Wertigkeit von ZENSUS-Erhebungen

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Wertigkeit von ZENSUS-Erhebungen

Beitragvon HMS63 » Fr 8. Feb 2013, 18:48

Sehr geehrte Forenfachleute,

... die Agentur ZENSUS führt aktuell in NRW repräsentative statistische Erhebungen durch. Für mich ist in diesem
Zusammenhang jedoch unklar, ob diese Stichprobe (von 1 Prozent) wirklich die realen Bevölkerungsverhältnisse
wiedergibt. Es ist zwar verständlich, dass man als Auftraggeber einer derartigen Erhebung den diesbezüglichen Aufwand begrenzen möchte aber maßgeblich für eine derartige Datensammlung ist eigentlich der Aussagewert und daran habe
ich wie gewisse Zweifel.

Eine andere Frage befasst sich mit der Notwendigkeit hier eine realistische Schwankungsbreite anzusetzen um natur-
gemäße Ungenauigkeiten zu kompensieren. Für mich ist hier wissenswert wie hier konkret das Statistische Landesamt
NRW diese festlegt. Das ist zwar eine theoretische Frage, aber m. E. grds. eine nicht unwichtige ...
HMS63
Mitglied
Mitglied
 
Beiträge: 20
Registriert: Do 13. Sep 2012, 14:14
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 0 mal in 0 Post

Re: Wertigkeit von ZENSUS-Erhebungen

Beitragvon aziz » Sa 9. Feb 2013, 00:16

Hallo,

vielleicht hilft dir dies fürs Verständnis:

[url]
https://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Datensc ... zensus.php
[/url]

[url]
http://www.bidmon.de/blog/2010/03/studi ... ativ-html/
[/url]

Gruß
aziz
 
Danke gegeben:
Danke bekommen: mal in Post

Re: Wertigkeit von ZENSUS-Erhebungen

Beitragvon daniel » Sa 9. Feb 2013, 11:43

Man kann, (und hat sicher) Artikel oder ganze Bücher zum Begriff der Representativität schreiben. Auf einen Nenner gebracht lässt sich sagen: es gibt keine Representativität.

Der naheliegende Grund ist zunächst, dass es keine allgemein annerkannte/gültige Defininition dieses Begriffes gibt. Meines Wissen verstehen die meisten unter einer representativen Befragung entweder,

(i) dass die Verteilung der (i.e. aller) Merkmale der Stichprobe, den Merkmalsverteilungen in der Grundgesamtheit (Zielpopulation) entsprechen, oder

(ii) schlicht eine Zufallsstichprobe. Vielleicht verstehen einige auch eine Kombination der beiden "Definitionen".

Neben der Nicht-Existenz einer Defnition, bezieht sich mein erster Kommentar zunächst auf die erste Definition. Selbst wenn es möglich ist, einige (wenige) Merkmale, wie bsp. Geschlecht, Alter, Bildung in der Stichprobe in gleicher Verteilung abzubilden, wie sie in der Grundgesamtheit vorliegen (das versucht der ZENSUS ebenso, wie der Mirko ZENSUS, und mir scheint es plausibel dieses Ziel zu erreichen), kann daraus mitnichten geschlossen werden, dass auch die Verteilung (aller) unbeobachteter/latenter Merkmale in ihrerer Verteilung der Grundgesamtheit entsprechen. Dieser Schluss beruht alleine auf der (frequentistischen) statistischen Theorie von Zufallsstichproben (Defnition (ii)).

Der zweite gepostete Link (http://www.bidmon.de/blog/2010/03/studi ... ativ-html/) stellt Quotenstichproben als Möglichkeit dar, "representative" Ergebnisse zu erhalten. Hier hat man offenbar die erste verbreitete Definition im Sinn. Dieser Rat ist allerdings irreführend. Zunächst muss vor einer Quotenauswahl bereits vieles über die Verteilung von Merkmalen in der Grundgesamtheit bekannt sein -- wie sollte man sonst die Quote festlegen? Diese Art der Stichproben erzeugen also in eng begrenzterem Ausmaß (bezogen auf die Anzahl der Merkmale, die "representativ" sein sollen) "representative" Ergebnisse. Wichtiger aber ist, dass inferenzstatistische Verfahren immer auf einer Zufallsauswahl (vgl. Defnition (ii)) beruhen. Auch wenn die Wahlforschung uns immer wieder zeigt, dass praktisch nützliche Ergebnisse mittels inferenzstatistischer Verfahren in Kombination mit Quotenstichproben (im Hinblick auf die eine Dimension: Wahlergebnis) erzielt werden, ist diese Kombination aus der theoretischen Perspektive der frequentistischen Statistik schlicht unzulässig.

Um meinen ersten Komentar auch auf die zweite Definition zu beziehen, möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es theoretisch sicher möglich ist Zufallsstichproben zu ziehen, praktisch allerdings immer das Problem des Unit-Nonresponse auftritt. Es ist unwahrscheinlich, dass solche Verweigerer sich nicht systematisch von Teilnehmern unterscheiden. Der (Mikro)ZENSUS hat den Vorteil der Strafandrohung bei Verweigerung, was zu einer hohen Response-Rate bei den zufällig gezogenen Befragten führt. Klar sein sollte hier aber auch, dass man unter diesen extermen Vorrausetzungen erwarten könnte, dass sich die Verweigerer sehr stark von den Teilnehmern unterscheiden. Da die Verzerrung eine multiplikative Verknüpfung der Response-Rate und der Unterschiede zwischen Teilnehmern und Verweigeren ist, führt daher auch geringer Nonresponse zu potentiell stark verzerrten Ergebnissen.

Zur eigentlichen Frage möchte ich nur anmerken, dass es sicher einen Methodenbericht zur Stichprobenziehung beim (Mikro)ZENSUS gibt. Ich hatte kürzlich das Vergnügen einen Vortrag eines bei der Stichprobenziehung des ZENSUS beteiligten Statistikers zu hören, habe aber leider versgessen, wo man dieses Methodenbericht einsehen kann.
Stata is an invented word, not an acronym, and should not appear with all letters capitalized: please write “Stata”, not “STATA”.
daniel
Inventar
Inventar
 
Beiträge: 739
Registriert: Mo 6. Jun 2011, 13:23
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 169 mal in 161 Posts

Re: Wertigkeit von ZENSUS-Erhebungen

Beitragvon HMS63 » Fr 1. Mär 2013, 17:17

Die Fragen sind meines Wissens auch hier allgemein gehalten. Das ist sicherlich auch vertrauensbildend. Was ich vergessen habe: wahrscheinlich geht es hier um die Erzielung eines Annährungswertes, d.h. Ungenauigkeit sind hier durchaus einkalkuliert seitens des Auftraggebers.

a) Allerdings ist mir rätselhaft wie viel Abweichung eine derartige Erhebung wirklich verträgt. Die Annahme der Landesregierungen : die Vergattung zur Mitwirkungspflicht gemäß § 7 Mikrozensusgesetz würde disziplinierend wirken kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Den Fragebogen
schaue ich mir jedenfalls im Detail auf jeden Fall für NRW mal an.


Die mir vorliegenden Informationsschriften gegenüber dem Bürger sind als aufklärende Begleitung jedoch ungeachtet dessen auch sehr dürftig. Die Motivlage bleibt bei der von mir hier angesprochenen ZENSUS-Erhebung für NRW recht schwammig. Das könnte auch zu einer schludrigen Mitwirkung der Bürger führen. Dies ist natürlich nicht wirklich beweisbar.

b) Für mich ist noch unverständlich wozu man auf eine Flächenstichprobe seitens der Landesregierungen mehr setzt als auf einer repräsentativen Erhebung. Soweit ich das erkennen kann ist auch eine überschaubar (begrenzte) Repräsentationsbefragung kostengünstig hinzubekommen, so dass der ökonomische Faktor hier nicht der entscheidende Grund sein kann. Der Aussagewert ist möglicherweise sogar deutlich besser.

c) Ich habe den Eindruck, dass bei Landesregierungen die den Datenschutz auch praktisch hoch halten, die Kooperation statistischer Erhebungen sich auch deutlich besser darstellt.
HMS63
Mitglied
Mitglied
 
Beiträge: 20
Registriert: Do 13. Sep 2012, 14:14
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 0 mal in 0 Post

Re: Wertigkeit von ZENSUS-Erhebungen

Beitragvon daniel » Fr 1. Mär 2013, 18:07

a) Allerdings ist mir rätselhaft wie viel Abweichung eine derartige Erhebung wirklich verträgt.

Im Bezug auf was?

Die Annahme der Landesregierungen : die Vergattung zur Mitwirkungspflicht gemäß § 7 Mikrozensusgesetz würde disziplinierend wirken kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen.

Was genau ist da nicht nachvollziehbar?

b) Für mich ist noch unverständlich wozu man auf eine Flächenstichprobe seitens der Landesregierungen mehr setzt als auf einer repräsentativen Erhebung.

Was stellst Du Dir unter dem Begriff "representative Erhebung" vor, den Du hier als Alternative anbietest?

c) Ich habe den Eindruck, dass bei Landesregierungen die den Datenschutz auch praktisch hoch halten, die Kooperation statistischer Erhebungen sich auch deutlich besser darstellt.

Diese Aussage stellt eine zu testende empirische Hypothse dar, zu der mir allerdings keine Studie bekannt ist.
Stata is an invented word, not an acronym, and should not appear with all letters capitalized: please write “Stata”, not “STATA”.
daniel
Inventar
Inventar
 
Beiträge: 739
Registriert: Mo 6. Jun 2011, 13:23
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 169 mal in 161 Posts

Re: Wertigkeit von ZENSUS-Erhebungen

Beitragvon HMS63 » Di 12. Mär 2013, 15:26

Meine Ausführungen beziehen sich auf die Erhebungsgrößen im Verhältnis zur Realität. Es ist doch klar dass diese nur eine Annährung darstellen kann.
Ob eine Haushaltsbefragung von 1 Prozent den Bevölkerungsquerschnitt wiederspiegelt sehe ich skeptisch. Eine stichprobenartige Erhebung hat nur
dann sinn wenn Sie die Bevölkerungsstruktur einigermaßen wiederspiegel. - Ich dachte der Begriff repräsentativ ist bekannt ...
HMS63
Mitglied
Mitglied
 
Beiträge: 20
Registriert: Do 13. Sep 2012, 14:14
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 0 mal in 0 Post

Re: Wertigkeit von ZENSUS-Erhebungen

Beitragvon daniel » Di 12. Mär 2013, 16:21

Skepsis erfordert m.E. eine (wissenschaftlich) fundierte Begründung, und ist ansonsten nicht zu rechtfertigen. Dies ist hier nicht zu erkennen.

Zum Begriff der Representativitöät habe ich mich bereits ausführlich in diesem Beitrag geäußert.
Stata is an invented word, not an acronym, and should not appear with all letters capitalized: please write “Stata”, not “STATA”.
daniel
Inventar
Inventar
 
Beiträge: 739
Registriert: Mo 6. Jun 2011, 13:23
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 169 mal in 161 Posts

Re: Wertigkeit von ZENSUS-Erhebungen

Beitragvon HMS63 » Do 14. Mär 2013, 13:34

Um hier weiter zu kommen müsste man erst einmal klären weshalb man überhaupt repräsentative Erhebungen macht. Wenn diese den Bevölkerungsquerschnitt abbildet minimiert das Abweichungen zur Realität und man darf doch sagen dass diese Form aus Gründen der Kostenersparnis gar nicht anders gemacht werden kann.

b) ich nehme mal an dass man mindestens 1000 Befragte benötigt um dem erhofften Aussagewert der Erhebung auch zu erlangen.
HMS63
Mitglied
Mitglied
 
Beiträge: 20
Registriert: Do 13. Sep 2012, 14:14
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 0 mal in 0 Post

Re: Wertigkeit von ZENSUS-Erhebungen

Beitragvon daniel » Do 14. Mär 2013, 15:24

Um weiter zu kommen wäre es, neben der Formulierung eines konkreten Problems/Frage, vermutlich ratsam, Einführungsliteratur zum Thema Inferenzstatistik zu lesen.

Vor der Frage weshalb man etwas tut, sollte geklärt werden, was man unter diesem etwas (hier: representativ) versteht. Aber das beiseite. Stichporben werden i.d.R. in der Tat aus Kostengründen einer Vollerhebung vorgezugen. Das beantwortet aber nicht die m.E. relevantere Frage -- wie und wozu man denn die erhaltene Ergebnissen verwerten möchte. Ich habe Probleme mir eine Anwendung vorzustellen, bei der kleine (und entscheidend: berechnebare) zufällige Abweichungen von den tatsächlichen Verhälnissen, tatsächlich eine praktische Relevanz hätten.

Dazu, und ebenso ad b) Der Zusammenhang zwischen Schätzgenauigkeit und Stichprobengröße ist bestens dokumentiert. Als (relativ) groben Einstieg eigenet sich, wie so häufig, Wiki.

http://de.wikipedia.org/wiki/Zufallsstichprobe
http://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%A4tzfunktion
http://de.wikipedia.org/wiki/Konfidenzintervall
Stata is an invented word, not an acronym, and should not appear with all letters capitalized: please write “Stata”, not “STATA”.
daniel
Inventar
Inventar
 
Beiträge: 739
Registriert: Mo 6. Jun 2011, 13:23
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 169 mal in 161 Posts

Re: Wertigkeit von ZENSUS-Erhebungen

Beitragvon HMS63 » Do 21. Mär 2013, 14:37

Ich bitte einmal um einen Anschaffungsvorschlag für ein geeignetes Kompendium : Infarenzstatistik sagt mir nichts. Es darf ruhig auch ein älteres Werk sein, denn ich habe Zugang zu einer Fachbibliothek mit entsprechender Anleitungsliteratur in Sachen STATISTIK.

Das erklärt dann auch meine ursprüngiche Fragestellung.
Wenn man bei Amazon sucht weiß man nicht ob das entsprechende Fachbuch nicht zu speziell ausgerichtet ist. Ich denke dass es sich lohnt mal bei google books zu suchen.
Vielleicht kann man dort ja auch eine Leseprobe nehmen.
HMS63
Mitglied
Mitglied
 
Beiträge: 20
Registriert: Do 13. Sep 2012, 14:14
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 0 mal in 0 Post


Zurück zu Allgemeine Fragen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste

cron