Messfehler bei Single Item Messung mit MPlus

Messfehler bei Single Item Messung mit MPlus

Beitragvon thmeier » Di 2. Okt 2012, 15:56

Hallo zusammen,

ich habe ein Problem, was mein Strukturmodell betrifft (Auswertung in Mplus). Es gibt bei mir einige Faktoren, die ich nur mit einer einzigen Frage erhebe (single Item Messung). Jetzt habe ich gehört, dass ich hier den Messfehler festlegen muss. Aber auf was? Auf 1 oder auf 0? Und weiß jemand, wie ich diesen Befehl in MPlus aufnehme?
Beispiel: Ich würde z.B. die Kundenzufriedenheit (KuZu) mit einer einzigen Frage (v_1) erheben und möchte gucken, wie der reflektive Faktor Informationsqualität (Info) die Kundenzufriedenheit erhöht.
Würde ich als Input eingeben:
KuZu by v_1;
KuZu @ 0 (oder 1 --> je nachdem, auf was ich den Fehler setzen muss);
KuZu on Info;

Ist das richtig?

Danke für Eure Hilfe!!!!
thmeier
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Re: Messfehler bei Single Item Messung mit MPlus

Beitragvon Holgonaut » Di 2. Okt 2012, 16:57

Hi,

Ich schreib erst mal allgemein was über Fixierung von Messfehlervarianzen (unten kommt etwas zu Deinem konkreten Fall):

Allgemein sollte man die Fehlervarianz weder auf 1 noch auf 0 setzen.

Eine Fehlervarianz von 1 ist ein fester Wert - je nachdem, wie hoch die Indikatorvarianz ist, kann das sogar unmöglich sein (wenn die Varianz kleiner 1 ist). Eine Fehlervarianz
von 0 impliziert, dass du annimmst, dass Kundenzufriedenheit perfekt / messfehlerfrei gemessen wurde.

Hayduk - ein Vertreter von single-indikator-Variablen mit fixierten Fehler - empfiehlt, einen theoretisch als plausibel betracheten %Anteil der Varianz zu spezifizieren. Ist die
Indikatorvarianz also 2.2 und du bist der Ansicht, dass das item 10% Fehler hat, würdest du die Varianz auf .2 fixieren.

Das wird natürlich immer mit dem korrekten Hinweis kritisiert, dass man ja nicht weiß, wie hoch der Fehler ist und es eine theoretische Annahme ist. Aber:
a) Ein Modell IST eine Sammlung theoretischer Annahmen. Das eine Variable einen Effekt auf eine andere ist auch eine Annahme/Hypothese
b) Eine Null-Fixierung ist wie o.g. die Annahme, dass die Messung perfekt ist und a priori absurd. Jede nonzero-Alternative ist daher plausibler
c) Hayduk argumentiert zu dem, dass du mit der Fixierung die konzeptionelle Distanz zwischen Indikator und latenter Variable *steuerst* - eine Nullfixierung impiziert dabei die Identität
von Indikator und "latenter" Variable (sie ist dann faktisch nicht mehr latent sondern identisch mit der Messung). Je höher die Fehlervarianz um so mehr Distanz erlaubst du daher zwischen
beiden - was je nach Messung/Klarheit - theoretisch sinnvoller ist oder nicht. Zentral bei alldem ist zudem, dass die latente Variable ja eingebettet ist in eine restriktive Kausalstruktur, die
(1) getestet wird (möglichst mit dem Chi-Quadrat-Test) und (2) erlaubt, die Validität/Bedeutung der latenten Variable abzuschätzen. Diese beiden Punkte vergessen Leute oft, die gerne
mehrere Indikatoren pro latenter Variable haben wollen aber den misfit dieser Modelle dann wegerklären ;)

ALLERDINGS ist es für eine abhängige Variable völlig schnuppe, wie reliabel / messfehlerbehaftet sie ist - der Effekt der unabhängigen Variable wird davon nicht berührt, weil jeder Messfehler
sich im Störterm der Variable wiederfindet. Es ist also für Deinen Fall egal, wie hoch du die Fehlervarianz ansetzt.

Gruß
Holger

Hayduk, L. A. (1990). Should model modifications be oriented toward improving data fit or encouraging creative and analytical thinking? Multivariate Behavioral Research, 25(2), 193-196.

Hayduk, L. A., Pazderka-Robinson, H., Cummins, G. G., Boadu, K., Verbeek, E. L., & Perks, T. A. (2007). The weird world, and equally weird measurement models: Reactive indicators and the validity revolution. Structural Equation Modeling, 14(2), 280-310.

Hayduk, L. A., & Glaser, D. N. (2000). Jiving the four-step, waltzing around factor analysis, and other serious fun. Structural Equation Modeling, 7(1), 1-35.
http://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1 ... SEM0701_01

Onyskiw, J. E., & Hayduk, L. A. (2001). Processes underlying children's adjustment in families characterized by physical aggression. Family Relations, 50(4), 376-385.
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Re: Messfehler bei Single Item Messung mit MPlus

Beitragvon thmeier » Di 2. Okt 2012, 20:27

Hallo,

also erstmal vielen Dank für Deine Antwort!
Nur um mal den Kern festzuhalten: Es ist egal ob und auf was ich den Messfehler festsetze - in meiner Auswertung dürfte sich also kein Unterschied finden?
Also könnte ich darauf auch theoretisch verzichten.

Danke und viele Grüße :-)
thmeier
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Re: Messfehler bei Single Item Messung mit MPlus

Beitragvon Holgonaut » Di 2. Okt 2012, 20:53

im Fall der abhängigen Variablen ja. Bei unabhängigen Variablen ist das ganz anders. Da führen Messfehler zur Verzerrung der Effekte.

Gruß
Holger
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Re: Messfehler bei Single Item Messung mit MPlus

Beitragvon thmeier » Di 2. Okt 2012, 23:26

Hallo Holger,

ok, verstehe. Wie sieht denn das bei unabhängigen Variablen aus? Auch wenn theoretisch unmöglich, sollte ich dann denn Messfehler auf 0 setzen? (Mir wurde nur gesagt ihn auf 1 oder auf 0 festzusetzen - Welcher der beiden Werte genau, da war man sich nicht sicher in der Uni. Aber es war scheinbar nur eine Lösung richtig und ich sollte mir die richtige Antwort selbst suchen). 0 würde quasi bedeuten ich gehe von keinem Messfehler aus und 1? Würde das dann bedeuten, dass meine Messung zu 100% falsch wäre?
Mein Beispiel war wirklich nur als Beispiel zu verstehen. Die Single Item Messungen sind sowohl in den Determinanten und Outcomes, aber auch in den mediierenden Faktoren zu finden.

Würde mich über eine Antwort sehr freuen!!! Und vielen Dank auch für die Artikel - die werde ich mir mal raussuchen :-)

viele Grüße
thmeier
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Re: Messfehler bei Single Item Messung mit MPlus

Beitragvon Holgonaut » Di 2. Okt 2012, 23:35

Hi,

genau das hab ich eigentlich ausführlich beantwortet. Zur Fixierung auf 1: Das bedeutet dass die Fehlervarianz eben 1 ist. Ist die item-Varianz (wie im o.g. Beispiel) 2.2, bedeutet das, dass etwa 50% dieser Varianz Messfehler ist.

Gruß
Holger
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Re: Messfehler bei Single Item Messung mit MPlus

Beitragvon Kristin_ » So 15. Sep 2013, 13:25

Liebe alle,

wenn ich nun eine Korrelation zwischen meinen AV, welche mit einem Item gemessen wurden annehme, ändert dies auch nichts daran, dass ich den Messfehler nicht spezifizieren muss?

VG
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Re: Messfehler bei Single Item Messung mit MPlus

Beitragvon Holgonaut » So 15. Sep 2013, 13:32

Hi Kerstin,

Korrelationen werden durch Messfehler verzerrt. In Regressionsmodell ist das anders. Stell dir dazu einfach ein Streuungsdiagramm vor mit einer Regressionsgerade. "Schießt" du jetzt zufällg
Fehler in Y, dann nimmt die Streeung um die Regressionsgerade zu. Aber an der Steigung der Gerade ändert dies nichts.

Grüße
Holger
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Re: Messfehler bei Single Item Messung mit MPlus

Beitragvon Kristin_ » So 15. Sep 2013, 13:46

Vielen Dank erstmal, dass du dich meiner annimmst. :) Also sollte ich bei einer single-Item-messung beim Berichten angenommener Korrelationen zwischen den endogenen Variablen vorsichtig sein, da diese hierbei besonders stark verfälscht sein kann?
Kristin_
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Re: Messfehler bei Single Item Messung mit MPlus

Beitragvon Holgonaut » So 15. Sep 2013, 13:50

Das kann man pauschal nicht sagen. Mir ist eine lupenreine single-Item-Messung weitaus lieber, als unklare Skalen, die aus völlig heterogenen items zusammengesetzt sind.

Abgesehen davon sollte man sowieso keine Korrelationen berechnen und interpretieren - über deskriptive Illustrationen eines allgemeinen Zusammenhangs hinaus.

Da solltest du eher ansetzen - eben durch ein Modell mit gescheiten Kontrollvariablen oder Instrumentalvariablen.

Grüße
Holger
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