die Hilfe bekommen, die für Dein konkretes Projekt passt.


Der Vorzeichenrangtest könnte nach meinem Verständnis angewendet werden, wenn sich die Abstände der Werte sinnvoll interpretieren lassen. Das würde bedeuten, sofern ich die Likert-Skala so interpretiere, dass ein "Stimme voll und ganz zu" doppelt so gut ist, wie ein "Stimme zu" wäre dies erfüllt.


Bei sinnvoller Zusammenstellung wird die Summe der Antworten auf mehrere Items oft wie eine metrische Größe behandelt. Dafür steht der Name Likert. Ob man die einzelne Antwort metrisch behandeln kann ist sehr umstritten und hängt letztlich an Deinem Betreuer.

LG,
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Re: Auswahl nichtparam. Test, abhängige und unabh. Stichprob

Beitragvon sous » Sa 22. Jun 2024, 14:35

Hallo Bernhard,

vielen Dank für die ausführlichen Erklärungen und Hinweise. Ich habe die Problematik nun verstanden.

Ich werde mich jetzt wohl noch etwas ausführlicher mit statistischen Verfahren beschäftigen und anschließend mit meiner Betreuerin Rücksprache halten.

Vielen Dank für deine super Hilfe!

Viele Grüße!
sous
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